In Großbritannien wurden zuletzt dutzende Fälle akuter Hepatitis bei Kindern bis zehn Jahre gemeldet, berichtete vor kurzem die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Ursache dafür ist unbekannt. Mittlerweile berichten weitere Länder, dass die Krankheit gehäuft beobachtet wurde, so etwa die Niederlande, Irland, Dänemark und Spanien. Die USA berichten von neun Verdachtsfällen im Bundesstaat Alabama.
Die WHO rief alle Länder zur Wachsamkeit auf, in Österreich findet derzeit eine Erhebung statt. In den vergangenen Wochen und Monaten hat man aber keine Auffälligkeiten bei Hepatitis-Fällen unter Kindern gesehen, berichtet Volker Strenger, Kinderarzt an der Klinischen Abteilung für Allgemeine Pädiatrie an der Medizinischen Universität Graz.
Gemeinsam ist allen berichteten Hepatitis-Fällen, dass deren Ursache unklar ist. Bei keinem betroffenen Kind wurden die bekannten Erreger von Hepatitis A, B, C, D oder E nachgewiesen. Die britischen Gesundheitsbehörden, gemeinsam mit der WHO und der EU-Gesundheitsbehörde ECDC, prüfen derzeit verschiedene Möglichkeiten als Ursache.
Bei einer Hepatitis ist das Lebergewebe entzündet, die Kinder haben meist Bauchschmerzen im Oberbauch, Spannungsgefühle, Müdigkeit, auch Durchfall ist möglich oder eine Gelbsucht als Folge. Bei den jetzt untersuchten Fällen wurde berichtet, dass die Kinder kein Fieber hatten.
Mehrere Theorien zur Ursache
Prinzipiell gibt es drei Ursachen für eine Hepatitis, wie Kinderarzt Strenger erklärt: "In den meisten Fällen wird sie durch Infektionen, meist durch Viren ausgelöst. Sie kann aber auch toxischen Ursprungs sein, etwa nach einer Pilzvergiftung. Und es kann eine Autoimmunreaktion sein." Welche Ursache hinter den aktuellen Fällen steckt, dazu gibt es mehrere Hypothesen. Ob eine Infektion dahintersteckt, ist nämlich noch nicht gesichert.
Erschwert wird die Ursachenforschung dadurch, dass die Kinder, die erkrankt sind, wenig bis keine überschneidenden Vorereignisse haben. So lautet eine Theorie, dass die Hepatitis eine Begleiterscheinung einer Corona-Infektion ist. Doch nur wenige der betroffenen Kinder waren gleichzeitig positiv. Einige waren zu einem früheren Zeitpunkt positiv, aber bei vielen Kindern war auch nie eine Infektion nachgewiesen worden. Auch ein Zusammenhang mit dem Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS), das bei Kindern in seltenen Fällen vier bis acht Wochen nach einer Corona-Infektion auftreten kann, ist deshalb eher unwahrscheinlich.
Auch toxische Ursachen sind wenig wahrscheinlich. Die ECDC erklärte, man habe mittels Fragebogen abgeklärt, welche Nahrungsmittel und Getränke im Vorfeld konsumiert worden seien. Hier hätten sich keine auffälligen Überschneidungen gezeigt. Auch persönliche Gewohnheiten seien abgefragt worden und hätten keinen einenden Faktor zutage gebracht.
Keine Impfnebenwirkung
Ebenso unwahrscheinlich ist die These einer Impfnebenwirkung, entkräften Strenger und die ECDC eine Vermutung: "Der überwiegende Teil der Kinder ist unter fünf Jahren, für diese Altersgruppe ist die Impfung noch nicht freigegeben. Und fast alle betroffenen Kinder waren nicht geimpft. Hier kann man keinen Zusammenhang feststellen."
Einen möglichen Hinweis geben Erkenntnisse aus den USA: Die neun in Alabama erkrankten Kinder waren alle mit Adenoviren infiziert, ebenso wie mehrere Kinder in Europa. Strenger dazu: "Zu den Adenoviren würde der Durchfall als Begleiterscheinung passen. Eine Theorie ist nämlich, dass die Kinder auf die Adenoviren stärker reagieren. Der Grund dahinter könnte sein, dass die Kinder in den vergangenen zwei Jahren durch die Pandemiemaßnahmen deutlich weniger mit Viren in Kontakt gekommen sind, ihr Immunsystem wurde weniger geprimed. Dadurch könnten sie jetzt anders auf die Adenoviren reagieren. Eine andere Theorie ist, dass sich die Adenoviren durch Mutation verändert haben könnten."
Tatsächlich sind einige der derzeitigen Fälle besonders schwer, in Großbritannien haben laut WHO sechs Kinder eine neue Leber bekommen – was sehr selten notwendig ist. Derzeit wird die Lage weiter beobachtet. Besondere Vorsichtsmaßnahmen sind aber vorerst nicht nötig, die Zahl der Betroffenen ist im Verhältnis gering, es gibt noch keine Anzeichen für eine große Verbreitung. Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen helfen aber, die Ausbreitung von Virusinfektionen zu verringern. (Pia Kruckenhauser, 21.4.2022)