Felix Gall ist eines von vielen Talenten im österreichischen Radsport.

Foto: APA/EXPA/JFK

Der Osttiroler war kurz nach der Zielankunft in Kals am Großglockner schon wieder recht locker.

Foto: APA/EXPA/Huter

Das Obi gespritzt hatte er sich verdient. Andere Fahrer wurden nach Rennende dabei gesichtet, wie sie sich eine Packung Gummibärli in den Rachen warfen.

Foto: APA/EXPA/Huter

Österreichische Radsportfans.

Foto: APA/EXPA/Huter

Kals – Den Scharfrichter hat Felix Gall auf dem Weg Richtung Großglockner nicht getroffen. "Das waren 2.400 harte Höhenmeter. Ich warte eigentlich auf einen Einbruch, aber er kommt nicht." Der 24-jährige Osttiroler fuhr auf der vierten Etappe der Tour of the Alps auf Platz fünf. In der Gesamtwertung ist der Ex-Juniorenweltmeister aus dem AG2R-Rennstall vor der Abschlussetappe am Freitag in Lienz Vierter, nur vier Sekunden hinter dem Podium. Kals war aufgehübscht, die Kulisse gewaltig, eine kleine Party gab es im Zielraum und viele müde Fahrergesichter. In der Gesamtwertung führt der Spanier Pello Bilbao von Bahrain Victorious, den Tagessieg auf der 142,4 km langen Etappe von Niederdorf nach Kals am Großglockner holte sich der Kolumbianer Miguel Angel Lopez.

Nicht nur für Felix Gall geht es aufwärts. Rudolf Massak, Generalsekretär des österreichischen Radsportverbandes (ÖRV), sieht den heimischen Radsport "so gut dastehen, wie schon lange nicht mehr". Das hat gute Gründe. Im vergangenen Jahr holte Anna Kiesenhofer Olympiagold, Patrick Konrad gewann eine Etappe bei der Tour de France, Mona Mitterwallner wurde Mountainbike-Weltmeisterin im Marathon, und es gab sechs Medaillen bei den Paralympics in Tokio.

"Das beste Jahr"

Im Nachwuchs mehren sich Talente. ÖRV-Vizepräsident Gerald Pototschnig versteigt sich so weit, dass "2021 das beste Jahr in der Geschichte des heimischen Radsports war". Die Freude war groß, der ÖRV hatte unter zwei Jahren Pandemie arg gelitten. Die Österreich-Rundfahrt wurde ausgesetzt, der Verband musste wirtschaftliche Altlasten abtragen, Radrennen waren quasi denkunmöglich ohne zugewiesene Sitzplätze im öffentlichen Raum. "Bei den Covid-19-Verordnungen waren wir ganz weit hinten in der Nahrungskette", sagt Pototschnig zum STANDARD.

Baustellen gibt es nach wie vor einige. Die 72. Auflage der Österreich-Rundfahrt wird Anfang Juli unter dem neuen Tour-Direktor und einstigen Rapid-Manager Werner Kuhn nach zwei Jahren Pause wiederbelebt, wenn auch in einem stark abgespeckten Rahmen. Dafür gab es in diesem Jahr einen Neustart der Radsportliga, die acht Rennen sowohl für Frauen als auch Männer vorsieht. "Ein ganz wichtiges Signal, Frauenradsport ist im Kommen."

Teurer Spaß

In puncto öffentliche Fördergelder ist man beim Verband nicht glücklich. Von der Bundesport GmbH wird der ÖRV praktisch mit derselben Summe an öffentlichen Fördergeldern bedacht wie in den Vorjahren – trotz des Olympiasieges von Anna Kiesenhofer, trotz sechs Paralympics-Medaillen. Für 2022 erhält der Radsport knapp 1,2 Millionen Euro. "Das gesamte Förderwesen gehört genauer angeschaut", sagt Pototschnig. "Radsport ist teuer. Mit welchen Vorgaben und Auflagen der Behörden schon ein normales Dorfradrennen zu kämpfen hat, das übersehen die zuständigen Stellen in der Politik immer wieder." Beider Tour of the Alps kostet laut Franz Theurl, Obmann des Tourismusverbandes Osttirol, allein die Streckensicherung durch Feuerwehr und Polizei für einen Etappentag mehr als 30.000 Euro.

Sorgen bereitet weiterhin die Infrastruktur. Nach dem Abriss des Dusika-Stadions gibt es in Österreich keine Indoor-Radrennbahn mehr. Wo sollen Österreichs Radsportler künftig trainieren, speziell im Winter? ÖRV-Vize Pototschnig schwebt ein Zweistufenplan vor. In Stufe eins soll ein temporärer Trainingsstandort entstehen, sprich: eine mobile Bahn etwa in einer Traglufthalle. St. Pölten und Graz sind in guten Gesprächen. In Linz entsteht bis zum Sommer eine Outdoor-Radrennbahn. Phase zwei heißt: ein großes Radsportzentrum, "das im Idealfall alle Stückerln spielt", also eine Anlage mit Verbandsbüros und Arztpraxen. Von der Realisierung dieser Idee sind wir noch ein Stück weit entfernt."

Radsport-Boom

Radfahren boomt, nicht erst seit der Pandemie. Ein Viertel des gesamten Jahresumsatzes der heimischen Sportartikel-Industrie wird mit Fahrrädern und Zubehör erzielt. In Österreich gibt es mehr als 400 Radsportvereine, der ÖRV zählt knapp 48.000 Mitglieder. Ein wunder Punkt bleibt Doping. Das jüngste traurige Kapitel schrieb der Tiroler Stefan Denifl, dessen Dopingprozess nach erstinstanzlicher Verurteilung im Vorjahr noch immer nicht abgeschlossen ist. "Jeder, der sich im Radsport engagiert, wacht in der Früh mit Sorge auf, ob wieder etwas passiert ist", sagt Pototschnig.

ÖRV-Generalsekretär Massak bezeichnete den Radsport einmal als Prügelknaben. "Man hat sich patschert verhalten und kannibalisiert. Dass bei der Tour de France Sportler aus dem Mannschaftsbus oder direkt vom Fahrrad herunter verhaftet wurden, das hätte es in keiner anderen Sportart gegeben", sagt Pototschnig. Glaubt man den Gerüchten, sind im Dopingskandal um den Arzt Eufemiano Fuentes nicht nur Radfahrer, sondern auch Fußballer von Rekordmeister Real Madrid und des FC Barcelona involviert gewesen. "In Spanien ist das zur Staatssache erklärt worden und man hat nie wieder etwas gehört davon. Bei uns hat man sich bei jedem Skandal die Hände gerieben."

Eventideen

Geht es nach dem ÖRV, soll der Radsport attraktiver werden, will man die Fahrer wieder näher zu den Menschen bringen. Ex-Profi Gerhard Schönbacher veranstaltete vergangenen September mit dem "City Hill Climb" ein Radrennen auf die Festung Hohensalzburg. Im Juli wird das Altstadtkriterium in Graz nach 15 Jahren ein Comeback feiern. "2003 brachten wir Lance Armstrong für 48 Stunden nach Graz, nach seinem fünften Tour-de-France-Sieg. Da waren 30.000 Zuschauer und es gab eine Liveübertragung im ORF. So etwas müssen wir wieder zusammenbringen." (Florian Vetter aus Kals, 21.4.2022)