Die Künstler Ralf Stauss und Edward Richardson zogen aus Los Angeles in ein Bauernhaus in Kollerschlag im Mühlviertel. Hier mussten sie sich erst an die ohrenbetäubende Stille im Wald gewöhnen.

"Eddie und ich haben zuerst in Paris, dann zehn Jahre lang in Los Angeles gelebt. Irgendwann hatten wir genug. Wir wollten ins Nichts und in die Natur. Unsere Anforderungen: Alleinlage und eine eigene Quelle. Wir haben einige passende Häuser angeschaut, hauptsächlich in Deutschland. Aber hier wusste ich es sofort.

Im Mühlviertel haben
Ralf Stauss (stehend) und Edward Richardson ihr Traumhaus gefunden.
Foto: Dietmar Tollerian

Wir sind vor 15 Jahren extra aus Los Angeles hergeflogen, es war Jänner und tiefster Winter. Die Umstellung war also enorm. Der Hof Langackerhäusl – Baujahr: 1885 – wurde bis in die 1970er-Jahre bewirtschaftet. Die Bauern mussten die Milch jeden Tag hoch an die Straße ziehen. Irgendwann haben die wohl gesagt: Jetzt reicht’s. Später wurde das Haus als Ferienhaus genutzt. Ich hab mich total verliebt, schon auf dem Waldweg herunter, bevor ich das Haus überhaupt gesehen hatte. Eddie musste ich ein bisschen überzeugen. Aber wir haben gesagt: Wir können ja immer verkaufen und woanders hingehen. Das haben wir letztendlich aber nie in Betracht gezogen.

Wir haben das alte Bauernhaus mit 200 Quadratmeter Wohnfläche und 5000 Quadratmeter Grund gekauft, sind wieder zurück nach Los Angeles und haben bis zum Umzug noch einmal zwei Jahre dort gearbeitet. Dann haben wir einen Yard-Sale veranstaltet und viele Habseligkeiten und Eddies Auto verkauft. Den Rest haben wir in etwa 30 Kisten verpackt und in einem Container nach Europa verschifft. Nach vier oder fünf Wochen sind die Kisten angekommen. Der Lkw hat sie über einen Kilometer Waldweg tatsächlich bis vor unsere Haustür gebracht.

Das alte Bauernhaus verfügt über 200 Quadratmeter Wohnfläche und 5000 Quadratmeter Grund.
Foto: Dietmar Tollerian

Die meisten anderen Lieferungen für unsere Produktion müssen wir uns aber etwa einen Kilometer von hier oben bei unserem Postkasten an der Straße abholen. Es fährt hier niemand runter. Selten, wenn es neue Lieferleute sind, machen sie das einmal – und kommen dann nicht mehr rauf. Manchmal mussten sie dann schon über die Wiese hin unter davonfahren. Wir haben zwar einen Allrad, aber im Winter ist es trotzdem nicht ganz leicht. Wenn viel Schnee liegt, bleiben wir zu Hause. Einmal hat es einige Bäume durch die Schneelast umgeknickt, da konnten wir eine Woche nicht raus. Vorräte hatten wir genug. Daher ist es gut, dass wir von zu Hause aus arbeiten. Anders wäre es schwierig.

Die größte Umstellung war die Stille. Im Winter hört man sein Herz klopfen. Aber jetzt fangen die Bauern in der Umgebung wieder an zu arbeiten, also ist es nicht mehr so ruhig. An einen haben wir auch unsere Wiese verpachtet. Der Gemüsegarten ist genug Arbeit.

Ralf Stauss und Edward Richardson mögen selbstgemachte Möbel und Stücke mit Geschichte.
Foto: Dietmar Tollerian

Corona haben wir in den letzten zwei Jahren nicht so sehr mitbekommen. Unsere Kunden haben halt weniger bestellt. Sonst hat sich hier aber nichts geändert. Wir machen ohnehin seit 2009 Social Distancing, und es ist ganz okay.

Wir haben hier nach und nach einiges verändert. In die frühere Milchküche haben wir die Küche eingebaut. Wir haben die Böden neu gemacht. Den Holzofen haben unsere Vorbesitzer schon eingebaut. Einige Fenster – etwa im Vorratsraum – waren zugemauert, die haben wir wieder geöffnet. Im ehemaligen Kuhstall bastelt Eddie heute Schmuck oder Skulpturen aus Papier. Ich arbeite im oberen Stockwerk. Eddie will Musik beim Arbeiten, ich brauche Ruhe. Da ist räumliche Trennung gut.

Das Waschbecken aus dem 1970er-Badezimmer stammt zum Beispiel aus Edwards Elternhaus in Kalifornien.
Fotos: Dietmar Tollerian

Viele unserer Möbel sind selbstgemacht oder haben eine Geschichte. Die Tischbeine unseres Esstisches stammen zum Beispiel aus Amerika, die Platte von einer Abrissscheune von einem Nachbarn. Das Waschbecken in unserem 1970er-Jahre-Badezimmer mit braunen Fliesen stammt aus dem Elternhaus von Eddie. Die Essstühle kommen aus einer Schule in Graz. Und ein bisschen Kitsch darf auch immer sein. Bei der Einrichtung sind wir uns nicht immer ganz einig, aber wir suchen dann einen gemeinsamen Weg.

Bei uns verändert sich auch immer wieder etwas. Meistens bauen und modernisieren wir im Sommer, da ist es ziemlich ruhig hier. Eine Idee war mal, unter dem Dach der angrenzenden Scheune eine Decke einzuziehen und einen riesigen Raum unterm Dach zu schaffen. Ich weiß nicht, ob das irgendwann noch mal passiert.

Wir sind hier wirklich angekommen. Klar, man träumt immer wieder mal von einem einsamen Platz irgendwo anders, von dem man das Wasser sieht. Aber wir würden nirgendwo anders mehr wohnen wollen." (25.4.2022)