
So gut gelaunt – wie bei der Angelobung der schwarz-grünen Landesregierung am 6. November 2019 – wird der Vorarlberger Landeshauptmann und Landes-VP-Chef Markus Wallner am Montag beim ersten Sonderlandtag in Vorarlbergs Geschichte wohl nicht sein. Sein grüner Koalitionspartner von damals, Johannes Rauch (re.), ist in der Zwischenzeit Gesundheitsminister, seine Partei steht aber – noch – hinter oder neben Wallner.
Bregenz – Die Inseratenaffäre rund um Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund beschert dem westlichsten Bundesland den ersten Sonderlandtag in der Geschichte Vorarlbergs –und bei der Gelegenheit auch gleich einen Misstrauensantrag der Opposition im Landtag gegen Landeshauptmann und Landes-VP-Chef Markus Wallner. Der allerdings kommt mit Verspätung, weil die Opposition den Fristenlauf nicht eingehalten hat.
Seinen Koalitionspartner, die Grünen, wusste Wallner am Wochenende jedenfalls noch hinter sich. Sie zeigten sich bisher höchst zurückhaltend. Am Freitag ließen die Vorarlberger Spitzen-Grünen wissen, dass man der ÖVP zumindest vorerst die Treue halten werde.
Kogler spricht von "erschütterndem Sittenbild"
Auf Bundesebene sprach Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler am Samstag von einem "erschütternden Sittenbild", meinte aber, vorerst müsse einmal "alles auf den Tisch" und geprüft werden. In der Ö1-Sendung "Im Journal zu Gast" sagte Kogler, dass Vorarlbergs Ruf als "sauberes Bundesland" "nachhaltig gestört, um nicht zu sagen zerstört" sei. Aber Wallners Rücktritt wollte er nicht fordern. Erst einmal gehöre das System "ausgeleuchtet", die Kontrolleinrichtungen und die Vorarlberger Grünen würden dafür sorgen.
Zur Fristverpassungsmalaise der Opposition berichtete der ORF Vorarlberg am Samstag online, dass in der Landesdirektion bis Freitag 17.00 Uhr – dann schließt sie – kein Misstrauensantrag eingelangt sei, habe Landtagspräsident Harald Sonderegger (ÖVP) mitgeteilt. Darum konnte er auch nicht auf die Tagesordnung der Sondersitzung kommen – und darum könne am Montag auch nicht darüber abgestimmt werden. Dafür wäre jedenfalls eine Zweidrittelmehrheit notwendig.
ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück sagte übrigens zum ORF, dass die ÖVP-Mandatare einer Abstimmung beim Sonderlandtag zugestimmt hätten. Die Volkspartei werde sich jeder Diskussion stellen. Wallner wird sich also frühestens bei der nächsten Landtagssitzung am 11. Mai dem Misstrauensantrag stellen müssen. Bei einem Misstrauensantrag muss mehr als die Hälfte der Abgeordneten dem Antrag zustimmen, damit er angenommen wird. Damit überhaupt abgestimmt werden kann, müssen mindestens 18 Landtagsabgeordnete anwesend sein.
Da die ÖVP 17 der 36 Abgeordneten stellt, ist davon also nicht auszugehen. Die Oppositionsparteien hatten bereits am Freitag den Rücktritt des Landeshauptmanns gefordert, Samstagfrüh kündigten sie in einer Aussendung an, am Montag einen Misstrauensantrag gegen Wallner einzubringen. Er trage die Hauptverantwortung für den Skandal, hieß es. Die Vorwürfe auch gegen seine Person gingen in Richtung Korruption, er sei nicht mehr amtsfähig und müsse zurücktreten. Es sei keine leichte Entscheidung gewesen, aber Wallner habe "den letzten Rest an Vertrauen verspielt", begründeten die Klubobleute von FPÖ, SPÖ und Neos das gemeinsame Vorhaben.
Historische Premiere im Landtag
Die Klubobleute Christof Bitschi (FPÖ), Manuela Auer (SPÖ) und Sabine Scheffknecht (Neos) riefen die Grünen als Regierungspartner der ÖVP auf, den Misstrauensantrag mitzutragen. Selbst wenn die Grünen dem nachkämen, könnte es aber knapp werden: Für eine Annahme muss mehr als die Hälfte zustimmen. Der frühere SPÖ-Klubchef und jetzige fraktionslose Abgeordnete Thomas Hopfner kündigte im ORF an, nicht zuzustimmen. Wenn zusätzlich alle ÖVP-Mandatare hinter Wallner stehen, würde der Antrag nicht angenommen.
Jedenfalls ist am Montag im ersten Sonderlandtag in der Geschichte Vorarlbergs eine scharfe Auseinandersetzung über die Vorgänge um den Wirtschaftsbund zu erwarten. Einberufen wurde die Sitzung auf Verlangen von elf Mandataren der FPÖ, der SPÖ und der Neos. Als Basis dient die – schon am 4. April eingebrachte – Anfrage der Oppositionsparteien an Wallner: "Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem ÖVP-Parteispendenskandal?"
In der Anfrage geht es unter anderem um Geldflüsse des Landes zur mittlerweile eingestellten ÖVP-Wirtschaftsbund-Zeitung "Vorarlberger Wirtschaft". Weiters versuchen die Oppositionsparteien eine bessere personelle Ausstattung des Landesrechnungshofs zu erreichen und dass dieser in Zukunft auch Vorfeldorganisationen einer Partei prüfen darf. Sollte man sich diesbezüglich nicht einig werden, wollte sich die Opposition die Einberufung eines Untersuchungsausschusses offen lassen. Im Sonderlandtag wird es keinerlei Redezeitbeschränkung geben.
Am Anfang stand eine Steuerprüfung
Diskutiert werden wird die Causa wohl nicht nur anhand der Anfrage, sondern in der ganzen Breite – sind mittlerweile doch über die Medien viele Einzelheiten bekannt geworden. Am Anfang stand eine Steuerprüfung des Wirtschaftsbunds, bei der es im Wesentlichen darum ging, ob der Wirtschaftsbund bei der Begleichung von Steuern die richtigen Zinssätze angewendet hat. Ebenso steht die Frage im Mittelpunkt, ob "innerparteiliche Zuwendungen" steuerpflichtig sind.
Nach eigenen Angaben hat die ÖVP seit 2014 rund 900.000 Euro von ihrer Vorfeldorganisation erhalten. Das Finanzamt hingegen machte 1,5 Millionen Euro an Zuwendungen aus, was der Opposition die Zornesröte ins Gesicht trieb. Mit einem Abschluss der Steuerprüfung ist im Mai zu rechnen. Während der Wirtschaftsbund von einer Nachzahlung von im schlimmsten Fall rund 700.000 Euro ausgeht, könnte das Finanzamt laut den publik gewordenen Dokumenten auf 1,3 Millionen Euro bestehen.
Ein schiefes Licht warfen aber insbesondere auch andere Vorgänge innerhalb des Wirtschaftsbunds auf die Organisation. So wurde bekannt, dass der mittlerweile zurückgetretene Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler vom Wirtschaftsbund offenbar – DER STANDARD berichtete – ein zinsloses 250.000 Euro-Darlehen für ein Immobiliengeschäft erhalten hat. Für seinen Vorgänger Walter Natter könnten 24.000 Euro für eine Lebensversicherung bezahlt worden sein. Darüber hinaus gab es Barabhebungen ohne Belege: 5.000 Euro gingen zwischen 2016 und 2019 an den damaligen Wirtschaftslandesrat Karlheinz Rüdisser, 1.000 Euro an seinen Nachfolger Marco Tittler (beide ÖVP). Beide rechtfertigten die Zahlungen dahingehend, dass es sich um "Verfügungsmittel für Veranstaltungen" gehandelt habe.
Vermeintliche Spenden an das Rote Kreuz, das davon aber nichts weiß
4.500 Euro sollen an das Rote Kreuz gespendet worden sein, allerdings weiß das Rote Kreuz nichts davon. Wallner kündigte nicht zuletzt aufgrund dieser Vorgänge eine externe Prüfung des Wirtschaftsbunds an. "Es muss jetzt alles im Wirtschaftsbund durchleuchtet werden", stellte er am Freitag gegenüber den "Vorarlberger Nachrichten" fest.
Gegen den Landeshauptmann wurde noch vor dem Wochenende – in Form einer eidesstattlichen Erklärung, aber anonym – der Vorwurf laut, er habe bei einem Betriebsbesuch selbst um Inserate geworben und dafür politisches Entgegenkommen versprochen. Wallner wies diese Darstellung scharf als "glatte Lüge" zurück. "Ich bin kein Inseratenkeiler für den Wirtschaftsbund", betonte er.
In den "Salzburger Nachrichten" wurde am Samstag eine eidesstattliche Erklärung des früheren Vorarlberger ÖGB-Chefs Norbert Loacker zitiert, der berichtete, er selbst sei von Wallner nie direkt auf Inserate in der Wirtschaftsbund-Zeitung angesprochen worden, aber er habe von anderen Unternehmern davon gehört, "dass auch er um Inserate wirbt".
Anschließend an den "VN"-Bericht vom Freitag erfolgte die Rücktrittsaufforderung an Wallner aus den Vorarlberger Oppositionsreihen. FPÖ, SPÖ und Neos verlangten unabhängig voneinander Wallners Abgang als Regierungschef. "Aufgrund der bis jetzt insgesamt bekannt gewordenen Machenschaften ist ein Verbleib von Landeshauptmann Wallner in Wahrheit nicht mehr vorstellbar", sagte FPÖ-Obmann Christof Bitschi. Die SPÖ sah einen Rücktritt als "unumgänglich" an, Neos-Parteichefin Sabine Scheffknecht forderte darüber hinaus auch den Rücktritt von Tittler. (red, APA, 23.04.2022)