Der Élysée-Palast in Paris, Sitz des französischen Staatsoberhaupts.

Foto: AFP / Eric Feferberg

Wenn am Abend einer französischen Präsidentschaftswahl der Autotross des Wahlsiegers – oder der -siegerin – durch die von der Polizei gesperrten Boulevards der Pariser Innenstadt jagt, wohnt dem sonst so republikanischen Frankreich für ein paar Momente stets ein wenig royaler Pathos inne. "Ersatzmonarch" nennen böse Zungen den Président de la République, anders als die echten Könige residieren Emmanuel Macron und seine Vorgänger aber nicht in Versailles, sondern im Élysée-Palast im achten Pariser Arrondissement unweit der Prachtstraße Champs-Élysées.

Fast schon königlich sind auch die Befugnisse, die Frankreichs republikanischen Regenten übertragen werden – nicht von Gottes Gnaden, sondern kraft des Wahlvolks, versteht sich. In kaum einem anderen westlichen Land genießt der Präsident eine so große Machtfülle wie in Frankreich.

Seit einer Volksabstimmung unter der Ägide Charles de Gaulles vor 60 Jahren wird Frankreichs höchstes Staatsamt direkt gewählt. Der General machte damit der Vierten Republik endgültig den Garaus, die sich angesichts eines Aufstands im besetzten Algerien in endlosen Flügelkämpfen im Parlament verzettelt hatte. Nun sollte ein Mann für Ordnung im Staat sorgen – de Gaulle selbst.

Um Fehler aus der Nachkriegszeit nicht zu wiederholen, schuf sich de Gaulle ein umfangreiches Netz aus Durchgriffsrechten, das bis heute wirkt: Alle wichtigen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik werden vom Élysée-Palast entschieden, der Präsident ist es meist auch, der den Premierminister und dessen Regierung ernennt.

Ungeliebte "Polit-WG"

In der Fünften Republik kam es nur drei Mal vor, dass der Premierminister einem anderen Lager entstammte als der Präsident. Zuletzt gelang dieses Kunststück dem Sozialisten Lionel Jospin, der in einer Kohabitation dem bürgerlichen Präsidenten Jacques Chirac diente.

Nun könnte es Umfragen zufolge ein viertes Mal dazu kommen: Der Links-außen-Kandidat Jean-Luc Mélenchon, der in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl nur knapp Dritter wurde, hofft auf das Amt des Premierministers, sollte Macron es noch einmal in den Élysée-Palast schaffen.

Ansonsten lässt solcherlei profane Politik den Präsidenten dank der Verfassung von 1958 aber weitgehend kalt: Neben der Kontrolle über Frankreichs nukleare Force de Frappe ist er auch Oberbefehlshaber der gesamten Armee, er ernennt die wichtigsten Funktionäre des Landes sowie ein Drittel der mächtigen Verfassungsräte und leitet obendrein den Richterrat.

Besonders deutlich wird die Macht des französischen Präsidenten an der Frage, wie man ihn zum Rücktritt zwingen kann: so gut wie gar nicht nämlich. Das Parlament kann ihn nicht abwählen, seines Amtes enthoben werden kann er nur, wenn er sich als unzurechnungsfähig erweist oder wenn er des Landesverrats überführt wird.

Wie es sich für einen republikanischen König gehört, kann ihm auch die Justiz nichts anhaben: Für Vergehen oder gar Verbrechen während seiner Amtszeit kann er nicht belangt werden. Allerdings weiß etwa Macrons Vorgänger Nicolas Sarkozy nur zu gut, dass dieses Privileg nicht für die Zeit vor oder nach der Präsidentschaft gilt. (Florian Niederndorfer, 24.4.2022)