Virologin Dorothee von Laer (im Bild) und Juristin Christiane Druml waren zu einem Hearing im Parlament eingeladen.

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269.391 Menschen haben das Volksbegehren "Impfpflicht: Striktes Nein" unterzeichnet, dementsprechend muss sich der Nationalrat damit auseinandersetzen. Rechtlich bindend ist das nicht, im Parlament wird aber zumindest darüber gesprochen. So geschehen für mehrere Stunden am Donnerstag, als in einem öffentlichen Hearing im Gesundheitsausschuss Antragssteller, Abgeordnete und der Gesundheitsminister sprachen.

Im Zentrum aber standen die Ausführungen der Expertinnen und des Experten, die zu dem Thema geladen wurden: Christiane Druml, Juristin, Vorsitzende der Bioethikkommission und Gecko-Mitglied war da gemeinsam mit Dorothee von Laer, Professorin am Lehrstuhl für Virologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, und mit Hannes Strasser, Urologe und Universitätsdozent.

Zum Teil waren da Wissensstand und Positionen schon vorab klar. So gab Strasser zwar an, selbst auch Patienten und Patientinnen zu impfen, gleichzeitig stand er bei Pressekonferenzen schon an der Seite der FPÖ – die traditionell vehement gegen Corona-Schutzmaßnahmen auftritt. Die Freiheitlichen wiederum unterstellten den beiden Expertinnen vorab, diese seien "Corona-politische Systemerhalterinnen" und würden sich "als Eideshelfer für das Menschenexperiment 'Corona-Impfpflicht'" hergeben.

Gesundheitsminister reagiert auf impfskeptischen Arzt

Entsprechend klar fiel auch Strassers Resümee aus: "Die Impfung kann krank machen und töten." Zuvor zitierte er zahlreiche Teile aus Studien und einzelne Daten, die belegen würden, dass geimpfte Personen häufiger im Spital oder auf Intensivstationen landen würden und die Zahl der Impfnebenwirkungen deutlich untererfasst sei. "Ja, ich bin geimpft, ich habe auch geimpft, aber ich bin vorsichtiger und skeptischer geworden", sagte er.

Skeptisch wurde auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), der noch während der Sitzung Zahlen Strassers gegenchecken ließ und ihm im Anschluss erklärte, dass er Corona-Todesfälle mit Opfern von Herzinfarkten oder Autounfällen vermische. Rauch kritisierte durchaus emotional die Rede Strassers: "Wenn dann jemand sagt 'Impfung tötet', dann können wir jede Impfkampagne einstampfen. Damit werden Impfungen per se diskreditiert, und wir verlieren auch die Zustimmung zur Masernimpfung." Er werde "alles tun, um die Impfquote auch ohne Impfpflicht" bis zum Herbst in die Höhe zu treiben, sagte der Gesundheitsminister.

Mehr fachlicher Natur waren da die Ausführungen der beiden Expertinnen. Virologin von Laer nahm etwa Stellung zur einst geplanten Impfpflicht für Gesundheitsberufe. Nachdem die Impfung nach wenigen Wochen kaum mehr vor Übertragung schütze, sei das keine brauchbare Maßnahme, sagte sie sinngemäß, stattdessen solle man in vulnerablen Settings auf Maske und Tests setzen.

Von Laer für Impfpflicht für über 60-Jährige

Befürworten würde die Virologin allerdings eine Impfpflicht für Menschen über 60 Jahren, "wenn wir diese Lücke nicht in den nächsten Wochen schließen". Denn: Ziel einer Impfpflicht wäre auch, die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern – und 90 Prozent der Hospitalisierten und Verstorbenen seien über 60.

Einzig um die Wirtschaft zu schützen, sei eine allgemeine Impfpflicht aber nicht zu rechtfertigen, sagte von Laer. Wer geimpft sei, werde zwar weniger schwer krank, könne aber mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit das Virus noch übertragen. Sie plädiert daher – das ist bereits bekannt – für Tests als Zugangsbeschränkungen, "wenn man eine Regel haben möchte".

In Richtung Strasser kritisierte sie auch die Vermischung von Impfreaktionen und Impfnebenwirkungen. Zweitgenanntes sei ein "reales Risiko", aber extrem selten: So würden Herzmuskelentzündungen nach einer Impfung bei fünf von einer Million Personen auftreten und vor allem Männer unter 35 betreffen, ähnlich die Dimension beim Thrombose-Risiko für Frauen zwischen 30 und 40. Auch Strassers Daten zu den geimpften Hospitalisierten zog sie in Zweifel: "Alle anderen Virologen sind sich in dem Punkt einig", sagte sie.

Druml: Impfen ist keine Privatsache

Die Bioethikkommission hatte schon zum Gesetzesentwurf zur allgemeinen Impfpflicht eine "positive Begutachtung" abgegeben, wie Vorsitzende Druml es im Parlament formulierte. Eine Impfpflicht sei aber stets die Ultima Ratio, sagte sie dazu – auch wenn sie nach wie vor eine Impfpflicht als Berufsvoraussetzung für Gesundheitspersonal für vorstellbar halte. Das sei allerdings nicht mit einer "Zwangsimpfung" gleichzusetzen, sagt sie. Laut "Kurier" rät Druml dazu, die Impfpflicht vordringlich auf einzelne Gruppen wie Gesundheitsberufe, Personen ab 60 Jahren und Risikopatienten aller Altersgruppen zu konzentrieren.

Die Impfpflicht sei auch aus dem Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit zu sehen, so die Juristin, denn sie bringe "objektiv gesehen die gleiche körperliche Belastung für alle mit sich". Die sei geringer als die Belastungen durch ein überfordertes Gesundheitssystem oder einen Lockdown.

Außerdem sei "das Prinzip der Solidarität hervorzuheben", es gehe darum, "die eigenen Ansprüche zugunsten der vulnerablen Personen hintanzustellen". Einmal mehr betonte Druml die Position der Bioethikkommission: "Die Impfung kann nicht als reine Privatangelegenheit gesehen werden."

Covid-Maßnahmengesetz verlängert

Am Abend hat der Gesundheitsausschuss dann die Geltungsdauer des Covid-Maßnahmengesetzes bis Ende Juni 2023 verlängert. Für den Abänderungsantrag stimmte neben den Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne auch die SPÖ, teilte die Parlamentskorrespondenz mit. Damit ist die Grundlage für einen entsprechenden Beschluss im Plenum kommenden Mittwoch gelegt.

Das Maßnahmengesetz, über das etwa Ausgangsbeschränkungen oder Beschränkungen von Zusammenkünften geregelt werden, wäre eigentlich Mitte dieses Jahres ausgelaufen. Nun wurde es aus präventiven Gründen, wie die Regierungsfraktionen betonten, bis Ende Juni 2023 verlängert. Die Bundesregierung könne per Verordnung auch einen anderen Zeitpunkt des Außerkrafttretens bestimmen, wobei dieser jedoch nicht nach dem 31. Dezember 2023 liegen dürfe, hieß es.

Kritik an der Gesetzesinitiative kam von FPÖ und Neos. Für die Freiheitlichen würden damit die Verordnungsermächtigungen prolongiert. Wichtiger wäre hingegen eine Neufassung des Epidemiegesetzes. Die Neos lehnten den Antrag zum Covid-19-Maßnahmengesetz ab, da eine Verlängerung keine Vorbereitungsmaßnahme auf den Herbst sei. (Gabriele Scherndl, APA, 21.4.2022)

Update um 19:20 Uhr: Der Gesundheitsausschuss verlängerte das Covid-19-Maßnahmengesetz.

Update um 20:54 Uhr: Druml-Statement aus Kurier wurde ergänzt.