Wallungen haben in den Wechseljahren viele. Aber auch Schlafstörungen, Herzstolpern oder Gelenkschmerzen sind Symptome. Hormonersatztherapie hilft – und ist heute auch medizinisch unbedenklich.

Foto: Getty Images/iStockphoto/vladans

Als Veronika Pelikan 49 Jahre alt war, starb ihre Mutter. "Da legte sich ein grauer Schleier über mein Leben. Ich habe das nicht infrage gestellt, schließlich war ich in Trauer." Dass sie etwa zur selben Zeit ihre letzte Monatsblutung hatte, brachte sie nicht mit dem grauen Schleier in Zusammenhang. Auch wiederkehrendes Herzrasen und Gelenkschmerzen ließen sie nicht an den Wechsel als Auslöser denken. Doch zwei Jahre später war der Schleier immer noch da, begleitet von Schlafstörungen, Rückenschmerzen und definitiv keiner Lust auf Sex. "Ich dachte mir, so ist das also, wenn man älter wird, jetzt ist Schluss mit lustig", erzählt sie.

Schließlich ging sie zu einem Hormonspezialisten, und da wurde schnell klar: "Die Hormonveränderung im Klimakterium war für meine Beschwerden verantwortlich." Pelikan begann eine Hormonersatztherapie mit sogenannten bioidenten Hormonen. Heute, mit 60 Jahren, hat sie definitiv das Gefühl, wieder sie selbst zu sein und noch viel Leben vor sich zu haben.

So wie Pelikan geht es vielen Frauen. Im Schnitt ab etwa Mitte 40 können durch die hormonelle Umstellung bedingte Beschwerden auftreten, spätestens mit 60 sind sie bei den allermeisten vorbei. In dieser Phase hat etwa ein Drittel der Frauen keine Probleme. Ein weiteres Drittel hat milde Beschwerden wie Hitzewallungen. "Und ein Drittel der Frauen hat wirklich heftige Beschwerden, von Herzstolpern über Schlafstörungen und Gelenkschmerzen bis hin zu Harnwegsinfekten und Problemen in der Sexualität. Das kann in weiterer Folge auch zu Depressionen führen", weiß die Gynäkologin Bibiana Kalmar.

Bioidente Hormone

Dabei kann man diese Beschwerden gut behandeln, man muss sie nur mit der richtigen Ursache in Zusammenhang bringen. Dagegen hilft eine Hormonersatztherapie. Die ist vor Jahren stark in Verruf geraten, weil eine große US-Studie zeigte, dass sich dadurch das Brustkrebsrisiko deutlich erhöht. Doch Kalmar betont: "Damals hat man nach heutigen Kriterien sehr hohe Dosierungen verabreicht, diese kontinuierlich und über einen zu langen Zeitraum." Genau diese langfristige, kontinuierliche Gabe von Progesteron, das die Blutung verhindern soll – ein Zustand, wie er natürlicherweise nur in einer Schwangerschaft vorkommt –, hat das Brustkrebsrisiko relevant ansteigen lassen.

Mittlerweile hat man die Hormongabe stark verändert: "Die Dosis ist insgesamt viel geringer, man gibt Progesteron nur sequenziell, manchmal kann man sogar nur Östrogen verabreichen." Dadurch sinkt das Brustkrebsrisiko deutlich. Und man verwendet heute bioidente Hormone. Diese sind biochemisch genau die gleichen wie jene, die zuvor die Eierstöcke produziert haben – im Gegensatz zu früher meist eingesetzten equinen Hormonen, die aus dem Harn trächtiger Stuten gewonnen wurden.

Statistisch gesehen hat die Hormonersatztherapie sogar einen gesundheitlichen Vorteil: "Das Risiko für Alzheimer, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Dickdarmkrebs sinkt dadurch – wenn die Therapie maximal fünf Jahre dauert. Danach dreht sich das wieder." Die allermeisten von Kalmars Patientinnen beenden die Therapie aber ohnehin nach rund zwei Jahren. "Wir kontrollieren das natürlich, aber die meisten spüren selbst, dass sie die Therapie nicht mehr brauchen." Nur ganz wenige Frauen benötigen sie länger, "denen ist auch das gesundheitliche Risiko klar. Aber sie sagen selbst, dass sie dafür ein deutliches Mehr an Lebensqualität gewinnen."

Gesellschaftliches Tabu

Bleibt noch eine Sache beim Wechsel zu verändern: Er ist immer noch ein gesellschaftliches Tabu. Viele Frauen berichten, dass sie im Grunde vollkommen unvorbereitet in dieser Lebensphase landen. Das komme auch daher, dass es mit Altsein assoziiert werde, betont Kalmar. "Mit dem Wechsel geht eine Entwertung einher, danach ist man eine alte Frau, das will niemand. Damit ist auch die Angst verbunden, gesellschaftlichen Wert zu verlieren." In Wirklichkeit trete man aber in den Herbst des Lebens ein, "und der ist ebenso schön wie die Jahreszeit", ist Kalmar überzeugt.

Auch Veronika Pelikan sieht das so. Und damit es anderen nicht so ergeht wie ihr, will sie dieses Tabu aufbrechen. Dafür hat sie die Onlineplattform wechselweise.net gegründet. Dort gibt es, neben medizinischen Infos, Wissenswertes zu Lifestyle, Ernährung, Sport oder den Wechseljahren beim Mann, vor allem Erfahrungsberichte von Frauen, wie sie die Menopause erlebt haben. Denn, betont Pelikan: "Viele haben das Gefühl, sie sind die Einzigen, denen das passiert. Das stimmt aber nicht. Und nur, wenn man darüber redet, kann sich das ändern!" (Pia Kruckenhauser, 25.4.2022)