Mit neuen Sportarten, die nachgereicht werden, könnte "Nintendo Switch Sports" auch längerfristig zum Verkaufsschlager werden.

Foto: Nintendo

Diese Woche ist mit Nintendo Switch Sports ein Titel erschienen, den viele klassische Gamer wohl nicht auf dem Zettel stehen haben. Das ist auch nicht nötig, denn für seine treueste Fanbase hat Nintendo in den letzten Jahren ausreichend Spielmaterial für die Switch geliefert. Im Jahr fünf der Konsole will der japanische Konsolenhersteller jetzt aber wissen, ob er auch die rund 83 Millionen Wii Sports-Spieler zurück ans Joypad holen kann. Ein gewagter Versuch, denn die Zielgruppe könnte bereits woanders gelandet sein.

Fuchtelwahnsinn

Im Dezember 2006 erschien in Europa eine Konsole namens Wii. Am Markt waren damals Playstation 3 und die Xbox 360, die mit möglichst aktueller Technik und Online-Features die Gamer begeistern wollten. In diesen Kampf mischte sich Nintendo damals allerdings mit seinen eigenen Mitteln und setzte auf Bewegungssteuerung. Plötzlich wurde in Wohnzimmern gebowlt und Tennis gespielt, auch dank des oftmals beigelegten Wii Sports. Die intuitive Steuerung sorgte damals dafür, dass auf einmal auch Non-Gamer Videospiele erleben konnten, wenn auch in einer reduzierten Form.

Auch der Nintendo DS, der bereits 2004 das Licht der Videospielewelt erblickte, verkaufte sich dank typischer Casual-Titel wie Nintendogs (24 Millionen), Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging 1 und 2 (34 Millionen) und Animal Crossing (elf Millionen) rund 154 Millionen Mal. Und ja, natürlich auch wegen diverser Pokémon-Spiele (33 Millionen).

Insgesamt also etwa 250 Millionen begeisterter Gamer, die nicht nur wegen Zelda oder Metroid eine Konsole kaufen würden. Mit der Wii U war diese Zielgruppe auf einmal verschwunden. Mit der Switch, die trotz regelmäßiger Lieferengpässe derzeit bei knapp über 100 Millionen verkauften Geräten liegt, könnte sich der japanische Konzern diese Spieler zurückholen, oder? Wird also Nintendo Switch Sports der Verkaufsschlager, der weitere Käufer anlocken wird, oder hat man mit dem erfolgreichen "Pandemie-Spiel" Animal Crossing (35 Millionen), dem immer wieder ausverkauften Ring Fit Adventure (14 Millionen) und den weiterhin erfolgreichen Just Dance-Spielen alle Möglichkeiten dieser Generation bereits ausgeschöpft und den Rest anderweitig verloren?

Mobile Gaming

Der Markt hat sich seit 2006 und den Jahren danach stark verändert. Mobile Gaming und eine Welle an Free-2-Play-Games haben den Markt stark wachsen lassen und sicher auch viele Menschen abgeholt, die nie zu einem Halo, God of War oder sogar Mario Odyssey greifen würden. Rund 500.000 Smartphone-Games soll es bereits geben, mehr als die Hälfte davon ist kostenlos – zumindest der Einstieg. Monetarisierung findet hier dank Mikrotransaktionen statt, das heißt, die rund 90 Milliarden Dollar im Jahr geben die Spieler erst dann aus, wenn sie sich länger mit dem Spiel beschäftigen. Das funktioniert nicht nur auch bei Casual-Games à la Candy Crush, Coin Master oder Subway Surfers, sondern gerade bei diesen.

Zudem sind die Menschen pandemiemüde und werden die nächsten Monate wenn irgendwie möglich vermehrt in der Sonne verbringen und nicht zu Hause vor dem TV-Gerät schwitzen wollen. Aber der Herbst wird kommen, und die Switch geht dann bald in ihr sechstes Jahr. Der Gaming-Markt wird bis dahin erneut gewachsen sein, und vor Weihnachten werden sich erneut viele fragen, in welche Konsole oder in welches Spiel sie Geld und Zeit investieren sollen.

Anreize schaffen

Nintendo braucht deshalb weitere Anreize für Neukäufer, auch abseits von Mario-Kart-Erweiterungen, dem Pokémon-Spiel des Jahres und dem bereits erwähnten Breath of the Wild-Nachfolger. Ein unkompliziertes Sportspiel scheint da eine gute Ergänzung zu sein, möchte man glauben. Leider hat es Nintendo mit Nintendo Switch Sports verabsäumt, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Etwa ein umfangreicheres Angebot an Sportarten zu bieten, mehr Online-Modi oder gar einen Season-Pass, der laufend Erweiterungen verspricht. Irgendwie hat man deshalb das Gefühl, Nintendo selbst war die mögliche Reichweite von diesem Spiel nicht bewusst, oder aber man hat sich damit abgefunden, dass die Zeiten vorbei sind, in denen man solch einen Titel über 80 Millionen Mal verkauft hat.

Dennoch wird man die nächsten Monate gespannt auf die Verkaufszahlen lugen und abwarten, wie groß dieser Markt heute noch ist. Vielleicht überraschen die Käufer mit großem Interesse, weil gemeinsam vor der Konsole abhängen und dabei ein wenig Bewegung zu machen, dann doch irgendwie ein Alleinstellungsmerkmal ist. Am Ende wird Nintendo Switch Sports dann vielleicht doch der wichtigste Titel für Nintendo. Vielleicht in diesem Jahr oder sogar darüber hinaus. (Alexander Amon, 24.4.2022)