Lichtermeer zum Gedenken an 13.000 Corona-Tote am 20. Dezember in Wien: Seither ist die Zahl der offiziellen Fälle um 50 Prozent gewachsen.

Foto: Heribert Corn

Sie waren urplötzlich da: Mit einem Schlag schraubte die Gesundheitsagentur Ages am Mittwoch die Zahl der Corona-Toten um 3.075 nach oben. Wurde die Lage bisher also beschönigt, indem Sterbefälle unterschlagen wurden?

Ganz so ist es nicht. Denn in einer anderen Aufstellung – jener der Statistik Austria – waren die zusätzlichen Todesfälle längst verbucht. Der Abgleich mit ebendiesen Daten führte dazu, dass die Ages nun nachbesserte.

Die große Diskrepanz zwischen den Statistiken ist auf die unterschiedlichen Quellen zurückzuführen. Die Ages bezieht die Daten vom Epidemiologischen Meldesystem (EMS). Ärzte und Spitäler melden Todesfälle an die Bezirksverwaltungsbehörden, diese tragen sie ins EMS ein – so sollte es zumindest sein. In der Praxis aber geschieht das ganz offensichtlich nur lückenhaft. Als Erklärungen bieten sich mangelhafte Schulung, Überforderung durch Personalmangel oder schlicht Schlamperei und Gleichgültigkeit an.

Bürokratische Probleme könnten eine Rolle spielen, heißt es aus dem Gesundheitsministerium, allerdings wolle man auf niemanden mit dem Finger zeigen. Als weiteren Grund nennt ein Sprecher den Umstand, dass die Bewertung der Todesursachen bei Menschen mit vielen Leiden schwierig sei. Mancher Covid-Tote könnte nicht gleich als solcher erkannt worden sein.

Mit und an Covid sterben

Die Statistik Austria hingegen stützt sich auf die in den Totenscheinen genannten Krankheitseinträge. Dem Vorteil der genaueren Covid-Sterbedaten steht ein Nachteil gegenüber: Weil zwei Drittel dieser Belege nach wie vor in Papierform statt elektronisch einträfen, wie die auf Todesursachen spezialisierte Expertin Barbara Leitner erklärt, dauere die Auswertung. Während das EMS tagesaktuelle Daten bietet, kann die Statistik Austria derzeit nur mit vorläufigen Covid-Sterbezahlen bis Ende 2021 aufwarten.

Unterschieden wird dabei, ob Verstorbene Covid als Grundleiden ("an" Covid verstorben) oder als eine den Tod beschleunigende Begleiterkrankung ("mit" Covid verstorben) hatten. Im ersten Corona-Jahr entfielen auf diese beiden Kategorien 6.491 und 1.389 Fälle, im zweiten kamen 7.857 plus 1.192 Fälle dazu. Macht bis Ende 2021 insgesamt 16.929 Menschen, deren Tod mit dem Virus zusammenhing.

Zum Vergleich: Die Ages weist nun, nach der Bereinigung, mit Stichtag 20. April 19.381 Sterbefälle an und mit Covid aus. Die Zahlen dürften also zusammenpassen.

Warum der Datenabgleich erst jetzt stattfand, obwohl es zum Teil um Zahlen aus dem Jahr 2020 geht, die seit vielen Monaten vorliegen? Aus dem Ministerium war kein konkreter Grund zu erfahren: Man habe nun eine umfassendere Bereinigung vorgenommen als im Vorjahr. Zur Verwirrung trägt bei, dass die täglich von Innen- und Gesundheitsministerium vermeldeten Todesfälle noch nicht gänzlich aktualisiert wurden. In der Meldung vom Donnerstag war von 17.057 an einer Sars-CoV-2-Infektion Verstorbenen die Rede.

Aktuell Übersterblichkeit in Österreich

Betrachtet man alle Sterbefälle in Österreich seit Beginn des Jahres, fällt auf, dass nach einer kurzen Phase der leichten Untersterblichkeit nun deutlich mehr Personen als erwartet versterben. In der Kalenderwoche 12 (21. bis 27. März) wurde mit 1.979 Sterbefällen der bisherige Höchstwert des Jahres verzeichnet. Die Sterblichkeit lag um fast 24 Prozent über dem Durchschnitt der Vergleichswoche der fünf Jahre vor Corona.

In den folgenden zwei Wochen, so weit gehen die Daten der Statistik Austria, sanken die Sterbezahlen zwar etwas, waren aber immer noch überdurchschnittlich hoch. Das bedeutet: In allen Vergleichswochen seit dem Jahr 2000 – inklusive der vergangenen beiden Corona-Jahre – wurden geringere Sterbezahlen verzeichnet. (Gerald John, David Krutzler, 21.4.2022)