Jürgen Kessler war von 2018 bis Anfang April für die Geschäfte des Wirtschaftsbunds verantwortlich.

Um jemanden zu finden, der wohlwollend über Jürgen Kessler spricht, muss man in Vorarlberg lange suchen. Jener Mann, der seit 2018 die Geschäfte des ÖVP-Wirtschaftsbunds leitete und Anfang April zurücktrat, ist nicht einmal in seiner eigenen Partei beliebt. "In Vorarlberg ist er ‚the man you love to hate‘", sagt einer, der den 46-Jährigen kennt.

Nun kann man der Meinung sein, dass angesichts der jüngsten Enthüllungen über den Umgang mit (Steuer-)Geld im Wirtschaftsbund natürlich niemand in der dadurch beschädigten Volkspartei gut auf den Juristen zu sprechen ist. Tatsächlich fielen vielen Parteikollegen und Menschen, die mit Kessler zusammenarbeiteten, aber auch vorher nicht wirklich schmeichelhafte Worte für den Wolfurter ein.

Der Vorarlberger Thomas Schmid

Von mehreren Leuten wird Kessler mit einem anderen Mann verglichen, der in der ÖVP ebenfalls lange in der zweiten Reihe Fäden zog: Jürgen Kessler gilt als Vorarlbergs Thomas Schmid. Für die Landes-VP mache er die "Drecksarbeit", erläutert einer, gehe darin aber voll auf.

Bevor Kessler 2013 als stellvertretender Direktor zum Wirtschaftsbund kam und 2018 Geschäftsführer wurde, war er neun Jahre lang Büroleiter von Altlandeshauptmann Herbert Sausgruber. Dessen Nachfolger Markus Wallner wollte Kessler nicht übernehmen.

Fleißig und geschäftstüchtig

Eine Eigenschaft, die Schmid und Kessler teilen dürften, ist der Fleiß. Unter Jürgen Kessler gingen die zuvor schon üppigen Inseratenerlöse der Wirtschaftsbund-Zeitung durch die Decke. Statt rund 300.000 Euro wurden bis zu 1,2 Millionen eingenommen. Für das Eintreiben der Anzeigen griff Kessler höchstpersönlich zum Hörer und übte – wie aus Schilderungen von Unternehmern bekannt ist – mitunter auch Druck aus.

Getrieben und berechnend

Kessler, der in seiner Freizeit Fußballtrainer für Kinder ist – der Verein erhielt vom Wirtschaftsbund ebenfalls Geld –, gilt aber auch als bestens vernetzt, als getrieben und berechnend. Eigenschaften, die das Zusammenarbeiten mit ihm für viele nicht einfach machten. Demut sei ein ihm völlig fremdes Wort. Das 250.000-Euro-Darlehen, das er sich vom Wirtschaftsbund auszahlen ließ, dient nun vielen als Anschauungsbeispiel.

Medaille für Mut

Was Kessler aber auch besitzt, ist Mut. 2012 wurde er vom Landeshauptmann mit einer Rettungsmedaille ausgezeichnet. Als er einen Brand im Nachbarhaus bemerkte, half der Familienvater mit zwei Nachbarn einem älteren Ehepaar aus dem Haus, laut Polizeibericht unter Lebensgefahr.

Auf Jobsuche

Aktuell befindet sich Kessler auf Jobsuche. In der Privatwirtschaft war er einst zwischen 2012 und 2013 tätig, wobei die Vorarlberger Illwerke zu 95 Prozent dem Land Vorarlberg gehörten. Kontakte gibt es außerdem in die Hypo Vorarlberg, die Bank ist ebenfalls im Teil-Eigentum des Landes, wo Kessler in einem Beirat sitzt. Kessler war zudem natürlich an der Firma Media Team beteiligt, die das Inseraten-Geschäft für zahlreiche Magazine des Landes abwickelte, unter anderem für die Wirtschaftskammer. Seine Anteile musste Kessler nach öffentlichem Druck an seiner Doppelrolle verkaufen. Wo Kessler schlussendlich landen wird, bleibt abzuwarten. (Lara Hagen, 22.4.2022)