Wer ein Elektroauto kauft, "gibt" der Umwelt etwas zurück: Es sind Aussagen wie diese, die für viele unter Greenwashing fallen und in Werbungen verboten werden sollten.

Illustration: Oana Rotariu

Ein muskulöser Stier springt mit seinen Hinterbeinen in die Luft, eine Gewichtheberin stemmt eine Hantelstange in die Höhe, Regen fällt auf eine kleine Pflanze auf dem Feld. "Energie ist überall", sagt eine Frauenstimme, die von gefühlvoller Klaviermusik unterlegt ist. "Wenn eine Pflanze zu Treibstoff gemacht wird, kann damit ein Flugzeug betrieben werden." Bald werde man pflanzliche Öle zu erneuerbarem Sprit für Autos oder Flugzeuge machen, sagt die Stimme weiter – auf dem Weg in eine "bessere" und "nachhaltigere" Zukunft.

Ölfelder sind in dem kurzen Werbevideo nicht zu sehen, stattdessen viel Natur und Idylle. Für einen kurzen Moment könnte man vergessen, dass es sich bei dem beworbenen Unternehmen um Chevron, einen der größten Ölkonzerne der Welt, handelt.

Der Ölgigant ist längst nicht der Einzige, der sich in der Werbung grüner gibt, als er ist. Kritiker werfen der Öl-, Auto- und anderen Industrien seit Jahren vor, sogenanntes Greenwashing zu betreiben: Man manipuliere und führe die Menschen bewusst in die Irre und verschleiere Fakten. Doch das soll sich bald ändern: Viele Länder, darunter etwa Frankreich, gehen nun mit neuen Regeln gegen Greenwashing vor, einige Klimaschützer sprechen sich sogar für einen gänzlichen Werbestopp für fossile Energien und Dieselautos aus. Wie effektiv ist das?

"Erneuerbar" und "sauber"

Tatsache ist, dass Unternehmen wie Chevron bisher kaum Kosten gescheut haben, um ihre Nachhaltigkeitsbotschaften in der Öffentlichkeit anzubringen. Laut einer Studie der Analysefirma Adimpact hat Chevron allein in den USA zwischen Anfang 2020 und Mitte 2021 fast 30.000 Fernsehwerbespots ausgestrahlt. In mehr als 80 Prozent der Spots verwendet das Unternehmen laut der Studie Begriffe wie "nachhaltig", "erneuerbar", "Umwelt" und "sauber".

Es ist nicht leicht erkennbar, dass es sich bei Werbungen wie diesen um einen Ölgiganten wie Chevron handelt.
Chevron

Geht es nach Chevron, sind diese Begriffe gerechtfertigt. Denn man habe bereits jetzt mehr als eine Milliarde Dollar in die CO2-Abscheidung und -Speicherung und in Start-ups investiert, die CO2 als neue Energiequelle nutzen, um gegen den Klimawandel vorzugehen.

Was das Unternehmen laut Kritikern nicht dazusagt: Die eine Milliarde Dollar ist nur ein Bruchteil des mehr als 240 Milliarden Dollar schweren Vermögens des Unternehmens, das sich zu einem Großteil aus Öl und Gas speist. Zudem war das Unternehmen laut Analysen seit den 1960er-Jahren für circa 43 Milliarden Tonnen CO2 verantwortlich. Zum Vergleich: Österreich verursacht aktuell pro Jahr rund 80 Millionen Tonnen CO2.

Greenwashing als Grauzone

"Greenwashing ist eine Grauzone: Man vermittelt eine positive Botschaft, die keine Unwahrheit, aber irreführend ist und mit der man juristisch davonkommt", sagt Peter Seele, Ökonom an der Universität der italienischen Schweiz, im STANDARD-Gespräch. Dass grundsätzlich beschönigt wird, sei menschlich. Greenwashing sei es aber dann, wenn die Botschaften auf Kritik und Empörung in der Zivilbevölkerung, etwa bei NGOs oder Konsumenten, stoßen. "Wo kein Kläger, da kein Richter", sagt Seele.

Diese Kritik scheint in immer mehr Ländern zuzunehmen. Im vergangenen Jahr etwa brachte eine Gruppe von Umweltorganisationen gegen Chevron eine Beschwerde bei der US-Handelskommission wegen "gesetzwidrig täuschender Werbung" ein. In Großbritannien wiederum reichte die nationale Werbeaufsicht eine Beschwerde gegen einen Werbespot des norwegischen Energiekonzerns Equinor ein, in dem behauptet wurde, Gas sei eine "CO2-arme" Energiequelle. Und vor zwei Jahren musste der staatlich unterstützte italienische Energiekonzern Eni fünf Millionen Euro Strafe zahlen, weil er in Werbungen behauptet hatte, dass der eigens produzierte Diesel "grün" sei und der Umwelt helfe.

Werbung entfernen

Doch es ist nicht nur die Öl- und Gasindustrie, die in der Kritik steht. In Großbritannien sperrten Behörden vor zwei Jahren etwa einen Werbespot von Ryanair, in dem die Fluglinie vorgab, die niedrigsten Emissionen aller Fluglinien zu verursachen. Und auch der Autobauer BMW musste vor einigen Jahren einen Werbespot von Facebook entfernen, in dem er angedeutet hatte, dass Konsumenten der Umwelt etwas "zurückgeben" würden, wenn sie sich dazu entscheiden, ein Elektroauto zu kaufen.

Nicht zuletzt geraten Werbeagenturen, die die grüngewaschenen Werbungen für die Unternehmen produzieren, immer mehr unter Druck. 2019 etwa protestierten Aktivistinnen von Extinction Rebellion mit Bannern mit der Aufschrift "Sagt die Wahrheit" vor einer Konferenz der Werbeindustrie in Cannes. Und einige Initiativen wie etwa Fossil Free Media fordern Werbeagenturen dazu auf, aus dem Geschäft mit fossilen Energien ganz auszusteigen. Einige Werbeagenturen haben sich inzwischen bereits freiwillig zusammengeschlossen, um klimaschädliche Produkte nicht länger zu bewerben.

Konsumenten aufklären

Das Thema Greenwashing ist seit einiger Zeit auch auf Regierungsebene angekommen. So könnten vage Aussagen wie "grün" oder "ökologisch" in der EU bald automatisch wettbewerbswidrig sein. Unternehmen sollen dadurch noch stärker vor Greenwashing zurückschrecken. Die Ironie: Viele werfen der EU mit ihren Taxonomieplänen selbst Greenwashing vor.

Vor allem Frankreich will Werbung künftig stärker regulieren. In dem Land müssen Autobauer seit März in ihren Werbespots darauf hinweisen, dass es besser für die Umwelt ist, zu Fuß zu gehen oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln statt mit dem Auto zu fahren. Demnach müssen die Werbungen im Fernsehen, auf Websites, in Zeitungen oder im Radio zumindest eine von drei Aussagen enthalten, darunter "Für kurze Strecken geh lieber zu Fuß oder fahr mit dem Fahrrad", "Denk über Carpooling nach" und "Fahr täglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln". Die Regulierung soll dabei helfen, die CO2-Emissionen im Verkehr zu senken. Ab nächstem Jahr soll es zudem verboten sein, ein Produkt als "CO2-neutral" zu bewerben, solang diese Aussage nicht nachgewiesen werden kann.

Parallelen mit Tabakindustrie

Klimaschützerinnen erinnern viele dieser Maßnahmen an jene, die Regierungen bereits im Kampf gegen die Tabakindustrie eingesetzt haben. Zigaretten wurden nicht nur mit Warnhinweisen versehen, sondern auch Werbungen dafür in immer mehr Ländern verboten. Das führte – gepaart mit höheren Steuern auf Zigaretten, Rauchverboten und Aufklärungskampagnen – laut einer Studie dazu, dass der Zigarettenkonsum in vielen Ländern in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen ist.

Ein ähnliches Werbeverbot wünschen sich viele Aktivistinnen und Aktivisten nun auch bei fossilen Energien, der Auto- oder auch der Fleischindustrie. Denn diese würden durch das Vorantreiben des Klimawandels das Leben von Millionen Menschen gefährden.

Verantwortung jedes Einzelnen

"Verpflichtende Hinweise in bestimmten Werbungen wie in Frankreich können ein guter Ansatz sein, Konsumenten besser aufzuklären", sagt Seele. Auch ein gänzliches Verbot bestimmter Werbungen, etwa für Öl oder Gas, könne sinnvoll sein: "Wenn keine Werbung erlaubt ist, kann auch kein Greenwashing passieren", sagt Seele.

Allerdings sei es am Ende auch die Verantwortung jedes Einzelnen, wie viel Beschönigung man toleriere. Das betreffe nicht nur Unternehmen, sondern auch die Politik, in der Greenwashing seit einigen Jahren immer mehr genutzt werde. "Die politische Kommunikation hat einen professionellen Standard erreicht, wo Glaubwürdigkeit instrumentell verwässert wird", sagt Seele. "Es ist unsere Freiheit und Entscheidung, Politikerinnen und Politiker dafür abzuwählen." (Jakob Pallinger, 23.4.2022)