Alisa Ziletkina (li.), erst 15 Jahre alt, entschied beim Startelfdebüt das Derby mit zwei Toren für die Austria. Viennas Teamverteidigerin Lainie Fuchs überzeugte vor Nationaltrainerin Irene Fuhrmann dennoch.

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Christa Hainzl besorgte der Vienna das zweite "First".

Vienna

Nach Anpfiff, das hat Christa Hainzl schnell klargestellt, ist sie nur schwer ansprechbar. Dabei ist Viennas administrative Leiterin für Frauenfußball gar nicht wortkarg. Ihr Tipp, sich auf das Bundesligaderby gegen die Frauen der Austria zu konzentrieren, war aber gut. Die Aufsteigerinnen der Vienna, sensationell Dritte der Planet-Pure-Bundesliga, versuchten sich auf der Hohen Warte mit gepflegtem Kombinationsfußball für das 1:2 im Hinspiel zu revanchieren.

Vor mehr als 460 Zuseherinnen, darunter Teamchefin Irene Fuhrmann, triumphierte aber violette Effektivität gegen blau-gelbe Attraktivität. Alisa Ziletkina netzte zweimal. Schon beim ersten Treffer der erst 15-jährigen Stürmerin (41.) war Frau Hainzls Schweigen nicht länger: "Die kommt aus unserem Nachwuchs", raunt die längstgediente Funktionärin der Vienna.

Rapids vergebene Chance

Das Wort "First" im Namen war dem Traditionsklub aus Wien-Döbling schon immer wichtig. Hainzl ist mitverantwortlich dafür, dass es auch im doppelten Sinn gilt. Denn der älteste Fußballverein Österreichs war auch der erste Bundesligist, der eine Frauensektion gründete. Rapid, bis heute nicht im Frauenfußball engagiert, hätte zumindest in diesem Punkt der 1894 und also drei Jahre früher gegründeten Vienna zuvorkommen können – als die Lehrerin und Trainerin Christa Hainzl 1989 eine neue Bleibe für die von ihr zuvor unter dem Dach des Kultur- und Sportvereins der Wiener Berufsschulen aufgebauten Teams suchte.

Rapid, erzählt Hainzl in der Derbypause, wäre schon interessiert gewesen. Zumal es ihre in der österreichischen Meisterschaft engagierte KSV-Auswahl, die natürlich nicht mehr als Schulteam durchging, bis auf Rang vier gebracht hatte. "Aber sie haben gesagt, dass sie uns erst nehmen können, wenn der Parkplatz vor dem Hanappi-Stadion in einen Trainingsplatz umgewandelt ist. Das war mir zu unsicher."

Bei der Vienna sorgte man sich nicht um Trainingskapazitäten, zumal Hainzl auf den Stadiontrainingsplätzen im Prater ohnehin eine Bleibe hatte. Die Vienna-Funktionäre Manfred Polster und Heinz Hawelka waren unter dem Eindruck, den die Frauen-EM 1989 in Deutschland hinterlassen hatte, vom Imagegewinn durch die Frauensektion überzeugt. Und die zusätzlichen Mitgliedsgebühren, sagt Hainzl, wären auch gelegen gekommen. Die Vienna-Frauen trugen sich gleichsam selbst, das A-Team schaffte es bis auf Platz drei der 1982 gegründeten Bundesliga, der Nachwuchs galt als der beste des Landes.

Mittel zum Zweck

1997 geriet die Vienna allerdings in finanzielle Schieflage, die Frauensektion sollte über Mitgliedsbeiträge hinaus zur Kasse gebeten werden. Hainzl packte erneut ihre Sachen und wechselte mit zwei Teams zu Hellas Kagran. Dieses Engagement erleichterte dem heutigen Wiener Landesligisten den geförderten Bau eines neuen Klubheims. Nach drei Jahren hatte Hainzl von Hellas genug, Fußballerinnen hatte der Verein recht bald auch keine mehr.

Alle Spielerinnen, die Hainzl nach Verweis auf den Wiederanpfiff in der zweiten Hälfte des Derbys gegen die Austria Druck machen sah, kamen in ihrer zweiten Vienna-Ära zum Verein. Wieder hatte ein internationales Turnier auf deutschem Boden, die WM 2011, auch in Österreich die Aufmerksamkeit auf den Frauenfußball gelenkt. Ingrid Prager, eine langjährige Funktionärin der Vienna, hatte die Klubführung erfolgreich dahingehend bearbeitet, Christa Hainzl wiedereinzusetzen. Beim Comeback wirkte die damals 60-Jährige sogar noch als Trainerin. Die einstige Mittelfeldspielerin mit Zug zum Tor ("Ich war die Bomberin") hatte im Übrigen als erste Frau in Österreich einen Landesverbands-Trainerkurs absolviert – in Faak am See alleine unter 30 Männern, darunter ballesterische Kapazunder wie Karl Daxbacher, Rudolf Szanwald und Hans Pirkner. Dass sie, weil eben für Frauen nicht vorgesehen, kein Abschlussdiplom, sondern nur eine Teilnahmebestätigung erhielt, war sogar dem Kurier ein verschriftlichtes Stirnrunzeln wert. Hainzl war derlei gewöhnt, seit sie als Mädchen nicht mit den Buben spielen durfte.

Verantwortungstransfer

Die Vienna hat heute gut 130 Fußballerinnen in sieben Teams. Die sportliche Gesamtverantwortung trägt seit Juni 2020 Rekordteamspielerin Nina Burger, nicht mehr Hainzl, die einst auch den aktuellen Frauen-Bundesligatrainer Aschot Movsesian zum Verein holte. Die geballte Erfahrung der ehemaligen Lehrerin für kaufmännische Berufe kommt dem C-Team zugute, "Trainerin bin ich natürlich nicht mehr".

Freilich eine Kennerin, der in der Hitze der zweiten Derby-Hälfte doch der eine oder andere Kommentar auskommt – ein zerknirschter, als Ziletkina das 2:0 für die Austria gelingt (53.), ein tröstlicher mit Erinnerung an die Tabellensituation ("Wir haben noch immer einen Punkt Vorsprung auf sie") und ein erstaunlich zurückhaltender, als Besijana Pireci (87.) nach einer Traumkombination per Kopf der Anschlusstreffer gelingt ("Leider sehr spät").

Der Abpfiff löst in Hainzl Rastlosigkeit aus, schließlich machen sich auf dem Trainingsplatz hinter der Haupttribüne schon die zweiten Teams für deren Derby bereit. Viennas Future Team begann 1:0. Freilich, sagt die Expertin, die wie kaum eine andere die Entwicklung des heimischen Frauenfußballs überblicken kann, ist die EM in England, die Österreichs Team am 6. Juli gegen die Gastgeberinnen eröffnen darf, eine großartige Sache. Ungeteilt ist die Freude über mediale Aufmerksamkeit aber nicht, wenn die Mehrzahl der Frauenbundesligisten fast ohne Nachwuchs dasteht. "Wir und die Austria haben den besten", sagt Hainzl, ehe sie wieder in den Kaum-ansprechbar-Modus gleitet. Der Anpfiff hinter der Haupttribüne steht bevor. (Sigi Lützow, 25.4.2022)