Im Gastblog beschreibt die New Yorkerin Stella Schuhmacher, wie der Big Apple aus dem Homeoffice-Schlaf ganz langsam erwacht. 

“Eines darf nicht passieren: Sie können nicht den ganzen Tag im Pyjama zu Hause bleiben", sagte der seit Jänner amtierende New Yorker Bürgermeister Eric Adams bei einer Veranstaltung. „So sind wir als Stadt nicht. Gehen sie hinaus, tauschen Sie sich mit anderen aus, interagieren Sie mit Menschen! Wir sind soziale Wesen, und wir müssen Kontakte knüpfen, um die Energie zu bekommen, die wir als Stadt brauchen."

Adams ruft New Yorker dazu auf, ins Büro zurückzukehren. Arbeit im Homeoffice sei wirtschaftlich nicht nachhaltig und letztendlich schädlich für einkommensschwache New Yorker. "Damit unser wirtschaftliches und finanzielles Ökosystem funktioniert, müssen wir menschliche Interaktion haben. Das können wir nicht von zu Hause aus machen.“ Sonst seien die negativen Auswirkungen für Niedriglohnarbeiter groß, sagt Adams.

Kein konkretes Zurück

Die Notwendigkeit eines Büros, um Büroarbeit zu erledigen, wird dabei gerade neu überdacht. Die Liste der New Yorker Unternehmen, die ihre Arbeitsweise dementsprechend verändern, wird immer länger, wie die "New York Times" berichtet. PwC, ein globales Beratungsunternehmen, dessen amerikanischer Hauptsitz sich in New York City befindet, teilte den 40.000 Mitarbeitern mit, dass sie für immer von zu Hause arbeiten können. Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan, eine Anwaltskanzlei mit etwa 300 Anwälten in New York, erlaubt ihren Mitarbeitern, im gesamten Land zu leben. Verizon überlässt es den "hybriden" Mitarbeitern - das sind Arbeitnehmer, die nach Lockerung der Pandemiebeschränkungen nur teilzeit ins Büro zurückkehren - zu entscheiden, wie oft sie ins Büro gehen. Und Penguin Random House, ein Verlag mit rund 2.500 Mitarbeitern im Raum New York City, hat überhaupt keine konkreten Pläne für die Rückkehr ins Büro. "Es wird kein Datum geben, an dem wir sagen werden: 'OK, alle zurück in den Pool'", sagte die Personaldirektorin des Unternehmens.

Schrittweise Rückkehr ins Büro

Lee Tenny ist Chief Procurement Officer bei der Bank of New York Mellon und geht seit zwei Monaten zwei bis dreimal pro Woche in sein Büro, das sich in Downtown Manhattan in Tribecca befindet. „Die Rückkehr ins Büro stellt jeden vor unterschiedliche Herausforderungen. Manche Kollegen sind beispielsweise aus der Stadt weggezogen oder haben sich einen Pandemie-Welpen so wie meine Familie zugelegt," erzählt Lee. Für andere seien Kinderbetreuung oder Schule noch immer schwierig. "Uns ist beispielsweise aufgefallen, dass unsere Mitarbeiter in Indien während der Pandemie zurück in ihre Heimatstädte gezogen sind. Von Land zu Land sehen wir unterschiedliche Entwicklungen.“ Er selbst habe sich mittlerweile sehr an Videokonferenzen gewöhnt: „Ich habe mich so daran gewöhnt, dass ich die Namen über den Gesichtern sehe. Jetzt muss ich mir tatsächlich die Namen der Leute merken!“, scherzt er. Auch sei der Geräuschpegel in einem vollen Büro gewöhnungsbedürftig nach der Ruhe zu Hause.

Für die „Future of Work“ wird bei seiner Bank eine Rückkehr ins Büro von zwei bis drei Tagen pro Woche angegeben. „In 2020 und 2021 legte meine Bank noch konkrete Daten für die Rückkehr ins Büro fest. Aber dann breiteten sich die Delta- und Omikronwellen aus und alle realisierten, wie schwierig es war, ein exaktes Datum zu bestimmen.“ Mitarbeiter sollen mit ihren Vorgesetzten abstimmen, an welchen Tagen sie ins Büro gehen. Manchen wurde erlaubt, vollständig von zu Hause zu arbeiten. „Alle sind sich einig, dass persönlicher Kontakt in der Arbeit wichtig ist. Man muss jedoch nicht jeden Tag für acht Stunden im Büro sein, um effizient zu sein.“ Die räumliche Büroplanung sei dabei eine Herausforderung, da die Zahl der Anwesenden während einer Arbeitswoche stark fluktuiere.

Midtown Manhattan. Central Park Reservoir im Vordergrund. Viele Büros stehen leer.
Stella Schuhmacher

Wirtschaftlich ist Homeoffice für New York ein großes Problem

Mit weniger Arbeitszeit in den Büroräumen halbiert der durchschnittliche New Yorker Büroangestellte seine jährlichen Ausgaben in Büronähe um 6.730 US-Dollar von insgesamt rund 13.700 US-Dollar vor der Pandemie. Dies ergaben die Untersuchungen von Ökonomen des Instituto Tecnológico Autónomo de México, der Stanford University und der University of Chicago. New York verzeichnet dabei den größten Rückgang aller untersuchten US-amerikanischen Großstädte. 

Viele Cafés, Restaurants, chemische Reinigungen oder andere kleine Unternehmen, die von Pendlern benutzt werden, mussten in den letzten zwei Jahren schließen. Leerstehende Geschäftsauslagen haben in ganz Manhattan zugenommen, wobei in einigen Teilen von Midtown, wo sich der Großteil der mit Büroflächen gefüllten Wolkenkratzer befindet, sogar jede dritte Verkaufsfläche leer steht. Bürogebäude in Manhattan deckten vor der Pandemie außerdem mehr als ein Viertel der Grundsteuereinnahmen der Stadt ab. Die finanziellen Auswirkungen auf das Schulsystem, Parks oder die Polizei, die alle von Steuereinnahmen finanziert werden, sind bisher unklar. 

Viele Geschäfte stehen in New York leer.
Foto: Stella Schuhmacher
Leerstehende Auslage mit Graffiti.
Foto: Stella Schuhmacher

Auch öffentliche Verkehrsmittel könnten von Leistungskürzungen betroffen sein, was vor allem diejenigen Arbeitnehmer, die immer noch jeden Tag am Arbeitsplatz erscheinen, betreffen würde. Lee Tenny benützt die Subway, um an seinen Arbeitsplatz zu gelangen. „Ich habe einen einfachen Arbeitsweg. Man sieht aber noch immer viele Obdachlose in der Subway. Die Stadt sollte mehr tun, um Obdachlose oder psychisch kranke Menschen zu unterstützen," sagt er. 

Die Polizeipräsenz wurde in der Subway erhöht.
Foto: Stella Schuhmacher
Citibikes sind eine immer beliebter werdende Alternative zur Subway.
Foto: Stella Schuhmacher

Höhere Gewalt in NYC

New York hat außerdem mit einem Anstieg von Gewaltverbrechen zu kämpfen. Schießereien sind im ersten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 260 auf 296 angestiegen. Der Trend spiegle "anhaltende und völlig inakzeptable Gewalt in unseren Straßen" wider, wie Polizeikommissar Keechant L. Sewell vor kurzem sagte. Die Schießerei in der Subway in Brooklyn vom 12. April, bei der 23 Menschen verletzt wurden, war der schlimmste Zwischenfall dieser Art in New York seit Jahrzehnten.

Die Sorge um die öffentliche Sicherheit, insbesondere im Verkehrssystem, scheint das größtes Hindernis für die Rückkehr in die Bürogebäude der Stadt zu sein. Dies ergab eine im Februar und März dieses Jahres durchgeführte Umfrage unter Beschäftigten des Privatsektors der Stadt, im Auftrag der Partnership for New York City. 94 Prozent der Befragten gaben an, dass nicht genug getan werde, um Obdachlosigkeit und psychische Erkrankungen in der Stadt zu bekämpfen, gefolgt von Waffengewalt und anderen Verbrechen. (Stella Schuhmacher, 28.4.2022)

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