Ein Bild aus besseren Zeiten. Aktuell hat Landeshauptmann Markus Wallner ob der Zustände im Vorarlberger Wirtschaftsbund, einer Teilorganisation der ÖVP, nicht viel zu lachen.

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Die Causa Wirtschaftsbund sorgt in Vorarlberg mittlerweile für angespannte Stimmung – und sie holt den Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ein. Zwar wird Wallner in den Akten, die das Finanzministerium dem U-Ausschuss in der Sache geliefert hat, nicht namentlich genannt. Belastet werden darin vor allem die ehemaligen Geschäftsführer Jürgen Kessler und Walter Natter. In der vom Wirtschaftsbund eingebrachten Selbstanzeige werden aber auch der derzeitige und der ehemalige Finanzreferent, der ehemalige Obmann und der Steuerberater der ÖVP-Teilorganisation genannt. Schlecht dokumentierte Barauszahlungen gingen an den derzeitigen Vorarlberger Wirtschaftslandesrat Marco Tittler und an Karlheinz Rüdisser (beide ÖVP), der bis 2019 in der Landesregierung saß und derzeit als interimistischer Obmann im Wirtschaftsbund aufräumen will bzw. soll.

Nun meldet sich in den Vorarlberger Nachrichten aber ein Vorarlberger Manager mit schweren Vorwürfen an den seit 2011 amtierenden Wallner: "Der Landeshauptmann hat dabei klar deponiert, dass er wünscht, dass man sich für die Vorarlberger Wirtschaft (das Wirtschaftsbund-Magazin, Anm.) engagiert und auch entsprechend Inserate bezahlt." Dabei sei es um Serien gegangen, also um Beträge zwischen 10.000 und 30.000 Euro. "Ich habe von anderen Kollegen anderer Betriebe Ähnliches gehört", berichtet der Mann in einer eidesstattlichen Erklärung.

Betriebsgenehmigungen als Gegenleistung

Er sei gegen die Inserate gewesen, so der Mann. "Ein Eigentümer, für den ich tätig war, hatte sich dann doch in der Größenordnung von rund 20.000 Euro erkenntlich gezeigt. Er war fast ein wenig eingeschüchtert, weil man von anderer Seite deponierte, dass die Gegenleistung nicht nur die Werbeschaltungen sind." Wallner habe gemeint, wenn entsprechende Anliegen im Unternehmen gegeben sind, wo die öffentliche Seite unterstützen kann, werde sich die Politik entsprechend erkenntlich zeigen. Das wäre zum Beispiel bei Betriebsbewilligungen der Fall, sagt der Manager den Vorarlberger Nachrichten.

Direkten Druck von Wallner habe es in seine Richtung nicht gegeben. "Aber man hat so indirekt versucht, uns sanft zu verdeutlichen, dass es ein Entgegenkommen von öffentlicher Seite gibt, wenn es nötig wird."

Anonym wolle der Mann medial bleiben, weil er dem Unternehmen, in dem er aktuell tätig ist, keinen Schaden zufügen wolle. Es wundere ihn auch nicht, dass sich sonst niemand zu Wort melde: "Jeder wusste, was da hintenrum läuft und dass es da in Richtung Parteienfinanzierung geht. De facto wissen alle, dass die Wirtschaftsbund-Zeitung was für den Kübel war und sonst nichts."

Wallner spricht von Lügen

Der Landeshauptmann widerspricht diesen Schilderungen: "Das wird von meiner Seite vehement zurückgewiesen, das ist eine glatte Lüge", sagt Wallner der Vorarlberger Tageszeitung. An einen solchen Termin könne er sich "nicht einmal annähernd" erinnern. "Ich bin kein Inseratenkeiler für den Wirtschaftsbund, ganz im Gegenteil. Ich mache viele Betriebsbesuche, laufend, jede Woche. Ich biete jedem Unternehmen die Zusammenarbeit mit dem Land Vorarlberg an. Ich sage jedem Unternehmer: 'Wenn das Land etwas für dich tun kann, dann bitte: Das ist unsere Adresse, das ist mein Büro.' Wirtschaftspolitisch, um dem Unternehmen zu helfen. Aber ich mache in einem Unternehmen keine Parteipolitik."

Betriebsvergrößerung mit Parteinähe

Dass der Manager ein Entgegenkommen beispielsweise bei Betriebsbewilligungen anspricht, weckt bei so manchem Vorarlberger Erinnerungen: Denn eine Flächenumwidmung für eine Betriebsvergrößerung des Dosenabfüllers Ball und des Fruchtsaftherstellers Rauch in Ludesch war wochenlang Thema Nummer eins im Ländle. Der Plan: 6,5 Hektar, umgerechnet neun Fußballfelder, Grün- und Ackerflächen in einer Landesgrünzone müssten einer Produktionsanlage und einem Lager für Red-Bull-Dosen weichen.

Es formierte sich eine Bürgerinitiative, die eine Volksabstimmung forderte. Zu dieser kam es dann auch. Drei Tage vorher, im November 2019, traten die Geschäftsführer von Rauch, Red Bull und Ball vor die Presse. Fünf Millionen Euro stellten sie, auf zehn Jahre gestaffelt, der Gemeinde für anstehende Projekte in Aussicht – würde die Volksabstimmung zu ihren Gunsten ausfallen. Die Ludescher stimmten trotzdem dagegen. Allerdings erklärte der Verfassungsgerichtshof das Ergebnis der Abstimmung für nichtig. Eine Gemeindevertretung könne nicht gegen ihren Willen durch eine Volksabstimmung an eine bestimmte Entscheidung gebunden werden, begründete das Gericht. Ob die Umwidmung über die Bühne geht, ist noch immer nicht entschieden.

Während die Grünen damals darauf hinwiesen, dass über zwei Firmen der Unternehmerfamilie Rauch insgesamt 225.000 Euro an die Bundes-ÖVP gespendet wurden und es einen Zusammenhang mit der erhofften Betriebsansiedlung geben könnte, ist heute – im Hinblick auf die Aussagen des Managers – auch die Verstrickung von Rauch-Geschäftsführer Jürgen Rauch in den Wirtschaftsbund interessant: Rauch ist dort aktuell Finanzreferent und wird in der Selbstanzeige, die die ÖVP-Teilorganisation gestellt hat, auch genannt. Das gilt auch für Rauchs Vater, der sein Vorgänger als Wirtschaftsbund-Finanzreferent war. Im Wirtschaftsbund-Magazin waren die Unternehmen der Familie Rauch Top-Inserenten. Laut Berechnungen der Vorarlberger Nachrichten inserierten sie in einem Jahr im Wert von 81.000 Euro.

Wallner fordert Wirtschaftsprüfung

Zurück zu Wallner. Dieser distanziert sich – und die Vorarlberger Volkspartei – ganz allgemein von dem, was im Wirtschaftsbund über Jahre vor sich ging. "Es kann nicht sein, dass in einer Teilorganisation Vorwürfe im Raum stehen, die ich persönlich nicht haben will, die mit der Politik, die ich betreiben will, nichts zu tun haben. Das ist nicht mein Stil, und mich stört das." Eine externe Kanzlei solle den Wirtschaftsbund prüfen, schlägt der Vorarlberger ÖVP-Chef vor. Diese Prüfung müsse tiefgreifend sein: "Was ist an den Vorwürfen dran? Wenn jemand zu Unrecht ein Darlehen bekommen hat, dann gehe ich davon aus, dass es zurückbezahlt wird, und zwar in der Minute. Karlheinz Rüdisser und der Wirtschaftsbund-Vorstand werden mit einer solchen Prüfung einverstanden sein. Man kann nicht darauf warten, bis der Rechnungshof mehr Kompetenzen bekommt. Das ist eher pro futura wichtig", spricht er mögliche Gesetzesänderungen an.

Geld hat laut Wallner ein Mascherl

Was die Zahlungen des Wirtschaftsbunds an die ÖVP betrifft, meint Wallner zu wissen, dass diese nicht aus den Inseratenerlösen gekommen seien. Bei den 900.000 Euro handle es sich um ein knappes Drittel der Mitgliedsbeiträge. "Hätte er (der ehemalige Direktor Kessler, Anm.) keinen einzigen Euro durch Inserate eingenommen, wir hätten gleich viel bekommen. Die Behauptung, wir hätten Inserate lukriert, um die Landespartei zu finanzieren, kann ich nicht nachvollziehen", so Wallner. Ihm sei versichert worden, dass mit dem Geld aus Inseraten Rücklagen gebildet worden seien. Ob damit Wahlkampfveranstaltungen für Sebastian Kurz finanziert wurden, habe ihm niemand gesagt.

Wie berichtet gehen die Finanzprüfer, die derzeit noch immer mit einer Betriebsprüfung im Wirtschaftsbund beschäftigt sind, von 1,2 Millionen Euro aus, die an die ÖVP geflossen sein sollen. Zusätzlich müsse man aber pro Jahr noch 40.000 bis 50.000 Euro dazurechnen, die direkt an einzelne Politiker oder Gemeindeorganisationen gegangen seien, heißt es in den Dokumenten der Finanzbeamten. So kommt man auf eine Summe von 1,5 Millionen Euro.

Wie die ÖVP zusätzlich unterstützt wurde

Beispiele für diese direkten Zuwendungen gibt es in den Akten zur Genüge. Da sind einerseits die erwähnten Barauszahlungen ohne Beleg. Da sind aber auch Kostenübernahmen des Wirtschaftsbunds für das Abschiedsessen von Rüdisser als Landesstatthalter (stellvertretender Landeshauptmann) in Höhe von 3.300 Euro. Außerdem wurden rund 4.000 Euro zum EU-Wahlkampf von Christian Zoll gezahlt. Zoll war Spitzenkandidat der JVP im EU-Wahlkampf 2019.

Auch für Unterstützung von ÖVP-Gemeinden gibt es zahlreiche Beispiele: 293 Euro bezahlte der Wirtschaftsbund für ein Informationsfrühstück mit dem Götzner Bürgermeister Christian Loacker. Für eine Veranstaltung der ÖVP Wolfurt mit dem Titel "Europa im Fokus" wurden 1.113,49 Euro überwiesen. Die Verpflegung bei der Veranstaltung kostete zusätzlich 4.273,44 Euro.

Der höchste Betrag in der Liste der Finanzbeamten ist mit 11.037,21 Euro eine Veranstaltung für Sebastian Kurz, die aber abgesagt wurde. Events machen insgesamt den größten Teil aus. Für Unternehmertreffs mit Kurz, Harald Mahrer und Karlheinz Kopf (alle ÖVP) wurden allein für die Technik jeweils über 1.000 Euro in die Hand genommen. Insgesamt kommen so im Jahr 2019 52.008,96 Euro zusammen, die die ÖVP allem Anschein nach nicht als Zahlung des Wirtschaftsbunds an die Partei anerkennt.

Mehr als 350.000 Euro für Gemeinderatswahlen

Einer weiteren Tabelle zufolge, die den Finanzbeamten vorliegt, gab es aber nicht nur Kostenübernahmen bei Veranstaltungen, sondern auch direkte Unterstützung für ÖVP-Gemeinden. Demnach gingen 2015 154.000 Euro an Gemeinden und Städte, 2020 waren es noch mehr, nämlich 173.500 Euro. In den Jahren dazwischen waren es 2016 für zwei Gemeinden 9.000 Euro und 2019 21.000 Euro für zwei Städte. Handeln dürfte es sich dabei um die Kostenbeteiligung des Wirtschaftsbunds für Mitglieder des Vereins, die bei der jeweiligen Gemeinderatswahl antraten. In Summe macht das nochmals 357.500 Euro aus. Damit ist auch die Diskrepanz zwischen den 900.000 Euro, von denen die ÖVP spricht, und den 1,2 Millionen an Direktzahlungen, von denen die Finanz spricht, erklärt.

Filzmaier sieht "politisches Sittengemälde"

"Es ist ein politisches Sittengemälde, dass die größte Partei nicht einmal weiß oder nicht wissen will, ob und wo 600.000 Euro mehr oder weniger ausgegeben werden", sagt der Politikwissenschafter Peter Filzmaier dazu. Natürlich treffe dieser Vorwurf auch den Landeshauptmann als Landesparteichef.

Filzmaier sieht aber auch demokratiepolitisch ein großes Problem. "Wir haben in Österreich eine der höchsten Parteienförderungen weltweit überhaupt. Da kann man argumentieren, dass man damit verhindern will, dass andere Geldtransfers auf vielleicht fragwürdigen Kanälen erfolgen. Und genau das scheint aber zusätzlich passiert zu sein, egal ob es nun strafrechtlich relevant ist oder nicht. Es hat hier also zusätzlich zur eh schon hohen Parteienförderung eine wenig transparente Parteienförderung stattgefunden."

Bundeswirtschaftsbund will noch keine Bewertung abgeben

Auf die Vorgänge im Vorarlberger Wirtschaftsbund angesprochen, sagt der Pressesprecher des Österreichischen Wirtschaftsbunds dem STANDARD: "Der interimistische Obmann Karlheinz Rüdisser hat veranlasst, in Vorarlberg alle aufgetretenen Fragen mit voller Transparenz zu klären." Gleichzeitig erwarte man sich natürlich, dass der Wirtschaftsbund Österreich durch Rüdisser nach Abschluss der Steuerprüfung durch das Finanzamt und Vorlage des Endberichts informiert werde, "um eine Bewertung vornehmen zu können".

Neos und SPÖ fordern Rücktritt

Nachdem mit Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger am Donnerstagabend schon die erste Rücktrittsforderung aus Wien kam, legten die Vorarlberger Neos am Freitag nach. Sie fordern nicht nur, dass Wallner seinen Hut nimmt, sondern auch den Rücktritt von Wirtschaftslandesrat Tittler. "So kann es nicht mehr weitergehen. Politische Verantwortungsträger der ÖVP vermitteln hier ein Selbstverständnis nach dem Motto 'Der Staat bin ich'. Von einem Landeshauptmann und einem Landesrat darf die Grenze des Machbaren nicht nur das Strafrecht sein", sagt Klubobfrau Sabine Scheffknecht. Wenn die Vorwürfe, die der Manager Wallner macht, stimmen, dann sei das ganz klar Korruption.

Die Rücktritte des Direktors und des Obmanns im Wirtschaftsbund seien lediglich Manöver gewesen, um vom moralisch kranken Organismus abzulenken. "Es wird immer klarer, wie das System ÖVP funktioniert. Wir dürfen uns nicht täuschen und einreden lassen, dass es sich hier nur um bedauerliche Einzelfälle handeln würde", so Scheffknecht.

Auch die SPÖ, namentlich die Abgeordnete Manuela Auer, fordert den Landeshauptmann auf zurückzutreten. Daran führe kein Weg mehr vorbei. "Die Machenschaften der ÖVP im Bund und in Vorarlberg beschädigen das Vertrauen in die Demokratie massiv", sagt Auer. Es gelte nun, weiteren Schaden vom Landtag abzuwenden. Und auch von der FPÖ kam eine deutliche Rücktrittsforderung an Wallner.

Tittler sieht "Hexenjagd"

Wirtschaftslandesrat Tittler sieht einstweilen eine "aus einer Steuerprüfung resultierende Hexenjagd" und hält von Rücktrittsaufforderungen an "einen integren Landeshauptmann" gar nichts. Immerhin habe Wallner in den letzten Jahren viel für das Land erreicht. Auch ÖVP-Bürgermeister stellten sich hinter Wallner bzw. sprachen zumindest nicht von einem notwendigen Rücktritt. (Lara Hagen, 22.4.2022)