Forschende haben eine bisher unbekannte Art von Sternexplosionen entdeckt, sogenannte Mikronovae. Die Darstellung zeigt ein Zwei-Sterne-System mit dem Weißen Zwerg im Vordergrund und seinem Begleitstern im Hintergrund.
Illustr.: ESO/Mark Garlick

Seit der dänische Astronom Tycho Brahe im späten 16. Jahrhundert den lateinischen Ausdruck stella nova für das unvermittelte Erscheinen eines Sterns am Nachthimmel prägte, verwendeten Berufskollegen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Nova als Bezeichnung für jegliche Art von Helligkeitsausbruch eines Sterns. Mittlerweile wird in dieser Hinsicht differenziert: Während die wesentlich explosiveren Supernovae am Ende eines Sternenlebens stehen, stellen klassische Novae eine thermonukleare Kettenreaktion auf der Oberfläche eines Sterns in einem Doppelsystem dar.

Lokale Fusionsprozesse

Bei einem solchen stellaren Paar sammelt ein Weiße Zwerg dabei so lange Wasserstoff von seinem Partner, meist ein Roter Riesenstern, bis das Gas im Rahmen eines fortgesetzten Fusionsprozesses explodiert und von dem Stern fortgeschleudert wird. Klassische Novae erreichen bisweilen die hunderttausendfache Helligkeit der Sonne – doch es geht auch bescheidener, wie die Entdeckung einer ganz neuen Art von Sternexplosion zeigt: Eine Gruppe um Simone Scaringi von der Durham University in Großbritannien hat ein Phänomen beobachtet, das sie im Fachjournal "Nature" als Mikronova bezeichnete.

In Zahlen übersetzt zeigt sich, dass bei solchen Ausbrüchen immer noch enorme Energiemengen frei werden: Mikronovae ereignen sich auf der Oberfläche von Weißen Zwergen und können in nur wenigen Stunden eine Menge an Sternmaterial von jeweils mehreren Trillionen Tonnen verbrennen. "Dieses Ereignis stellt unser Verständnis davon infrage, wie thermonukleare Explosionen in Sternen ablaufen. Bisher dachten wir, wir wüssten das, aber diese Entdeckung zeigt einen völlig neuen Mechanismus auf", sagt Scaringi.

Drei Mikronovae beobachtet

Das Team stieß zum ersten Mal auf diese mysteriösen Mikroexplosionen, als es die Daten des Transiting Exoplanet Survey Satellite (Tess) der Nasa analysierte. "Bei der Durchsicht der von Tess gesammelten astronomischen Daten entdeckten wir etwas Ungewöhnliches: einen hellen optischen Lichtblitz, der einige Stunden anhielt. Bei der weiteren Suche fanden wir mehrere ähnliche Signale", sagt Koautorin Nathalie Degenaar, Astronomin an der Universität von Amsterdam, Niederlande. Letztlich fanden die Forschenden in den Tess-Daten Hinweise auf drei Mikronovae: zwei davon stammten von bekannten Weißen Zwergen, aber der dritte erforderte weitere Beobachtungen mit dem X-Shooter-Instrument am VLT der Eso, um seinen Status als Weißer Zwerg zu bestätigen.

Weiße Zwergsterne sind im Grunde tote Sterne mit einer Masse, die etwa der unserer Sonne entspricht, aber so klein wie die Erde sind. Ein Weißer Zwerg in einem Doppelsternsystem kann seinem Begleitstern Material, vor allem Wasserstoff, entreißen, wenn sie nahe genug umeinander kreisen. Wenn dieses Gas auf die sehr heiße Oberfläche des Weißen Zwergsterns trifft, werden die Wasserstoffatome explosionsartig zu Helium fusioniert. Bei Novae finden diese thermonuklearen Explosionen auf der ganzen Sternoberfläche statt. "Solche Detonationen lassen die gesamte Oberfläche des Weißen Zwerges brennen und mehrere Wochen lang hell leuchten", erklärt Degenaar.

Video: Bei der neuen Art von Sternexplosion entzieht der Weiße Zwerg (vorne) seinem Begleiter Material, das in Richtung seiner Pole geschleudert wird. Wenn das Material auf die heiße Oberfläche des Weißen Zwergs fällt, löst es eine Mikronova-Explosion aus, die an einem der Pole des Sterns stattfindet.
European Southern Observatory (ESO)

Durch Magnetfelder lokal begrenzt

Mikronovae sind ähnliche Explosionen, nur kleiner und schneller; sie dauern nur einige Stunden. Sie treten bei einigen Weißen Zwergen mit starken Magnetfeldern auf, die Material in Richtung der magnetischen Pole des Sterns schleudern. "Wir haben jetzt zum ersten Mal gesehen, dass die Wasserstofffusion auch lokal begrenzt stattfinden kann. An der Basis der Magnetpole einiger Weißer Zwerge kann der Wasserstoffbrennstoff festgehalten werden, sodass die Fusion nur an diesen Magnetpolen stattfindet", sagt Paul Groot, Astronom an der Radboud-Universität in den Niederlanden und ebenfalls Koautor der Studie.

Das führt dazu, dass gleichsam Mikrofusionsbomben gezündet werden, die etwa ein Millionstel der Stärke einer klassischen Nova-Explosion haben. Auch wenn der Begriff mikro vermuten lässt, dass es sich um eher kleine Ereignisse handelt, sollte man sich nicht täuschen: Ein einziger dieser Ausbrüche kann etwa 20.000 Billionen Tonnen Material verbrennen, das entspricht etwa der 3,5-Milliarden-fachen Masse der Cheops-Pyramide von Gizeh.

Vielleicht ein häufiges Phänomen

Diese neuen Mikronovae erweitern das Repertoire der bekannten Sternexplosionen und erschüttern das Verständnis der Astronominnen und Astronomen von Sternexplosionen und kommen möglicherweise häufiger vor als bisher angenommen. "Das zeigt, wie dynamisch das Universum ist. Diese Ereignisse können tatsächlich recht häufig vorkommen, aber weil sie so schnell sind, ist ihre Beobachtung schwierig", sagt Scaringi.

Das Team möchte nun weitere dieser schwer zugänglichen Ereignisse erfassen, was großangelegte Durchmusterungen und schnelle Folgemessungen erfordert. "Die schnelle Reaktion von Teleskopen wie dem VLT oder dem New Technology Telescope der Eso und die Vielzahl der verfügbaren Instrumente werden es uns ermöglichen, diese mysteriösen Mikronovae im Detail zu entschlüsseln", so Scaringi. (tberg, red, 21.4.2022)