Linda Poppenwimmer war im U-Ausschuss geladen.

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Der U-Ausschuss hat am Donnerstag eine Staatsanwältin und einen Staatsanwalt geladen, deren Handlungen in den vergangenen Monaten für deutliche Kritik inner- und außerhalb der Justiz gesorgt haben.

Erste Auskunftsperson war Linda Poppenwimmer.

  • Sie war zuletzt bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), ließ sich karenzieren und wechselte dann zur Kanzlei Ainedter & Ainedter. Bei ihrem Abgang kritisierte sie per Presseaussendung ihre Kollegenschaft deutlich.
  • Kritik gab es, weil sie zuvor per Whatsapp Interna aus der WKStA an den Chef von deren Oberbehörde geschickt hatte.
  • Poppenwimmer war im Team rund um die Eurofighter-Ermittlungen, die im Frühjahr 2019 zur WKStA gewandert waren. Wegen des Verfahrens hatte es heftigen Krach zwischen WKStA und deren Oberbehörden gegeben, die seitdem im Dauerstreit lagen.

Thema eins: "Ich bin kein Maulwurf"

Hunderte Chats an den Vorgesetzten der eigenen Vorgesetzten, in denen Interna ausgeplaudert und abfotografierte handschriftliche Notizen der Kollegenschaft übermittelt werden: Für ihre Kommunikation mit Johann Fuchs, dem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, hat Linda Poppenwimmer einige Kritik einstecken müssen. Vor dem U-Ausschuss beteuerte sie nun, weder Maulwurf noch trojanisches Pferd oder gar Spitzel gewesen zu sein.

Vielmehr habe die Staatsanwältin, die bei der WKStA die Causa Eurofighter betreut hat, lediglich über "aufklärungswürdige Vorgänge" dort berichten wollen. Über die Chats, in denen Poppenwimmer etwa über Leaks von WKStA-Kollegen spekuliert, sei "skandalisierend" berichtet worden.

Mit Fuchs habe Poppenwimmer ein "friktionsfreies Verhältnis" und sich öfter mit ihm getroffen. Worum es dabei ging, wollte sie nicht sagen: "Private Dinge sind privat", außerdem unterliege sie dem Anwaltsgeheimnis, sagte sie nach Beratung mit Vertrauensperson Klaus Ainedter. Fuchs' Tipp für den U-Ausschuss sei gewesen: "Offen und ehrlich sein." Gegen den OStA-Chef ist gerade ein Strafantrag wegen des Verdachts auf Falschaussage vor dem U-Ausschuss eingebracht worden, es gilt die Unschuldsvermutung.

Mit OStA-Wien-Chef Fuchs wollte Poppenwimmer immer wieder "wintergrillen", sie klagte ihm ihr Leid über die Zustände bei der WKStA.
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Thema zwei: Vorwürfe gegen die WKStA

Für Aufmerksamkeit hat Poppenwimmer, die einen Kameraschwenk vor ihrer Aussage erlaubte, allerdings ganz allein gesorgt: Als sie im späten Herbst 2021 von der WKStA zur Kanzlei Ainedter & Ainedter wechselte, verschickte diese eine Presseaussendung mit O-Tönen der karenzierten Staatsanwältin. Die ließ sich damit zitieren, dass ein "vergiftetes Klima" in der Justiz herrsche. Im U-Ausschuss legte Poppenwimmer nach: Die WKStA wolle sich abschotten und sei deshalb nicht die Antikorruptionsbehörde, "die wir brauchen".

Im Lauf der Befragung lieferte Poppenwimmer immer schärfere Vorwürfe gegen die WKStA: Sie vermutete, dass Informationen aus der Behörde nach außen drangen, und berichtete von angeblichen Freundschaften zwischen WKStA-Kollegen und Politikern oder deren Verwandten. Poppenwimmer behauptete auch, WKStA-Leiterin Ilse-Maria Vrabl-Sanda habe den Rücktritt von Sebastian Kurz so kommentiert, dass jetzt "nur noch einer" fehle – gemeint war Johann Fuchs. Zuvor sei "Pilnacek muss weg" das Motto der WKStA gewesen.

Der ÖVP-Abgeordnete Christian Stocker ortete nach Poppenwimmers Befragung "Abgründe bei der WKStA".
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Der Ibiza-Anwalt, der die Kloibmüller-Chats nicht las

Um Fuchs und seine Chats ging es indirekt auch bei der ersten Befragung des Ausschusstages. Geladen war Staatsanwalt Bernd S.

  • S. leitete die Ermittlungen gegen den Ibiza-Videoregisseur Julian Hessenthaler und klagte ihn erfolgreich (nicht rechtskräftig) wegen Drogendelikten an.
  • S. war lange Staatsanwalt in Wien, nun arbeitet er in St. Pölten.
  • S. ermittelte auch gegen den einstigen Verfassungsschützer Egisto Ott. In dem Verfahren ging es später auch um gestohlene Chats aus dem Innenministerium.
  • Pilnacek und Fuchs wollten S. mit Ermittlungen gegen die WKStA beauftragen, das geht aus Chats zwischen den beiden hervor.

Thema eins: Ermittlungen gegen die WKStA

Zwischen den Oberbehörden und der Staatsanwaltschaft Wien dürfte es um einiges harmonischer gelaufen sein als zwischen Oberbehörden und der WKStA. Das Vertrauen ging offenbar so weit, dass S., damals bei der StA Wien, mit Ermittlungen gegen die WKStA betraut werden sollte – zumindest legen das Chats nahe. So schrieb Pilnacek im Sommer 2018 an Fuchs: "Wir müssen koordinieren. Meine Idee ist, dass StA Wien – S(.) – mit Soko das Leak ermittelt. (...)" Fuchs hielt das für eine "gute Lösung". Der Hintergrund: Die beiden Vorgesetzten der WKStA vermuteten, dass die Antikorruptionsbehörde sie mit gezielten Leaks unterminiert.

Um den suspendierten Justizsektionschef Christian Pilnacek geht es im U-Ausschuss immer wieder.
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Für die Opposition ergibt sich aus den Chats der Eindruck, dass Pilnacek ein besonderes Vertrauensverhältnis zu S. hatte. Allerdings zeigt eine Nachricht, dass der damalige Sektionschef selbst ins Zweifeln geriet. Er fragte Fuchs, ob es "zwischen S(.) und den Leuten von der WKStA mehr als kollegiale Verbindungen" gebe. Bewiesen wurden Leaks nie, ein Verfahren dazu mit S. als ermittelndem Staatsanwalt gab es nach aktuellem Wissensstand auch nicht. Vor dem U-Ausschuss gab S. an, von den Konversationen und Wünschen nichts gewusst zu haben.

Thema zwei: Aufsehenerregende Ermittlungen

S. war in den vergangenen Jahren mit zwei prominenten Ermittlungen betraut worden: Er hat Ibiza-Regisseur Julian Hessenthaler angeklagt, der gegen seine Verurteilung beruft. Die Ermittlungen hatten Kritik auf sich gezogen, weil sich Zeugen widersprachen. So hatten dutzende NGOs ihre Sorge vor der Einschüchterung von Whistleblowern durch manipulierte Verfahren geäußert. Kritik sei man als Staatsanwalt aber gewohnt, sagte S. den Abgeordneten.

Die bekam er dann auch wegen der Causa Kloibmüller: Bereits seit dem Herbst 2017 ermittelte S. gegen den früheren Verfassungsschützer Egisto Ott. Anfangs ging es da um Hinweise, dass Ott für Russland spioniere. Später erweiterte sich die Causa, es kamen Vorwürfe des Datendiebstahls dazu. Betroffen war der langjährige Kabinettschef im Innenministerium, Michael Kloibmüller. Bei einer Hausdurchsuchung bei einem anderen einstigen Verfassungsschützer fand man dessen Handy; bei einem weiteren Beschuldigten dann einen USB-Stick mit den sogenannten BMI-Chats.

Michael Kloibmüllers (links) gestohlene Smartphone-Daten landeten bei den Ermittlern der StA Wien – die ihn als Opfer sahen. Erst die WKStA ermittelte nun wegen Chatinhalten gegen Wolfgang Sobotka (rechts).
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Er habe das als "Opferstick" gesehen, sagte S.: Er habe ja nicht gegen Kloibmüller ermittelt, der sei in dem Verfahren Geschädigter gewesen. Opposition und Grüne monierten, dass S. bereits im Frühjahr 2021, als er ihn erhalten hatte, diesen USB-Stick hätte prüfen sollen. Die zuständige Polizei habe ja mitgeteilt, dass politisch brisante Informationen darauf zu finden seien. Durch S.' Zögern sei es wohl zu Verjährungen gekommen, meinte etwa der grüne Abgeordnete David Stögmüller. Mittlerweile ermittelt die WKStA nach einer Anzeige von Peter Pilz, dessen zackzack.at genauso wie DER STANDARD über die BMI-Chats berichtet hat, gegen Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, Renate Graber, 21.4.2022)