Der Digital Services Act ist im übertragenen Sinne der neue Sheriff im Wilden Web-Westen: Mit ihm wird auch online bestraft, was offline längst verboten ist.

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In der Nacht auf Samstag haben sich die EU-Institutionen schließlich auf eine einheitliche Formulierung des Digital Services Act (DSA) geeinigt. Vielerorts verknappt als Gesetz gegen Hass im Netz bezeichnet, handelt es sich um ein umfassendes Regelwerk, das neu festlegt, wie man in Zukunft aus der EU auf Inhalte des World Wide Web zugreift. Nachstehend werden die wichtigsten Fragen zum Thema beantwortet.

Frage: Was ist das Ziel des Digital Services Act?

Antwort: Der DSA ist der neue Sheriff im Wilden Web-Westen: Er soll sicherstellen, dass auch online verboten ist, was offline längst bestraft wird. Erstmals seit 20 Jahren erstellt die EU so ein umfassendes Regelwerk, das vor allem für große Tech-Konzerne neue Auflagen schafft.

Frage: Welche Unternehmen sind von den Regeln betroffen?

Antwort: Es wurde zum Schutz der kleinteiligen europäischen Wirtschaft darauf geachtet, dass für große Unternehmen mit mehr als 45 Millionen Nutzerinnen und Nutzern deutlich mehr Regeln gelten als für kleine. Allerdings müssen sich auch KMUs etwa an die neuen Regeln in Bezug auf E-Commerce halten.

Frage: Was ist konkret in Bezug auf Hass im Netz geplant?

Antwort: Die Internetkonzerne werden verpflichtet, stärker gegen Hass im Netz vorzugehen. Dazu gehört, dass Prozesse zum Melden illegaler Inhalte verpflichtend sind und Nutzer bei mehrmaligem Vergehen gesperrt werden müssen. Dies soll für eine Vielzahl an Plattformen zutreffen, nicht nur für die Großen. Gemeldete Postings sollen innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden – dem Vernehmen nach handelt es sich dabei aber nur um einen Richtwert.

Frage: Wie wird sich der Newsfeed in Social Networks verändern?

Antwort: Der Umgang mit Algorithmen ist ein weiterer Punkt im DSA. So werden die Plattformen etwa verpflichtet, die wichtigsten Faktoren ihrer Algorithmen in den AGB offenzulegen – diese bestimmen etwa, was im Newsfeed der Social Networks sichtbar ist. Auch ist eine Option zum Anpassen dieser Inhalte durch die User per DSA vorgeschrieben: Sie können also künftig in jedem Social Network entscheiden, ob ihre Feeds chronologisch angezeigt oder von einem Algorithmus kuratiert werden sollen.

Frage: Was passiert, wenn Algorithmen sich seltsam verhalten?

Antwort: Das ist ein wichtiger Punkt, zumal die Whistleblowerin Frances Haugen zuletzt Facebook vorgeworfen hat, bewusst polarisierende Inhalte zu bevorzugen, um die Verweilzeit zu erhöhen. Daher sollen Behörden bei großen Plattformen anordnen können, dass diese ihre Algorithmen Forschenden offenlegen. So sollen diese Erkenntnisse zu Hassrede, zu Desinformation, aber auch zum Beispiel zu Diskriminierung gewinnen können – etwa wenn Inhalte von Menschen mit Behinderungen weniger prominent ausgespielt werden.

Frage: Welche Änderungen gibt es beim Onlineshopping?

Antwort: Konzerne wie Ebay und Amazon fungieren auch als Marktplätze, auf denen nicht sie selbst, sondern Partnerhändler ihre Produkte verkaufen. Hier kam es in der Vergangenheit oft zu illegalem Verhalten, von Betrug bis zum Anbieten gefälschter Produkte. Die Großen haben sich dabei oft aus der Verantwortung gestohlen. Künftig müssen sie sicherstellen, dass ihre Partner besser rückverfolgbar sind.

Frage: Werde ich bald andere Werbung im Internet sehen?

Antwort: Ja, denn auch beim Thema Onlinewerbung wurde nachgeschärft. Die größte Änderung ist dabei, dass personalisierte Werbung für Minderjährige vollständig verboten wird. Für Erwachsene gilt, dass besonders sensible Daten wie zu sexueller Orientierung, Religion oder politischer Einstellung nicht mehr für gezielte Werbung eingesetzt werden dürfen. Es sei denn, man stimmt explizit zu.

Frage: Besonders heikel wird es immer, wenn es um Sex geht ...

Antwort: Genau. Deshalb gibt es spezielle Regeln für Pornografie-Plattformen. Diese müssen verstärkt gegen die Uploads von Rachepornos vorgehen. Eine geplante Ausweispflicht für Uploader wurde aus Datenschutzgründen verworfen.

Frage: Wie wurde auf den DSA reagiert?

Antwort: Ohne Jubel, aber weitgehend positiv. In den USA betonte Ex-Präsident Barack Obama, dass sich die Vereinigten Staaten an Europa orientieren sollten. Doch es gibt auch Kritik: Patrick Breyer (Piratenpartei) bemängelt, dass einige Regeln stark verwässert wurden.

Frage: Wie geht es weiter?

Antwort: Unter anderem muss noch das Parlament über den DSA abstimmen, das gilt aber als Formsache. Nach einer Übergangsfrist sollte das Paket dann im kommenden Jahr in Kraft treten. (Stefan Mey, 25.4.2022)