Es ist gerade einmal vier Monate her, da stellte das deutsche Bundesverfassungsgericht fest, dass es angemessen sei, den deutschen Popsänger Xaiver Naidoo einen Antisemiten zu nennen. Geurteilt hatte es nach der Beschwerde einer Vortragsrednerin, die 2017 diese Aussage getätigt hatte. Naidoo wehrte sich und bekam in zwei Instanzen recht, ehe die Höchstrichter feststellten, dass die Bezeichnung im Rahmen der damaligen Situation ob seiner öffentlich vorgetragenen, "streitbaren politischen Ansichten" von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.

2014 wurde das Abdriften des lange gefeierten und medienpräsenten Musikers in die Welt der Verschwörungserzähler sichtbar, als er in Berlin auf einer Demo sogenannter Reichsbürger sprach. Dem folgten zunehmend weitere Annäherungen an das rechtsextreme Milieu – antisemitische Aussagen inklusive – wie auch zur "Querdenker"-Szene nach Beginn der Corona-Pandemie. Erst im November hatte er die Impfungen mit einer Art Zombie-Apokalypse in Zusammenhang gebracht.

Nun soll alles anders sein. In einem am Dienstagabend (19. April) auf seinem Youtube-Kanal veröffentlichten Video nimmt er nun Abstand von Rechtsradikalismus und Verschwörertum. Ein Sinneswandel, den der russische Angriff auf die Ukraine ausgelöst haben soll.

Xavier Naidoo

Wandel nach Beginn des Ukraine-Krieges

Er wolle zu etwas Stellung beziehen, sagt Naidoo, der in dem dreiminütigen Clip auf einem Sofa sitzt, einleitend. "Wie euch haben auch mich die Ereignisse der vergangenen Wochen bestürzt und aufgerüttelt. Die brutale russische Invasion in die Ukraine, die Gewalt, die Menschenverachtung, die Tatsache eines Krieges, der gar nicht weit von uns entfernt ist, haben mich schockiert und tief erschüttert." Seine Betroffenheit habe auch damit zu tun, dass seine Frau (Julia) aus der Ukraine stammt, wo auch ihre Familie noch lebe.

Naidoo spricht von einem "unfassbaren Leid der Menschen", das ihn "tief bewegt" habe. "Die Welt scheint wie auf den Kopf gestellt, und ich habe mich gefragt, wie es so weit kommen konnte." Das habe in vielen Gesprächen mit Freunden dazu geführt, dass er auch mit seinen eigenen Äußerungen konfrontiert wurde, was zu einem Prozess kritischer Selbstreflexion geführt habe. "Ich habe erkannt, auf welchen Irrwegen ich mich teilweise befunden habe und dass ich in den letzten Jahren viele Fehler gemacht habe."

Wahrheitssuche "wie in einer Blase"

Familie, Freunde und Unterstützer habe er mit "verstörenden Äußerungen irritiert und provoziert". Letztlich habe er sich auf der Suche nach Wahrheit "verrannt", habe sich von Verschwörungserzählungen blenden und auch instrumentalisieren lassen. Seine Wahrheitssuche sei mitunter "wie in einer Blase" abgelaufen, dabei habe er den Bezug zur Realität verloren, was er jetzt erst erkannt habe. Dinge, die er gesagt und getan habe, bereue er heute.

Er wolle sich von allen Extremen distanzieren, "insbesondere von rechtsextremen und verschwörerischen Gruppen". Er sei für ein friedliches Zusammenleben in Vielfalt. Nationalismus, Rassismus, Homophobie und Antisemitismus seien mit seinen Werten nicht vereinbar. Er habe andere Menschen mit manchen seiner Aussagen vor den Kopf gestoßen und verletzt und bitte dafür nun um Verzeihung.

Wie ernst Naidoo es mit diesem Sinneswandel meint oder dieser Weg noch ein weiter sein wird, bleibt freilich abzuwarten. Rund zwei Stunden nach Veröffentlichung hatte der Clip rund 5.000 Abrufe und 1.500 Likes gesammelt. Der Kommentarbereich für das Video ist allerdings abgeschaltet. Auf mehreren Telegram-Kanälen war der Clip zwar bereits geteilt worden, aber es gab noch kaum Reaktionen zu lesen. (gpi, 20.4.2022)