Der Druck auf die EZB steigt im selben Ausmaß wie die Inflation.

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Frankfurt – Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) mehren sich die Stimmen, die eine Zinserhöhung bereits im Juli für möglich halten. Ein solcher Schritt sei abhängig von den Konjunkturdaten, die die EZB im Juni sehen werde, sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der Agentur Bloomberg.

"Aus heutiger Sicht ist Juli möglich, und September oder später ist auch möglich. Wir schauen uns die Daten an – und erst dann entscheiden wir", sagte der Stellvertreter von Notenbankchefin Christine Lagarde. Am Mittwoch hatte bereits Bundesbankpräsident Joachim Nagel gesagt, Anfang des dritten Quartals könne mit einer ersten Zinsanhebung gerechnet werden.

Letzte Zinserhöhung 2011

Lagarde hatte vergangene Woche nach der EZB-Zinssitzung noch einmal bekräftigt, dass die großangelegten Anleihenkäufe der Notenbank voraussichtlich im dritten Quartal enden werden und einige Zeit danach Zinserhöhungen denkbar seien. Eine erste Zinsanhebung bereits im Juli hatten Euro-Wächter Insidern zufolge nicht ausgeschlossen. Die EZB hatte letztmalig im Jahr 2011 Schlüsselzinsen angehoben.

Seit 2016 liegt der Leitzins der EZB bei null Prozent.

Wie auch Nagel sprach sich de Guindos für ein frühes Ende der Anleihenkäufe aus. "Meiner Meinung nach sollte das Programm im Juli enden, und für die erste Zinserhöhung müssen wir uns unsere Projektionen und die verschiedenen Szenarien anschauen und erst dann entscheiden", führte der EZB-Vize aus. Noch sei nichts beschlossen. Neue volkswirtschaftliche Prognosen der EZB-Volkswirte werden den Währungshütern zur Junizinssitzung vorliegen.

Zinsen steigen erst ab zwei Prozent Inflation wieder

Die EZB will erst dann an der Zinsschraube drehen, wenn sie sich sicher ist, dass die Inflation im Prognosezeitraum das Notenbankziel von zwei Prozent erreicht und dort auch bleibt bis zum Ende des Zeitraums. Der Druck auf die Notenbank ist zuletzt allerdings immer größer geworden. Denn infolge hochschießender Energiepreise ist die Teuerung im Währungsraum im März auf 7,4 Prozent hochgeschnellt – und das liegt deutlich über der Zielmarke der Währungshüter. Aus Sicht von de Guindos wird die Inflation zwar im zweiten Halbjahr wieder sinken. "Aber selbst dann wird sie im Schlussquartal über vier Prozent liegen."

Lagarde wies unterdessen auf das durch hohe Unsicherheit geprägte Wirtschaftsumfeld hin. "Unter den gegenwärtigen Bedingungen hoher Unsicherheit werden wir beim Vorgehen in der Geldpolitik an Optionalität, Gradualismus und Flexibilität festhalten", hieß es in ihrer Erklärung zur Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds. Die EZB werde alles, was nötig ist, unternehmen, um Preisstabilität zu sichern. (APA, 21.4.2022)