Design und Kunst: Die Arbeiten von Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl locken in verführerische Welten.

Foto: Georg Petermichl

Die Maschine ist endlich in Betrieb. Genauso bunt und extravagant wie ihre Ausstellung im österreichischen Pavillon sind auch die Outfits aus der eigenen Modekollektion von Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl: In Glitzerleggins und buntem Oversize-Kleid posiert das Kunstduo bei der Besichtigung in den Giardini. Wo sich die beiden befinden, ist deren Stylist nicht weit. Der glamouröse Auftritt von Knebl und Scheirl ist zentral in ihrer Arbeit.

Ihren Beitrag für die um ein Jahr verschobene Venedig-Biennale haben sie – inspiriert von William S. Burroughs’ – Invitation of The Soft Machine and Her Angry Body Parts getauft. Soft ist dieser tatsächlich, "angry" wohl kaum. Wer die Installationen der Kunstschaffenden kennt, die auch privat ein Paar sind und auch als Duo ausstellen (Lyon Biennale, Kunsthaus Bregenz), wird in Venedig nicht unbedingt überrascht – verführt aber bestimmt.

Knebl und Scheirl verwandeln den Josef-Hoffmann-Pavillon in eine Bühne, auf der sie ihre hybriden und nonbinären Körper auftreten lassen. Diese zerlegen sie: Aufgerissene Münder, langgezogene Arme und pralle Popos begegnen in der Präsentation, die ab Samstag dem Publikum zugänglich ist, das automatisch zum performativen Voyeur wird – wer einmal in der Maschine drinnen ist, wird Teil davon.

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Auf witzigen Fototapeten bewegen sich Knebl (geboren 1970 in Baden) und Scheirl (geboren 1956 in Salzburg) in braunen Sofalandschaften und bunten Küchen der 1970er-Jahre. Mit fast puppenhafter Extravaganz bespielen sie diese Retroeinrichtung in ihren wilden Outfits samt Plüsch-Einteilern, Schlaghosen und Plateauschuhen. Design, Kunst, Mode und Vintagemöbel verschmelzen zu einem opulenten Spiel. Auf einem gemusterten Secondhandsofa darf man auch Platz nehmen.

Kulissen voller Exkremente

Anders als einige ihrer Vorgänger nehmen Knebl und Scheirl nur in subtiler Art Bezug auf die Architektur des Pavillons – und teilen sich dessen gespiegelte Räume 50 zu 50 auf, durch die offene Bogenstruktur bleiben sie aber stets miteinander in Kontakt. Ganz nach ihrer Formel "Transgenre, Transästhetik, Transgender" bespielen sie diese als reich geschmückte "Begehrensräume".

Links betritt man bei Ashley Hans Scheirl eine "begehbare Malerei". Dieser ausgelutschte Begriff wird hier zur Geschmacksexplosion: Eine monumentale Hand zieht einen Vorhang zur Seite und lockt in eine kulissenhafte Spaßwelt, die sich je nach Standpunkt verändert. Die Farbe scheint von den Wänden zu rinnen und das Kunstduo selbst wie poppige Comic-Charaktere durch die Gemälde zu fliegen. Ein flauschiger Panzer schießt rot-weiße Pillen durch die Gegend, aus einer Pumpe tritt Erdöl, und ein leuchtender Goldklumpen prangt an der Decke.

Foto: Georg Petermichl

Diese Bezüge zur Waffenindustrie, zu Pharma- und Ölkonzernen spannen einen Bogen zu dem gemeinsamen Überthema der Seventies. Darin erkennen Knebl und Scheirl eine Zeit des Aufbruchs: Bürgerrechtsbewegungen, Identitätspolitik, Esoterik, Neoliberalismus: "Das passierte alles in diesem Jahrzehnt, und die Auswirkungen sind bis heute spürbar", so die beiden.

Sobald es mit diesem theoretischen Überbau jedoch zu ernst wird – und auch zu erdrückend für die sonstige Heiterkeit des Kunstkosmos von Knebl und Scheirl –, bringen die beiden den Spaß ins Spiel. So wird mit fast kindlichem Schmäh bei Scheirl eine gelbe Lacke auf den Boden gepinkelt oder aus einem Anus eine goldene Kotwurst in den Raum gedrückt. "Exkremente sind auch Teil unserer Körper", stellt Scheirl fest.

Kunstgeschichte trifft Comic

Auf der rechten Seite tanzen währenddessen farbenfrohe Skulpturen aus diversen Materialien von Jakob Lena Knebl durch den Raum, der mit einer industriellen Rohrarchitektur (Centre Pompidou!) verkleidet und einer surrealen Science-Fiction-Landschaft hinterlegt ist. Soft Sculptures aus Cord treten mit Keramikköpfen oder "Atomkraft? Nein Danke"-Shirts in Dialog. Mit ihren Hauptprotagonistinnen, die sie als 3D-Modelle digital entworfen und dann in nachhaltigem Plastik gegossen hat, nimmt Knebl auf Design- und Kunstgeschichte Bezug.

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Ihre Formen zitieren Bildhauer wie Henri Laurens oder Henry Moore und werden in Quietschgrün oder -rosa mit kurvigen Hinterteilen und Perücken übersetzt. Wie auch der Gesamtauftritt im Pavillon, funktioniert Knebls Arbeit immer auf mehreren Ebenen: Eine gelbe Skulptur lässt zugleich an Die große Badende oder eine Comicfigur mit toupiertem Wuschelkopf denken.

Durch diese Kombination aus verlockender Zugänglichkeit, spaßiger Genreüberschreitung und queerer Sprache ist Knebls und Scheirls Kunst trotz 1970er-Romantik am Puls der Zeit. Der diesjährige Beitrag Österreichs in Venedig driftet dennoch zum Glück in keine analytische Betrachtung von Gesellschaftbildern ab, sondern funktioniert vor allem auf einer ästhetischen Ebene. Kritische Stimmen könnten das für zu plakativ und verspielt halten – die Maschine kann darüber nur schallend lachen. (Katharina Rustler aus Venedig, 20.4.2022)