Richterin Marion Hohenecker darf sich mit einem mysteriösen Joint und einem Showdown zwischen zwei Männern mit Messer und Wagenheber beschäftigen.

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Wien – Man kann Herrn M., dem 34-jährigen Angeklagten, definitiv nicht vorwerfen, dass er vor Richterin Marion Hohenecker um den heißen Brei herumredet. Das zeigt sich bereits bei der Frage nach seinen Vorstrafen. "Ja, es gab mal was in Deutschland. War bei einem Fußballmatch. Mitgefangen, mitgehangen. Es waren 20 Idioten, ich war selbst einer davon", gesteht er eine Vorverurteilung wegen Körperverletzung ein. Auch eine Vorstrafe wegen Unterschlagung hat der zweifache Vater, der sich nun wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung verantworten muss.

Der Angestellte soll laut Staatsanwalt Yannick Shetty am 30. Jänner seine Ex-Freundin, Frau Z., mit dem Tod bedroht, sie in den Schwitzkasten genommen und ihr drei Faustschläge gegen den Kopf verpasst haben und einen Bekannten, der ihr zur Hilfe eilen wollte, mit einem Messer bedroht haben. M. gibt nur eine Ohrfeige gegen die 31-Jährige, mit der er ein Kind hat, zu. Und die habe einen Grund gehabt, erklärt er.

Zigaretten auf dem Küchenkastl

"Ich wollte mich an diesem Sonntag eigentlich mit einem Freund treffen, um was trinken zu gehen", beginnt der Angeklagte seine Darstellung. Davor wollte er aber noch ein Küchenregal reparieren – auf dem oben eine Zigarettenpackung lag. "Sie hat gesagt, dass es ihre sind und ich die Finger davon lassen soll", behauptet der Angeklagte. Er sah in die Packung und fand andere Rauchware als erwartet – einen halb konsumierten Joint nämlich.

"Ich habe mir gedacht 'Was ist hier los?' und habe ihr Vorwürfe gemacht, dass sie nicht vor unserem Kind Joints rauchen kann!", gibt M. zu. Z. habe ihm die Packung aus der Hand reißen wollen, da habe er ihr die Ohrfeige verpasst, die eine sichtbare Rötung zurückgelassen habe, erzählt der bullige Angeklagte. Kurze Zeit später habe es an der Tür geläutet, ein von Z. alarmierter Bekannter, der mittlerweile ihr Partner ist, stand davor. M. wollte ihn nicht hineinlassen, daraufhin habe der Besucher versucht, über das Erdgeschoßfenster in die Wohnung zu kommen.

"Er hat mich geschimpft, ich hab ihn geschimpft", sagt der Angeklagte. "Es gab ein Wortgefecht", bei dem allerdings eingestandenermaßen Ausdrücke wie "Ich bring dich um!" und "Ich reiß dir die Augen heraus" fielen, die aber als milieubedingte Unmutsäußerungen zu werten seien, argumentiert M. Als der Kontrahent einen Wagenheber holte und versuchte, durch das Fenster zu kommen, habe er ein Küchenmesser genommen, um das zu verhindern. Stichbewegungen in dessen Richtung habe er aber nie gemacht.

Alle Beteiligten alarmierten Polizei

"Z. hat dann die Wohnung verlassen, und ich habe gehört, dass sie die Polizei ruft und behauptet, ich hätte mich mit unserem Kind verschanzt. Dann habe ich selbst angerufen und auch gleich zugegeben, dass ich die einstweilige Verfügung gegen mich verletzt habe", gesteht er auch vor Hohenecker. "Also: Keine Faustschläge, kein Schwitzkasten, eine Watsche mit Rötung?", fasst die seine Verantwortung zusammen. M. stimmt ihr zu.

Die 31-jährige Z. erzählt als Zeugin eine vollkommen andere Geschichte ab dem Zeitpunkt, an dem M. das Packerl oben auf dem Regal fand. "Ich habe ihm gesagt, er soll mir das Packerl zuwerfen, da ich keine Zigaretten mehr hatte", behauptet sie. Dann habe ein Streit begonnen. "Warum streitet man wegen eines Zigarettenpackerls?", ist die Richterin verwirrt. Diese Frage beantwortet Z. nicht, dafür erzählt sie, M. habe plötzlich einen Joint aus seiner Hose gezogen und sie aufgefordert, schriftlich der gemeinsamen Obsorge zuzustimmen, sonst würde er sie wegen Drogenbesitzes anzeigen.

Sie habe sich geweigert, dann habe es die Ohrfeige gegeben. Sie konnte dann ihren Bekannten anrufen. Kurz darauf habe M. sie im Schlafzimmer in den Schwitzkasten genommen und ins Bad gezerrt, wo er ihr mehrmals gegen den Kopf geschlagen habe. Dann erschien der Bekannte, der Angeklagte habe extra sein Klappmesser geholt, um ihn zu bedrohen, widerspricht sie der Darstellung des Ex-Lebensgefährten. Erst danach habe sich der Bekannte mit dem Wagenheber ausgerüstet und gesagt: "Du hast das Messer, ich den Wagenheber. Komm raus, gucken wir, wer der Stärkere ist." Da habe sie die Wohnung verlassen und die Polizei verständigt.

Zeugin berichtet von negativem Drogentest

Auch auf Nachfrage bleibt sie dabei, dass M. ihr den Joint unterjubeln wollte. "Ich musste vom Jugendamt aus einen Drogentest machen. Der war negativ", streitet sie jeden Gebrauch illegaler Substanzen ab. M. dagegen sagt, auf dem Filter sei ihr Lippenstift gewesen, das müsse die Polizei gesehen haben. Z. erzählt auch, durch den Angriff habe sie zwei Tage an Rötungen gelitten, sie sei deshalb auch bei ihrer Ärztin gewesen. Die Zeugin stimmt zu, dass Hohenecker die Krankenakte bei der Medizinerin anfordern kann.

Der Mann mit dem Wagenheber, Z.s neuer Partner, sagt ebenfalls aus. "Ich habe von ihr einen Anruf bekommen, dass der Herr gewalttätig ist", erinnert er sich. Z. habe ihm auch Bilder ihres geröteten Gesichts geschickt. Er sei rund 15 Minuten später bei der Wohnung gewesen, M. habe ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen, daher habe er ans Fenster geklopft.

"Er hat dann das Fenster aufgemacht und mich angespuckt", schildert der Zeuge. "Er kommt zum Fenster und spuckt Sie an, was machen Sie dann?", interessiert die Richterin. "Bled schauen", lautet die entwaffnende Antwort. Erst als M. drohte, herauszukommen, habe er sich auch bewaffnet und zum Showdown aufgefordert. Danach habe auch er die Exekutive verständigt.

Gewaltgegner mit Wagenheber

"Warum ist die Situation so eskaliert?", will Hohenecker von dem 35-Jährigen wissen. "Weil ich denke, dass es keine Gewalt geben sollte", meint der Zeuge. "Und dann holen Sie einen Wagenheber?" – "Das war im Affekt", entschuldigt er sich. Der ohne Verteidiger erschienene Angeklagte hat an den Zeugen keine Frage, aber einen guten Rat: "Ich habe mit ihr vier Jahre zusammengelebt. Heute ist Karfreitag bei uns – lass dich nicht von ihr verarschen", gibt der orthodoxe Christ seinem Nachfolger mit auf den Weg.

Tatsächlich hat der Zeuge kein sonderlich großes Interesse an einer Strafverfolgung. "Er soll sein Leben weiterleben, Schwamm drauf, Gott sei Dank ist ja nichts passiert", meint er, worauf die Richterin ihm sinngemäß erklärt, dass im Justizsystem Schwämme keine große Rolle spielen, sondern versucht werden muss, herauszufinden, was genau passiert sei.

Um diese Aufgabe zu bewältigen, vertagt Hohenecker auf unbestimmte Zeit. Sie will sich die Krankenakte von Frau Z. besorgen, um die Schwere der Verletzungen feststellen zu können. Bevor er den Saal verlässt, sucht der Angeklagte noch ein Foto auf seinem Handy. "Ich habe einen Tag später einen Arbeitskollegen gebeten, dass er meine Sachen von ihr holt. Die waren alle voll Urin und Gleitgel, ich musste mir alles neu kaufen", behauptet er, zeigt die Bilder vor und kündigt an, beim nächsten Termin mit einem Verteidiger zu kommen, um weitere Beweise vorzulegen. (Michael Möseneder, 24.4.2022)