Der Ruf nach mehr Härte ertönt immer lauter in den Diskussionen über den Ukraine-Krieg. Der Tenor dabei lautet: Es sei nicht die Zeit des Zögerns und Zauderns angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine. Wer sich dem entgegenstellt, wird angegriffen oder als Pazifist lächerlich gemacht.

Nun liegt die Schuld für den Krieg bei Russland, Wladimir Putin hat sich für Kriegsverbrechen zu verantworten. So viel sollte außer Streit stehen. Aber eine komplexere Sache ist es zu sagen, was genau aus diesen Erkenntnissen folgt. An dieser Stelle wird die Tendenz, mehr Härte zu fordern und Zurückhaltung als prinzipiell falsch einzustufen, zum Problem.

Deutschlands Kanzler Olaf Scholz agiert in der Ukraine-Krise vorsichtig.
Foto: EPA/CLEMENS BILAN/POOL

Gut illustrieren lässt sich das an den aktuellen Diskussionen rund um den Kurs des deutschen Kanzlers Olaf Scholz. Was Kritiker dem SPD-Politiker vorwerfen? Dass er in der Ukraine-Krise zu vorsichtig agiert. Dabei ist oft nicht klar, was diese Kritiker seines abwägenden Kurses möchten, was sie mit Schlagworten wie "Zeit für Entschlossenheit" meinen. Entweder wissen sie es selbst nicht, oder sie wollen nicht aussprechen, worum es geht, weil dann klar würde, dass sie aus der sicheren Schreibstube an der kriegerischen Eskalationsschraube drehen wollen. Genau das bedeutet die Lieferung von schweren Waffen, von Flugzeugen, Panzern und Artillerie an die Ukraine, wo Scholz noch bremst.

Doch wer voreilig agiert, geht das Risiko ein, sich zu verrennen. Diese Erfahrung haben schon mehrere westliche Politiker machen müssen wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der nach Kriegsbeginn die Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine ankündigte, dann aber zurückrudern musste. Ähnlich erging es Polens Regierung. Oft ergab sich das Problem, dass sich nicht jede Waffengattung für die Ukraine eignet. Oft wurde das Risiko einer Eskalation des Krieges durch Waffenlieferungen doch für zu hoch befunden.

Eskalation

Die gravierende Frage aber ist, was die Befürworter einer militärischen Eskalation mit schweren Waffenlieferungen erreichen wollen. Diese Antwort bleiben sie oft schuldig, letztlich gehörte genau das diskutiert. Werden weniger Menschen sterben, wenn mehr schwere Waffen geliefert werden? Wo gibt es Belege dafür? Geht es um einen Sieg der Ukraine im Krieg, wie würde er aussehen? Der Politikwissenschafter Heinz Gärtner argumentiert wie andere Sicherheitsexperten, dass es "keinen wirklichen Sieger" im Krieg geben kann. Dafür sei die Übermacht Russlands zu groß, auf ukrainischer Seite werde der Konflikt zu viele Menschenleben fordern.

Niemand wisse, wie weit Putin bereit sei zu gehen, aber die militärischen Optionen seien alle nicht gut. "Ein bedingungsloser Abzug der russischen Truppen ist nicht realistisch", so Gärtner. Damit kein Missverständnis entsteht: Die Frage, wie man mit einem Staat umgeht, der seinen Nachbarn niederbombt, führt zu schwierigen Abwägungsfragen ohne gute Auswege. Wer nicht Ratlosigkeit und Unsicherheit eingesteht, auch in Bezug auf die Lieferung von Kriegsgerät, ist vermutlich unehrlich oder fanatisch.

Aber wenn die gesamte westliche Führung in die Logik verfallen sollte, dass die Lösung nur in einem härteren Krieg bestehen könne, birgt das mit Sicherheit die Gefahr, mögliche Auswege nicht zu finden und an ihnen vorbeizulaufen, selbst wenn der Aggressor Russland einmal dafür bereit wäre. Da gibt es wenig Zweifel: Dieser Krieg wird sich wohl nur mit Verhandlungen und aus ukrainischer Sicht schmerzhaften Kompromissen beenden lassen. Gut, wenn Politiker wie Scholz dabei kühlen Kopf bewahren. (András Szigetvari, 20.4.2022)