Als Folge des Krieges in der Ukraine rechnet der Währungsfonds mit einem deutlichen Anstieg der Lebensmittelpreise in vielen Ländern.

Es hätte ein großer Schritt zurück in Richtung Normalität sein sollen. Das Frühjahrstreffen der beiden wichtigsten Finanzinstitutionen der Welt, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, diese Woche in Washington sollte nicht länger von Corona überschattet sein. Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie hätte ein Teil der Diskussionsveranstaltungen und Ministertreffen in Konferenzräumen abgehalten werden sollen – und nicht bloß virtuell. Und auch die Weltwirtschaft, so hofften die Veranstalter noch vor wenigen Wochen, sollte die vielen pandemiebedingten Unsicherheiten endlich hinter sich lassen.

Doch es ist alles anders. Die Treffen finden zwar wie geplant statt. Aber im Fokus stehen weniger Inhalte, sondern der Umgang mit Russland. Bei der Tagung in Washington diskutieren regelmäßig die Finanzminister und Notenbankchefs der 20 wichtigsten Länder in eigenen Runden. Wegen Russlands Teilnahme könnten US-Vertreter diesen Diskussionen fernbleiben. Eine Abschlusserklärung der Runde wurde bereits im Vorfeld abgesagt.

Dazu kommt, dass die Unsicherheiten in der Weltwirtschaft wegen des Krieges in der Ukraine enorm sind. Ob bei Wachstum, Inflation oder Stabilität des Finanzsektors: Die Aussichten sind ernüchternd.

So haben die Ökonomen des Währungsfonds am Montag ihren Bericht zur Lage der Weltwirtschaft vorgelegt. Das globale Wachstum wird sich demnach durch den Krieg und die Sanktionen stark eintrüben. Der IWF rechnet mit einem Wachstum der Weltwirtschaft von 3,6 Prozent für heuer. Im Jänner war der Fonds von 4,4 Prozent ausgegangen.

Große Korrektur für die Eurozone

Besonders groß fällt die Korrektur in der Eurozone aus, und da speziell für Deutschland und Italien, wo die Abhängigkeiten von und die Verflechtungen mit Russland besonders stark sind. Deutschlands Wirtschaft soll demnach heuer um 2,1 Prozent zulegen, noch im Jänner wurden 3,8 vorhergesagt. Für Österreich rechnen die IWF-Experten mit einem Wachstum von 2,6 Prozent für heuer. Dieser Wert wird erneut leicht unter dem Durchschnitt der übrigen Euroländer liegen. Österreich hinkt schon seit Beginn der Pandemie hinterher.

Weniger von den Kriegswirren betroffen sind die USA, hier soll die Wirtschaft um 3,7 Prozent zulegen, in China um 4,4 Prozent. Für Russland wird mit einem Einbruch von 8,5 Prozent gerechnet.

Deutlich höher ausfallen als noch im Jänner 2022 gedacht wird die Inflation. Auch hier sind der Krieg und die dadurch gestiegenen Preise für Energie der treibende Faktor. Doch inzwischen erfasst die Inflation immer mehr Produktgruppen und immer weitere Sektoren, so der IWF. So soll die Teuerung in Industrieländern heuer bei 5,7 Prozent liegen, das ist um 1,8 Prozentpunkte höher, als noch im Jänner vorhergesagt wurde. In Schwellen- und Entwicklungsländern wird mit einer Inflation von 8,7 Prozent gerechnet.

Der ansonsten zurückhaltende Fonds ruft in seinem ebenfalls am Montag präsentierten Bericht zur globalen Finanzstabilität die Notenbanken dazu auf, mehr im Kampf gegen die Inflation zu tun. "Da die Inflation in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften hartnäckig hoch bleiben wird, sollten die Zentralbanken entschlossen handeln, um zu verhindern, dass sich der Inflationsdruck verfestigt", heißt es im Bericht. Gemeint ist damit, dass die Notenbanken in Frankfurt, Washington und London handeln sollten, bevor hohe Inflationserwartungen und hohe Lohnsteigerungen dafür sorgen, dass die Inflation in einer zweiten Runde noch einmal zu steigen beginnt.

Der erwähnte Bericht über die Finanzmarktstabilität widmet sich auch intensiv der Frage, wie hoch die Risiken für die Stabilität der Banken durch den Konflikt mit Russland sind. Insgesamt fürchtet der IWF keine Neuauflage der Finanzkrise 2009: Dafür ist das Risiko aller ausländischen Finanzinstitute in Russland zu klein. Doch bei manchen Banken und in manchen Ländern konzentrieren sich Risiken – hier kommt Österreich ins Spiel.

So haben Finanzinstitute in Österreich weltweit die dritthöchsten Forderungen gegen Kunden in Russland, also gegen Haushalte oder Unternehmen dort. Dieses Risiko kommt vor allem durch die Aktivitäten der Raiffeisen Bank International (RBI) zustande.

Der IWF analysiert auch, wie groß das Risiko für jede einzelne Bank in Russland, der Ukraine und Osteuropa ist. Der Fonds nennt keine Namen, bei "Bank 1" mit dem größten Exposure handelt es sich wohl um die RBI. (András Szigetvari, 19.4.2022)