Der Landtagspräsident begann die Sitzung mit einem Hinweis: Es handle sich nicht um den ersten Sonderlandtag. Ende der 90er habe es bereits eine Sondersitzung zu einer Autobahnraststätte gegeben.

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Nach dreieinhalb Stunden trat mit Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) jener Mann ans Rednerpult, dessen Äußerungen beim Sonderlandtag zur Causa Wirtschaftsbund wohl am sehnlichsten erwartet worden waren. Die Rücktrittsforderungen gegen ihn ließ er nicht gelten und sprach in dem Zusammenhang von Diffamierungen. "Es ist nicht mein Stil, mich auf diese Weise zu bewegen. Wenn man auf diese Weise einen Landeshauptmann nach zehn Jahren aus dem Amt schießen will, dann sage ich: Nicht mit mir."

Wallner: "Als wäre ich der Buchhalter der Nation"

Natürlich gebe es Klärungsbedarf, "vielleicht auch Erklärungsbedarf", dem komme er gerne nach, das habe er auch schon in den letzten zehn Jahren so gehalten, sagte Wallner am Montag im Bregenzer Landhaus. Einerseits gehe es um die Steuerfrage. Von der Opposition werde er für jede einzelne Buchung bei einer Teilorganisation verantwortlich gemacht. "Als wäre ich der Buchhalter der Nation." Die Finanzprüfer hätten korrekt gehandelt und ihm keine Frage zum Wirtschaftsbund gestellt, weil er auch nicht der Verantwortliche sei und in den Akten nicht vorkomme. "Wenn etwas nicht gepasst hat, dann ist die Steuer nachzuzahlen – inklusive Strafe."

Mit internen Abläufen und Zuständen, die offenbar im Wirtschaftsbund vorgeherrscht haben, sei er "natürlich nicht zufrieden. Aber da ist nichts von mir unterschrieben. Da ist nichts von mir angeschafft worden. Und da ist nichts von mir entschieden worden." Vom Darlehen an den ehemaligen Direktor habe er beispielsweise aus der Zeitung erfahren. "Ich hätte das so nicht gemacht. Ich hätte meine Unterschrift da nicht drunter gesetzt." Der Wirtschaftsbund allgemein solle nun aber nicht verteufelt werden. Das gelte im Übrigen auch für die Wirtschaftskammer.

Wallner als "Meister der Rhetorik"

Durchschnittlich seien jährlich 80.000 Euro vom Wirtschaftsbund an die ÖVP gegangen, sagte Wallner. Das habe sich auch mit einem höheren Inseratenvolumen ab 2018 nicht geändert. Wenn man das in Zukunft nicht mehr wolle, könne man darüber diskutieren, so der Landeshauptmann. Aber dann wolle er auch wissen, wie andere Landesparteien von ihren Bundesparteien unterstützt würden, das sei dann auch nicht mehr möglich. Warum die Finanz von insgesamt 600.000 Euro mehr an Unterstützung durch den Wirtschaftsbund ausgeht, kommentierte Wallner nicht. Ihm würde der Steuerakt schließlich nicht vorliegen, und die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen.

Wallner – für FPÖ-Chef Christof Bitschi "ein Meister der Rhetorik" – führte auf die konkrete Frage von Neos-Klubobfrau Sabine Scheffknecht, ob er jemals dabei war, als im Zuge von Betriebsbesuchen für Inserate im Wirtschaftsbund-Magazin geworben und dafür Gegenleistungen in Aussicht gestellt wurden, zunächst aus, wie Betriebsbesuche mit ihm generell ablaufen würden. Scheffknecht hakte nach, Wallner trat nicht mehr ans Rednerpult. Darüber, dass sowohl die Klubobfrau der SPÖ, Manuela Auer, als auch Scheffknecht angaben, dass sie Wallner die kolportierten Korruptionsvorwürfe nicht zutrauen würden, freute sich der Landeshauptmann. Ansonsten übte die Opposition aber geschlossen scharfe Kritik am "System ÖVP".

"Ich sage es in aller Offenheit: Solche Machenschaften, auch wenn sie kleingeredet werden, wollen wir nicht", sagte FPÖ-Chef Christof Bitschi, der erste Redner des Tages. Er fasste die Vorwürfe zusammen. Jeder einzelne wiege schwer genug für einen Rücktritt, meint er. Bitschi ging auch darauf ein, was Wallner bislang zu den Vorwürfen zu sagen hatte. Nachdem bekannt geworden war, dass der Wirtschaftsbund wohl zu wenig Steuern bezahlt hatte, sagte der ÖVP-Obmann nämlich, wenn tatsächlich zu wenig Steuern bezahlt worden seien, dann nur, weil man es nicht besser gewusst habe. "Wenn man mit so einer Argumentation durchkommt, dann rate ich jedem Bürger, keine Steuern mehr zu zahlen, und wenn die Finanz kommt, zu sagen, man habe es halt nicht besser gewusst", sagt Bitschi.

"Markus, ich schätze dich"

SPÖ-Klubobfrau Manuela Auer führte ins Treffen, dass eine Querfinanzierung der ÖVP über die Wirtschaftsbund-Inserate schon des Öfteren Thema in Anfragen und Anträgen der Opposition gewesen sei. Und auch Bernhard Weber von den Grünen zählte die Anfragen auf. Auer dazu: "Wir allein mit all unseren Anfragen und Anträgen hatten nicht die Möglichkeiten, dieses System aufzubrechen." Einerseits hätte nun geholfen, dass Medien hingeschaut hätten. "Und dass die Finanz aufgrund dieser Berichterstattung begonnen hat zu prüfen", sagte Auer. Auch der U-Ausschuss, der wichtige Akten bekam, sei ein wichtiger Grund. "Wir hätten es allein nie geschafft."

Neos-Chefin Scheffknecht schloss mit einem Appell: "Markus, du weißt, ich schätze dich als Menschen." Aber als guter Chef müsse man in so einer Situation die Konsequenzen ziehen und Platz machen – auch für wichtige Weichenstellungen für eine transparentere Zukunft.

Welche Vorwürfe es gibt

Die Sitzung begann ruhig: Eine halbe Stunde lang war es während der Reden der Opposition beim Sonderlandtag zur Causa Wirtschaftsbund mucksmäuschenstill, dann riss in der ÖVP wohl der Geduldsfaden – und es kam zu Zwischenrufen. Während der Rede von Neos-Klubobfrau Scheffknecht unterhielt sich Landeshauptmann Wallner, was Scheffknecht dazu brachte, fehlendes Zuhören seinerseits zu kritisieren. Der Landtagspräsident war anderer Meinung: "Wir sind hier nicht in einer Schulklasse", es gebe die Möglichkeit für Zwischenrufe und Zwiegespräche. Der Kommentar des Chefredakteurs der "Vorarlberger Nachrichten" auf Twitter: "Jede Schulklasse ist besser." Die Stimmung nach gut einer Dreiviertelstunde im Bregenzer Landhaus: hitzig.

Das Thema ist klar: die Vorgänge im Vorarlberger Wirtschaftsbund – einerseits nicht bezahlte Steuern, andererseits Millioneneinnahmen über Inserate, die auch von landeseigenen Unternehmen, der Wirtschaftskammer und der Landesregierung selbst kamen und teilweise durch Druck vonseiten des Wirtschaftsbunds eingetrieben wurde, intransparente Zahlungen an die Mutterpartei ÖVP, aber auch Selbstbedienung der ehemaligen Direktoren des Wirtschaftsbunds und eine bestenfalls schlampige Buchhaltung. Die schwerwiegendsten Vorwürfe betreffen den Landeshauptmann selbst. Ein Manager gab in einer eidesstattlichen Erklärung an, Wallner habe selbst für Inserate im Wirtschaftsbund-Magazin geworben und ein Entgegenkommen des Landes in Aussicht gestellt.

Wer im Akt der Finanzprüfer schon vorkommt, ist Wirtschaftslandesrat Marco Tittler (ÖVP). An ihn gingen – wie an den interimistischen Obmann des Wirtschaftsbunds Karlheinz Rüdisser – Gelder des Wirtschaftsbunds, dokumentiert sind konkret 1000 Euro für "diverses". Tittler zufolge sei damit unter anderem Kaffee, aber auch Jause in seinem Büro bezahlt worden. Das sei auch bei seinem Vorgänger Rüdisser so gehandhabt worden. Tittler bestätigt damit freimütig, dass Gelder vom Wirtschaftsbund in den ÖVP-Teil der Landesregierung flossen.

Was die Opposition will

Die Opposition forderte in dem bereits am 4. April beantragten Sonderlandtag deswegen per Antrag erweiterte Kontrollrechte für den Landesrechnungshof – diesem Wunsch wurde auch zugestimmt. Der Rechnungshof soll in Zukunft auch Teilorganisationen wie den Wirtschaftsbund prüfen dürfen und mehr Personal bekommen. ÖVP und Grüne dürften dem am Montag zustimmen. Eingebracht wurde von der Opposition außerdem ein Misstrauensantrag gegen Landeshauptmann Wallner. Abgestimmt wird über diesen aber erst am 11. Mai. Die ÖVP signalisierte außerdem Unterstützung, was einen möglichen Untersuchungsausschuss betrifft.

Ansonsten zeigte sich die ÖVP allerdings in vielen Punkten angriffslustig bis beleidigt. Nach einer Stunde kam der erste ÖVP-Vertreter, Klubobmann Roland Frühstück, zu Wort. Aus seiner Sicht sei "verbal gespuckt, gekratzt und gehetzt" worden, dennoch habe es nur zwei Zwischenrufe gegeben. In der ganzen Debatte werde offenbar auf den Rechtsstaat vergessen, glaubt Frühstück, der auch zu einer Medienschelte ausholte und von "sensationsgeilen Medien" sprach. Anonyme Briefschreiber würden nicht nur zitiert, sondern auch noch gelobt. Gleichzeitig sei "kein einziges Verfahren abgeschlossen". Man wolle nur die ÖVP schwächen, sagt Frühstück, der selbst Wirtschaftsbund-Mitglied ist.

Frühstück grenzte betont ab: Der Wirtschaftsbund sei ein Verein, der sei Teilorganisation der Landespartei. "Es gibt eigene gewählte Gremien und einen Geschäftsführer." Die handelnden Personen seien von ihren Funktionen zurückgetreten – und am Ende soll der Landeshauptmann für alles verantwortlich sein? Auch dass der neue interimistische Obmann kritisiert wird – Scheffknecht meinte, Karlheinz Rüdisser sei Teil des Systems und könne deswegen gar nicht aufräumen –, sieht Frühstück, aber auch viele andere Parteikollegen, als Frechheit.

Frühstück glaubt nicht, dass Druck ausgeübt wurde

Ob wirklich jemand glaube, dass Unternehmer Angst vor dem Wirtschaftsbund oder der ÖVP haben müssten, fragte Frühstück in Richtung von Neos-Abgeordnetem Gerald Loacker, der als Zuhörer an der Sitzung teilnahm. "Sie beleidigen die Intelligenz unserer Unternehmer." Tischler Michael Stadler hatte vor einigen Wochen ja vom Druck aus dem Wirtschaftsbund, zu inserieren, gesprochen. Die ÖVP halte sich zu 100 Prozent an geltendes Recht. "Gestern, heute und morgen."

Apropos Intelligenz. ÖVP-Abgeordnete Monika Vonier, ebenfalls Wirtschaftsbund-Mitglied, führte bezüglich der Vorwürfe gegen Wallner ins Treffen, warum diese nur falsch sein könnten: Ein intelligenter Mensch würde so etwas nie aussprechen. Und Wallner sei intelligent.

Das öffentliche Interesse an der Sondersitzung war hoch. Der Stream auf der Website des Landtages habe zwischenzeitlich bei einigen Zusehern nicht funktioniert, da die Zugriffe so zahlreich wie noch nie seien. An der Behebung wurde allerdings rasch gearbeitet. (Lara Hagen, 25.4.2022)