Jacques du Puy , CEO von Canal+ International.

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Marcus Grausam, CEO von A1 Österreich.

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David Tennant spielt in der ersten Staffel der Corona-Comedy "Staged" sich selbst: Zu sehen ist die Serie ab 17. Mai auf Canal+ First bei A1.

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Wer ab 17. Mai über David Tennant und Michael Sheen in der tiefschwarzen britischen Corona-Comedy Staged sehen will, geht zu Canal+ First. Wer auf Geschichten eines Betriebssanitäters neugierig ist, gespielt von Martin Freeman, schaut ebendort. Das Leben Leonardo da Vincis, Julia Roberts und Sean Penn in der Watergate-Serie Gaslit, ein Attentat auf den französischen Präsidentschaftskandidaten in Les Sauvages: Mit Inhalten wie diesen will der französische Contentplayer seit April Abokunden zu A1 TV locken. Dass das trotz einer relativ hohen Dichte an Streamingangeboten undjüngsten Aboverlusten von Netflix gewinnbringend funktionieren kann, davon sind Canal+-International-CEO Jacques du Puy und A1-Telekom-Chef Markus Grausam überzeugt.

STANDARD: Die jüngsten Zahlen von Netflix sorgen für Ernüchterung am Streamingmarkt. Welche Signale lesen Sie aus dem Einbruch für Canal+ ab?

Du Puy: Ich kann Ihnen versichern, dass es noch nichts mit unserem Markteintritt in Österreich zu tun hat. Aber mit etwas mehr Ernsthaftigkeit: Es gab in den letzten Jahren enorme Wachstumsraten im Streaming-Markt, vor allem durch die Covid-Pandemie. Es wird sich eine Marktdynamik entwickeln, die uns aber auch Chancen bieten kann.

STANDARD: Ziehen Sie für sich Konsequenzen oder sagen Sie: anderer Player, betrifft uns nicht?

Du Puy: Die Situation von Netflix schmälert keinesfalls unsere Motivation, unseren Kunden qualitativ hochwertige Inhalte zu bieten. Natürlich beobachten wir immer, wie sich der Gesamtmarkt entwickelt. Aber ich denke, es ist wichtig, jedes Land einzeln zu betrachten. Im Moment liegt unser Fokus darauf, Österreich von unseren Inhalten und unserem Streaming-Dienst zu überzeugen

STANDARD: Was ist für Canal+ in Österreich zu holen?

Du Puy: Ich möchte die Frage mit einem Rückblick auf die Geschichte von Canal+ beantworten. Canal+ begann in Frankreich als Pay-TV, zur gleichen Zeit hatten wir unseren eigenen Kabelsender mit Serien und Filmen, und mit StudioCanal sind wir der größte Film- und Serienproduzent in Europa. Wir haben einen Katalog von etwa 6000 Titeln und konzentrieren uns definitiv auf europäische Inhalte. Wir haben also klar eine andere Positionierung, die stärker europäisch und mehr lokal ausgerichtet ist. Das ist der entscheidende Unterschied.

STANDARD: Wenn ich mich mit Freunden über Serien unterhalte, kommt schnell das Argument: Ja, sehr schön, dass es so viele Anbieter gibt, aber man muss sich entscheiden. Wie wollen Sie die Kunden von Netflix, Disney überzeugen?

Du Puy: Das ist in Frankreich und in Polen nicht anders. In Polen sind in einem Zeitraum von einem Jahr sechs Plattformen gestartet. Wir befinden uns in einem hoch kompetitiven Markt. Die Leute nehmen unsere Inhalte wahr, und sie mögen sie. Wir mögen auch US-Inhalte, aber wir wollen ein Angebot, das sich stärker diversifiziert, und das ist es, was wir anstreben.

STANDARD: Ein Abo über A1 kostet 8,99 Euro, die ersten 30 Tage sind gratis. Wie viele Canal+-Abos haben Sie sich vorgenommen in, sagen wir, den ersten drei Jahren? Was ist das Ziel?

Grausam: Wir haben erst vor ein paar Wochen begonnen, Sie haben diese sehr kompetitive Situation am österreichischen Markt erwähnt, daher werden wir keine detailierteren Zahlen nennen. Aber unser Ziel ist es, ein relevanter Player auf dem österreichischen Markt zu sein.

STANDARD: Klingt doch etwas vage. Für den Businessplan ist ein solches Ziel vermutlich nicht geeignet.

Grausam: Das stimmt, natürlich haben wir einen Plan und wir werden auch veröffentlichen, wie viele Abonnenten wir nach einem gewissen Zeitraum haben, aber wir werden keine Zahlen für die Zukunft prognostizieren. Das Ziel ist es, ein relevanter Player zu sein, wir wollen in den nächsten fünf Jahren unter den ersten drei sein.

STANDARD: Wie wichtig ist der Algorithmus für Sie als Streamingplattform?

Du Puy: Technologie spielt eine große Rolle, es geht darum die Bibliotheken zu organisieren, um den Zugang zu den Inhalten so einfach wie möglich zu machen.

Grausam: Wir setzen auf automatisierte Empfehlungen und auf eine anwendungsfreundliche App, so dass es für unsere Kunden einfach ist, die für sie passenden Inhalte zu finden.

STANDARD: Speziell der Algorithmus sorgt bei so manchen Abonnentinnen und Abonnenten für Unmut – weil man in der Blase steckt und auf neue Inhalte gar nicht gestoßen wird.

Du Puy: Wir sagen nicht, dass wir besser oder schlechter sind als alle anderen Player. Aber wenn Sie nicht investieren – und manche Plattformen tun das nicht und bleiben lokal – dann wäre es sehr schwierig, Investitionen in Inhalte aufrechtzuerhalten. Ursprünglich wurde Technologie bei Contentplattformen lange Zeit als nicht so wichtig erachtet. Niemand sprach über Technologie. Das hat sich sehr geändert. Wir müssen auch Technologieführer sein.

STANDARD: Ist auch geplant, österreichische Inhalte zu produzieren?

Du Puy: Ja, wir haben Projekte in Planung. Es gibt bereits die Erklärserie "But What about?", sowie das wöchentliche Newsmagazin "Was geht?" mit der "Kleinen Zeitung", wir haben das Musikmagazin "AUX" und pilotieren weitere Projekte. Wir wollen außerdem unsere Koproduktionen vertiefen, auch mit österreichischen Produzenten und Sendern.

STANDARD: Können Sie beziffern, wie viel Geld Sie in den österreichischen Markt investieren werden?

Du Puy: Ich kann nur sagen, wir investieren drei Milliarden Euro für hauptsächlich europäischen Content, einschließlich Koproduktionen.

STANDARD: Sind auch Koproduktionen mit dem ORF angedacht?

Du Puy: Wir sprechen derzeit mit allen potenziellen Partnern, also ja, auch mit dem ORF.

STANDARD: Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe?

Du Puy: Ich sehe Menschen, die offen für Neues sind, die einen etwas ausgefalleneren Geschmack haben als den das Mainstream-Entertainment bietet. Und sie sind nicht ganz jung.

STANDARD: Wann hoffen Sie den Breakeven erreicht zu haben? 2028?

Du Puy: Nein, wir glauben nicht, dass es so schnell gehen wird. Sehen Sie sich an, wie lange Netflix gebraucht hat, um in die Gewinnzone zu kommen. Unser Vorteil ist, dass wir nicht nur das Abogeschäftsmodell, sondern auch das Content-Produktionsgeschäft und einen Sender haben. Und auch wir profitieren vom derzeitigen Serienboom. (Doris Priesching, 5.5.2022)