Mexikanische Küche ohne Chilis? "Undenkbar! Guajillo, Chili negro, Poblano: Wir verwenden so viele Chilisorten", sagt Monika Sims, während sie am Grill steht, um Tortillas für das Abendgeschäft vorzubereiten. Monika Sims, die als Filmausstatterin in Hollywood Karriere machte, sich dort in mexikanisches Essen verliebte und vor ein paar Jahren im Wiener fünften Bezirk ihre Taqueria Maíz eröffnete, sagt aber auch: "Ich will wissen, wo mein Essen herkommt."

Also tat sie sich mit dem niederösterreichischen Familienbetrieb Farmento zusammen, bekannt für fermentierte Sojaprodukte und Chilisaucen. "Speziell für mich bauen sie mexikanische Chilis an, die man hier sonst nicht bekommt", sagt Sims. Nun hängen die Chilis, zu Bündeln geschnürt, zum Trocknen in ihrem Laden. Auch den Mais für ihre Tortillas lässt sie von regionalen Landwirten eigens anbauen. Aktuell roten und weißen Mais, nächstes Jahr wollen sie und ihre Partner es mit alten grünen und schwarzen Sorten versuchen.

Monika Sims lässt den Mais und die mexikanischen Chilischoten für die Tortillas in ihrem Restaurant Maíz von regionalen Landwirten anbauen.
Foto: Regine Hendrich

Restaurants, die ihre Produkte nicht nur direkt von regionalen Höfen beziehen, sondern darüber hinaus gemeinsam an kulinarischen Projekten arbeiten – das ist die logische Fortentwicklung des Farm-to-table-Ansatzes, der als Gegenbewegung zur immer industrieller werdenden Landwirtschaft entstand.

Minikarotten fürs Tian

Rund 60 Kilometer westlich von Wien baut Michael Kietreiber seit vier Jahren sein "Grünzeug vom Feld" für Wiener Restaurants an. Weil die Nachfrage so groß ist, hat er seine Anbaufläche dieses Jahr auf 1,3 Hektar mehr als verdoppelt. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Betriebsgröße in Österreich beträgt derzeit knapp 45,1 Hektar, Tendenz steigend.

"Die Minikarotten hier machen wir auf Anfrage vom vegetarischen Sternerestaurant Tian", sagt Kietreiber. "Die werden im Frühstadium geerntet und landen dann meist im Ganzen auf dem Teller." Vorsichtig zieht er ein paar aus der Erde. Manche sind klein und knubbelig, andere filigran und in sich verschlungen, als würden sie tanzen. "Es muss nicht alles groß und klassisch und perfekt geformt sein", sagt der 35-Jährige, der früher als Eventmanager gearbeitet hat. "Ich hatte keine Ahnung von Gemüseanbau." Durch Zufall stieß er auf das Market-Gardening-Konzept – und da das Haus der Schwiegereltern an einen Acker grenzte, dachte er sich: "Ich probiere das einfach einmal."

Michael Kietreiber pflanzt auf kleiner Fläche Minikarotten, Kurkuma, Chili und Ingwer – und beliefert damit die Wiener Top-Gastronomie wie das Jola oder das Belly of the Beast
Foto: Verena Mayer

Market-Gardening ist eigentlich eine uralte Idee: ressourcenschonender Gemüseanbau auf kleiner Fläche. Durch enge Bepflanzung, Gründüngung, spezifische Fruchtfolgen und intensive Bodenpflege wird der Ertrag maximiert und die Biodiversität erhalten.

Es dauerte nicht lange, da rief ihn das schicke Wiener Restaurant Tian an. Mittlerweile beliefert er fünf weitere Restaurants in Wien. Minikarotten, winterfesten Sprouting Brokkoli, alte Sorten und Exotisches. Ins Restaurant Wildling liefert er Kurkuma und Ingwer: "Die waren total begeistert, weil das fast keiner hat." Letztes Jahre bot er erstmals die japanische Chilisorte Shishito an: "Da sind die Restaurants total darauf abgefahren." Fast alle Köche waren schon selbst auf seinem Acker zu Besuch. Dieser direkte Austausch bedeutet ihm viel: "100 Kilo Salat an einen Supermarkt zu liefern, das hätte für mich null Reiz."

Sorten, die nicht mal Google kennt

Ob es ein Risiko sei, bestimmte Sachen extra für ein Restaurant anzubauen? "Die sagen eher: Wenn du etwas im Überschuss hast, gib uns Bescheid. Uns fällt immer etwas ein. Wenn der Rucola blüht, bring uns Rucolablüten." Die (für den Normalverkauf) viel zu langen Jungzwiebeln und die (wetterbedingt) unreif geernteten Paradeiser habe ihm das Belly of the Beast dankend abgenommen.

Marvin Mudenda, Küchenchef des österreichisch-simbabwischen Fusionrestaurants im neunten Bezirk, erinnert sich: Die Jungzwiebeln wurden zu Öl und Pesto, die grünen Paradeiser wurden eingelegt und im Winter zum Beef Tatar serviert. "Uns ist es wichtig, dass wir unsere Leute kennen", sagt Mudenda, der während seiner Kochausbildung fast nur mit Großlieferanten gearbeitet hat. "Unsere Karte ändert sich mindestens zwölfmal im Jahr. Ich suche nach außergewöhnlichen Sachen."

Belly of the Beast
Foto: Lisa Mudenda

Gemeinsam mit Michael Kietreiber und Robert Brodnjak vom Krautwerk – auch er ein quereingestiegener Market-Gardener – entwickelt Mudenda Bepflanzungspläne. Sie beliefern ihn mit Gem-Squash, einem kleinen, "süßlich-nussigen Sommerkürbis", und Maniok – Produkte, die er aus seiner Kindheit in Simbabwe kennt und die man in Österreich sonst kaum bekommt. Sicherlich koste all dies mehr Zeit als die zentrale Großbestellung bei Transgourmet. Zeit, die man sich nehmen müsse, was sich aber definitiv lohne und auch von den Gästen wertgeschätzt werde. "Bei uns bekommen sie alte Sorten. Auch wenn sie es googeln, finden sie nichts dazu. Wir aber können sagen: Das ist eine Midnight Roma vom Michi von Grünzeug vom Feld."

Logisch, dass immer mehr Lokale ihre Produzenten auf der Speisekarte nennen oder sie auf Food-Fotos bei Instagram taggen wie Mode-Influencer berühmte Marken.

Auch das Jola, Wiens erstes veganes Fine-Dining-Restaurant, gehört zu den Kunden von Michael Kietreiber. Für Larissa Andres, die das Lokal im ersten Bezirk gemeinsam mit ihrem Partner Jonathan Wittenbrink führt, ist der enge Austausch mit den Lieferanten essenziell. Für den Erfolg des Betriebs, für die Gäste, fürs eigene Gewissen. Nachhaltigkeit bedeutet für sie nicht nur ressourcenschonender Anbau, sondern auch faire Arbeitsbedingungen und Bezahlung für die Landwirte. "Es ist schön, dass es diese kleinen Betriebe gibt, die davon leben können, obwohl sie klein bleiben", sagt sie. Zu ihren Lieferanten zählt auch eine alte Schulfreundin von Andres, die vor kurzem in ihrer Freizeit angefangen hat, eigenes Gemüse anzubauen. Sie mache die besten Erdäpfel des Landes, ist Wittenbrink überzeugt.

Ein Gericht aus dem Jola mit heimischen Kichererbsen und eigens angesetzter Kichererbsen-Miso.
Foto: Larissa Andres

Der 30-Jährige hat zuvor viele Jahre im Tian gekocht – in der Spitzengastronomie, wo man von jeher engen Kontakt zu den Produzenten pflegt. "Wir haben mehr als 20 Lieferanten. Landwirte, Kräuterpädagoginnen, Pilzsammler", sagt Tian-Küchenchef Paul Ivić: "Diese intensive Zusammenarbeit war von Anfang an unser Ziel."

Limetten aus Österreich

Beim Krautwerk haben sie ein eigenes Experimentierfeld: Letztes Jahr wuchs dort Fioretto, eine "sensationell schöne" Kreuzung aus Brokkoli und Karfiol. Nächstes Jahr wolle man spezielle Rote Rüben pflanzen. "Wenn du über die Jahre mit solchen Persönlichkeiten wie dem Robert zusammenarbeitest, lernst du immer wieder etwas dazu. Die beliefern uns nicht nur, die lehren uns auch." Umso schöner, sagt er, dass man diese Entwicklung – die enge Zusammenarbeit von Landwirten und Gastronomen – nun auch in kleinen Lokalen und Wirtshäusern sehe.

Oder in Imbissen wie dem Maíz von Monika Sims. Sie hofft, dass sie in Zukunft noch mit viel mehr Landwirten direkt zusammenarbeiten kann. Derzeit sucht sie jemanden, der ihr Tomatillos anbaut, die sie als Salsa zu ihren Tacos serviert. "Und Limetten! Noch mehr Chilis hätte ich auch gern! Wenn die jemand für mich anbauen will, kann er sich gerne bei mir melden!"

Vielleicht kann Michael Kietreiber helfen? Tomatillos baut er seit letztem Jahr ohnehin schon an, auf Wunsch des Belly of the Beast. Und Limetten? "Das wäre eine Challenge, aber auch superinteressant. Sie kann sich also gerne bei mir melden." (Verena Mayer, 24.4.2022)