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Der Konzern Meta wählte das Symbol der Unendlichkeit als Logo. Unendlich fühlt sich auch der Kampf gegen Hass im Netz an.

Foto: Reuters/DADO RUVIC

Als das Gesetz gegen Hass im Netz Ende 2020 präsentiert wurde, wurden Hoffnungen geweckt. Es solle die "Gesprächskultur im Netz" wieder zurückgewonnen werden, sagte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) damals. Und für Frauen seien etwa die beschlossenen Strafen für "Upskirting", das versteckte Fotografieren des Intimbereichs, gar "ein Meilenstein", so Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). Weitere beschlossene Maßnahmen waren etwa, dass die Plattformen einen für Behörden und Gerichte erreichbaren Beauftragten anstellen, und ein "wirksames und transparentes Verfahren" für die Meldung und Löschung rechtswidriger Inhalte einrichten müssen. Zudem wurden Unterlassungsklagen gegen "Hasspostings" erleichtert, und "Cybermobbing" ist nun schon ab dem ersten Posting strafbar und nicht erst, wenn es eine ganze Reihe ist.

Einfach ignoriert

Das klang und klingt auch heute noch alles sehr gut. Trotzdem war – Hoffnungen hin oder her – von Anfang relativ klar, dass Digitalriesen wie Meta oder Twitter deshalb kaum ein Ohrwaschel rühren werden. Die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ bestätigte das nun: Die österreichische Regelung sieht vor, dass die Digitalkonzerne bei der Kontrolle mitzahlen müssen. Bisher haben aber milliardenschwere Konzerne wie Meta die vergleichsweise lächerlichen Zahlungsaufforderungen der zuständigen Kommunikationsbehörde Austria (Komm Austria) über insgesamt 160.000 Euro nicht einmal ignoriert. Bezahlt wurde nur von kleineren Plattformen. Sie waren es auch, die laut dem neuen Gesetz gegen Hass im Netz die geforderten Anlaufstellen für Beschwerden nannten, die Großen ließen auch hier aus.

Auch User:innen greifen auf die neuen Möglichkeiten, sich gegen Hass im Netz zu wehren, nur wenig zu. Das Angebot, mit einem formlosen Antrag Verfasser anonymer Internetpostings ausforschen zu lassen, wurde 2021 nur 65-mal in Anspruch genommen. Die Anklagen zu Cybermobbing blieben trotz Reform gleich hoch wie im Jahr 2020. Der neue Upskirting-Tatbestand wurde immerhin 129-mal angezeigt, sehr gering ist allerdings die Chance, dass das auch tatsächlich geahndet wird: Es kam nur zu 22 Anklagen.

Neue Chancen?

Warum ist das so? Eine These wäre, dass mit der von Zadić damals angesprochenen Gesprächskultur wohl eine gemeint ist, die sich an prädigitalen Zeiten orientiert. Denn auch abseits von einer strafrechtlich relevanten Hassrede haben wir offenbar nicht gelernt, einen Stil im Netz zu entwickeln, der in einem gute Sinne den neuen Möglichkeiten entspricht. Direkt, anonym, in kurzer Zeit und mit verdammt vielen Informationen, zu denen wir heute einen niederschwelligen Zugang haben – das alles könnte neue Chancen für den Austausch untereinander bedeuten. Dass wir es aber heute viel zu oft mit Anwürfen und Diskussionen zu tun haben, die in einem endlosen Zirkel zu stecken scheinen, daran haben sich viele womöglich schon so gewöhnt: so gewöhnt, dass sie es vielleicht gar nicht mehr wahrnehmen, wenn Grenzen überschritten werden – oder es als aussichtslos erachten, dagegen vorzugehen.

Und damit wären wir bei der anderen, sehr mächtigen Seite? Jener der Digitalkonzerne. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die maximal hitzige Debatte, die Emotion, das Entsetzen, das Pauschalisieren einen Nutzen für sie hat. All das fesselt uns dort – und sicher um einiges länger, als würde stets respektvoll und differenziert kommuniziert. Die Zeit, die wir auf diesen Plattformen verbringen, können sich die Firmen vergolden lassen, Stichwort personalisierte Werbung.

Eine Pattsituation

Der lasche Umgang von Digitalriesen mit Hass im Netz und der Nutzen daraus – all das ist bekannt. Doch Aktionen wie jene vom Herbst 2020 mit dem Titel #StopHateForProfit, als Stars wie Katy Perry oder Kim Kardashian ihre Instagram-Accounts einfrierten, sind trotzdem keine in Sicht. Dabei dauerte der Verzicht damals ohnehin nur 24 Stunden, bis sie ihre Aufmerksamkeitsmaximierungsmaschinen wieder anwarfen.

Es sieht derzeit also nach einer Pattsituation aus. Wir können nicht zurück in eine Zeit ohne Kommunikationsplattformen und wollen es auch gar nicht. Gleichzeitig kommen wir aber beim Schutz vor Sexismus, Rassismus und Hassrede auf diesen Plattformen nicht weiter. Und so scheint es, als wären wir erst einmal auf einfache, alte Hausmittel zurückgeworfen: erst denken, dann schreiben. (Beate Hausbichler, 21.4.2020)