Bild nicht mehr verfügbar.

Betonieren ist das Lebenselixier der Österreicher.

Foto: Getty Images / kokouu

In letzter Zeit denke ich häufig an Beton. Bei Beton soll es bekanntlich darauf ankommen, was man daraus macht, und in der Spitalgasse, 1090 Wien, hat "man" in den vergangenen Wochen eine schier endlos wirkende Betonmauer "daraus gemacht" und entlang des AKH-Geländes emporgezogen. Das ist eine recht harte Sache, weil die ohnehin Maroden, die im AKH ärztliche Hilfe suchen, jetzt beim Betreten des Areals auch noch einen Augenkrebs riskieren.

Die Betonmauer erinnert an eine Szene aus dem Film Inception, in dem ein Pariser Stadtteil senkrecht nach oben gefaltet wird, mit dem Unterschied, dass die Mauer so aussieht, als habe man die Fahrspur einer Betonstraße aufgeklappt. Wer weiß, vielleicht erfindet irgendein Schlaumeier (Elon Musk?) Autos, mit denen man an Hausmauern und Zäunen entlangfahren kann, dann wäre in der Spitalgasse ein guter Anfang gemacht. Ist ja sonst kaum Platz zum Autofahren in der Stadt!

Eine naturwüchsige Mauer

Wer hat uns dieses Mauerwunder beschert? Auf der Website der Alsergrunder Grünen lese ich, dass sich weder das Bundesdenkmalamt noch die Bezirksvorstehung verantwortlich fühlen, es scheint sich also um eine naturwüchsige Mauer zu handeln, eine Frühlingsbotin, die, wie sonst nur die Primel oder das Schneeglöckchen, von sich aus dem Boden entsteigt.

Betonieren ist das Lebenselixier der Österreicher, ob mit Normalbeton, Biobeton oder veganem Beton, ganz wurscht, Hauptsache, es ist Beton und versiegelt recht schön. Die EU-Goldmedaille in der Disziplin "Bodenverbrauch" lassen wir uns sicher nicht streitig machen.

Daher wird selbstverständlich nicht nur in den Städten auf Teufel komm raus betoniert, sondern auch auf dem Land. Ökologisch ist Beton nicht das Gelbe vom Ei. Und auch ästhetisch machen Betonbauten meist so wenig her, dass sich die Frage erhebt, ob man nicht jene Passage in der Bundeshymne, wo es um das Schöne geht, langsam auf das Schiache umtexten sollte.

Wie auch immer: Die künftigen Generationen haben jedenfalls noch die Wahl, ob sie lieber in Betonquader-City oder Betonquader-Country leben wollen. Am besten wäre überhaupt, das lückenlose Zubetonieren von ganz Österreich als Staatsziel in die Bundesverfassung zu schreiben. Gewiss, Großglockner und Donau sind nur schwer totalbetonierbar. Aber man sollte nichts unversucht lassen. (Christoph Winder, 25.4.2022)