Wer zum ersten Mal in Eisenstadt am Oberberg steht und auf den Bus in Richtung Wien wartet, tut dies für gewöhnlich mit dem Rücken zur Straße. Der Grund dafür ist das ehemalige Haydn-Kino. Aber das weiß zu dem Zeitpunkt meist keiner. Denn die letzte Fassade, die das Haus zeigt, ist die einer Cocktailbar. Sogar die Fassade der Cocktailbar schlechthin. Denn als Logo diente ihr der Schriftzug des gleichnamigen Films. Inzwischen hat der Zahn der Zeit sich schon ein paar der Neobuchstaben abgebissen. Doch gerade das macht den Charme des Hauses aus. Und die uralten Plakate in den Auslagen, die bis vor kurzem noch zahlreicher hingen als dieser Tage. Wie es einst im Haydn-Kino war, daran können sich nur mehr wenige erinnern. Es schloss in den 1980er-Jahren. Wie es im "Cocktail" war, daran kann sich auch kaum jemand erinnern, zumindest offiziell.
Sehr wohl erinnern wir uns aber daran, dass Bürgermeister Thomas Steiner (ÖVP) 2016 ein Hollywood Megaplex in der Innenstadt errichten wollte – aber 2018 an den Gegnern des Projektes gescheitert ist. Das einstige Stadtkino hatte damals schon sieben Jahre lang geschlossen. Inzwischen gibt es nur noch ein Wanderkino. Doch das wird sich in den nächsten Jahren ändern. Um 390.000 Euro kauft die Stadt das denkmalgeschützte Gebäude und wird es als Kino und Kulturstätte wiederbeleben. Spätestens 2025 soll das Haydn-Kino wieder im Betrieb sein. Dann feiert Eisenstadt die ersten 100 Jahre als Hauptstadt. Geht sich die Eröffnung schon 2024 aus, würde das auch gut passen, weil das wäre dann das 100-jährige Jubiläum des Kinos. Und in dieser Aufzählung schweift Thomas Steiner in seiner Begeisterung sogar kurz ab.
Der historische Stau
Er erzählt davon, was er in den Archiven fand, wie das damals war, vor rund 100 Jahren, als man auf der Suche war, welche Stadt denn die geeignete Hauptstadt des Burgenlandes sei. Und so geschah es, dass der Tross aus Wien über den Oberberg nach Eisenstadt kam. Dort wurde gerade das Haydn-Kino errichtet, und so gab es dort einen Stau, der nur einer Metropole würdig sei. Man bedenke, dass der erste Abschnitt der Südosttangente erst 1970 eröffnet wurde und selbst die Wiener erst Jahre später draufkommen sollten, was wirklich ein Stau ist. Jedenfalls, Eisenstadt wurde Hauptstadt, die Baustelle zu einem stattlichen Kino mit 450 Sitzplätzen, und der Stau war vermutlich der letzte große, den der Oberberg sah.
Seit Jahren arbeitet man in Eisenstadt nämlich daran, den Oberberg und den Unterberg, die eigentlich nur wenige Schritte vom Schloss Esterhazy, auf der anderen Seite des Hauptplatzes liegen, touristisch zu beleben. Mit dem neuen Kino könnte das gelingen. Schaden wird es jedenfalls nicht. Bis es aber so weit ist, ist noch einiges zu erledigen.
Zwar sind die Vertragsverhandlungen mit dem Verkäufer und Unternehmer Michael Züger abgeschlossen – er dachte ursprünglich an, das Erdgeschoss mit dem Kino an die Stadt zu vermieten und in den oberen Stockwerken Wohnungen zu errichten, kam dann aber von der Idee ab –, doch der Kauf wird erst in der kommenden Sitzung des Stadtsenats beschlossen. Danach können die Renovierungsarbeiten an dem Haus mit fast 500 Quadratmeter Nutzungsfläche in drei Etagen beginnen. "Wenn man das Gebäude betritt, spürt man sofort, dass man in einem ganz besonderen Haus ist", sagt Thomas Steiner. "Es herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Das wollen und das werden wir erhalten."
Eines der ältesten Kinos Österreichs
Unterstützung bekommt er vom Bundesdenkmalamt, wie Peter Adam zusichert: "Ich bin dankbar, dass sich die Stadt Eisenstadt nun beim Haydn-Kino engagiert und wir das Gebäude gemeinsam wieder erstrahlen lassen können. Das Kino gehört zu den ältesten und ist eines der wenigen mit einem Saal im Theatertypus." Nicht zuletzt deswegen eignet es sich auch als Bühne für Kunst, Konzerte oder Kabarett. Die genaue Nutzung wird noch konzeptioniert, aber die Idee mit dem Kino-Theater ist fix, in den oberen Geschoßen könnte ein Stadtarchiv Platz finden.
Mit einem Quadratmeterpreis von 1.500 bis 2.000 Euro müsse man bei der Renovierung eines solchen Hauses schon rechnen, gibt der Bürgermeister an, und er macht sich auch nicht die Illusion, dass sich die Kulturstätte selbst komplett finanzieren wird. "Wir legen den Fokus darauf, etwas zu schaffen, das der Bevölkerung nutzt", sagt er, bevor er, wie zur Rechtfertigung, beginnt, einen Kassasturz seiner Amtszeit zu machen. Auf Unterstützung hofft er dennoch, nicht nur vom Bundesdenkmalamt, sondern auch auf die vom Land.
Die dramatische Wendung
Wie üppig die ausfallen wird, kann man sich nach den Querelen um die Finanzierung des Hallenbades ausrechnen. Da hat das rote Land ja schon lieber in Neusiedl am See als in Eisenstadt investiert. Und ein Kino in Eisenstadt ist ja nun doch wieder in erster Linie ein Herzenswunsch des schwarzen Bürgermeisters und nicht des roten Landeshauptmannes. Aber beschlossen ist diesbezüglich ja noch nichts. Vielleicht gibt es ja, wie im Film, noch die eine oder andere unerwartete Wendung. (Guido Gluschitsch, 26.4.2022)