Eine idyllische Momentaufnahme, die nicht die Regel ist: Der Staat hat einiges für mehr Väterbeteiligung getan, doch der Erfolg ist überschaubar.

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Die einschlägigen Versprechen der Politik blieben nicht folgenlos: Die öffentliche Hand gibt in Österreich heute deutlich mehr Geld für den Nachwuchs aus als vor 20 Jahren. Wie ein Bericht des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) zeigt, sind die Familienleistungen pro Kind von 3.541 Euro anno 2000 auf 7.582 Euro im Jahr 2020 gestiegen. Auch nach Einberechnung der Inflation bleibt ein sattes Plus von 48 Prozent.

Mutiert die Republik also zum familiären Musterland, wie das Ministerinnen verheißen haben? Ein genauerer Blick in die Daten relativiert dieses Bild. Erstens ist der Pro-Kopf- Anstieg auch mit einem Rückgang der Kinderzahl zu erklären. Zweitens, merkt Margit Schratzenstaller an, sage der "beachtliche" Zuwachs nichts darüber aus, ob das Geld sinnvoll investiert werde. Für ein entscheidendes Kriterium hält die Wifo-Expertin den Ausbau der Kinderbetreuung. Denn ohne diese Voraussetzung fehle Müttern die Chance, zahlreicher und stärker als bisher ins Berufsleben einzusteigen.

Fortschritt und Stillstand

Auch auf diesem Feld erkennt die Wifo-Analyse Fortschritt. Der Anteil der Ausgaben für Betreuungsleistungen hat sich von 10,4 auf 19,6 Prozent der gesamten Familienaufwendungen nahezu verdoppelt. Doch im Vergleich zu den anderen Industriestaaten liegt Österreich immer noch im Hintertreffen. Mit 2,6 Prozent des BIP gibt das Land zwar insgesamt mehr für Familienleistungen aus, als im OECD-Schnitt der Fall ist (2,3 Prozent), doch der Anteil der sogenannten Realtransfers – vor allem Betreuung – ist einer der niedrigsten aller Mitgliedsstaaten.

Der OECD-Vergleich stammt von 2017, ist also nicht mehr ganz frisch. Seither hat sich das Gewicht dank des Familienbonus, einer pro Kind ausgeschütteten Steuererleichterung, allerdings noch mehr zu den Geldleistungen verschoben.

EU-Ziel in weiter Ferne

Konsequenz: In Österreich sind mit 22,7 Prozent (2019) heute zwar weitaus mehr unter Dreijährige in Betreuung als noch 2006 (vier Prozent), aber das EU-Ziel von 33 Prozent liegt in weiter Ferne. Dahinter rangieren in dieser Rangliste noch sieben mittel- und osteuropäische Staaten, etliche Länder hingegen weisen Quoten von über 50 Prozent auf. Neben Dänemark, den Niederlanden, Luxemburg, Belgien, Schweden und Frankreich sind das auch die vermeintlich katholisch-konservativen Länder Spanien und Portugal. Bei allem löblichen Fortschritt, bilanziert Schratzenstaller, seien traditionelle Einstellungen – Kleinkinder seien zu Hause bei der Mutter am besten aufgehoben – hierzulande offenbar besonders stark ausgeprägt.

Auf einer anderen Ebene zeigt sich das gleiche Muster. Die Regierungen der vergangenen 20 Jahre hätten einiges getan, um Väter zu mehr Beteiligung bei der Kindererziehung zu bewegen, sagt die Forscherin. Die auf maximal 14 Monate beschränkte, aber einkommensabhängig mit bis zu 2.000 Euro im Monat üppig dotierte Kindergeldvariante sollte die Motivation ebenso steigern wie der Partnerschaftsbonus von zweimal 500 Euro, wenn der Vater zumindest 40 Prozent der bezahlten Kinderbetreuungszeit leistet. Und dennoch gehen laut einer Untersuchung der Arbeiterkammer bei acht von zehn Paaren die Männer nicht in Karenz.

Kontraproduktive Anreize

Immer noch entdeckt Schratzenstaller Anreize im System, die das Ziel hintertreiben würden, dass sich Eltern die Arbeitszeit gleichmäßig aufteilen. Die steuerliche Begünstigung von Überstunden etwa führe dazu, dass die oft besser verdienenden Männer mehr arbeiteten – gerade dann, wenn es nach der Geburt eines Kindes den Einkommensverlust der Frau auszugleichen gelte. Auch die Möglichkeit der beitragsfreien Mitversicherung für die Partnerin fördere das Male-Breadwinner-Familienmodell.

Österreich könnte den Mindestanteil an Kinderbetreuungsmonaten erhöhen, den der Partner für den Bezug in der vollen Dauer übernehmen muss, empfiehlt Schratzenstaller – derzeit muss der Vater lediglich zwei Monate absolvieren, wenn das einkommensabhängige Kindergeld 14 statt zwölf Monate fließen soll. Bei der Pauschalvariante sei zu überlegen, die maximale Bezugsdauer (851 Tage) zu verkürzen – denn lange Absenz vom Arbeitsmarkt mache Frauen den Wiedereinstieg schwer.

Doch der Staat werde es nicht allein richten können, fügt die Expertin an. Nötig sei auch eine flexiblere Unternehmenskultur, die Männer in Karenz und Teilzeit akzeptiere: "Da hapert es noch sehr." (Gerald John, 25.4.2022)