Blut ist begehrt: Über 300.000 Spenden sammelte das Rote Kreuz im Jahr 2021 ein, es wird unter anderem an Spitäler verkauft. Gegen eine Lockerung der Spenderliste sperrte sich das Rote Kreuz bislang.

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Wie viele grüne Gesundheitsminister braucht es, um das Blutspendeverbot zu Fall zu bringen, will die Junge Volkspartei auf Instagram wissen. Die freche Antwort: "Eine Jugendstaatsekretärin." Damit gemeint ist Claudia Plakolm. Die türkise Politikerin entfachte erst unlängst wieder eine Debatte über ein seit Jahren schwelendes Thema, nachdem drei ihrer acht Mitarbeiter von der Blutspende ausgeschlossen worden waren – womöglich aufgrund ihrer sexuellen Orientierung.

Bis heute ist es nämlich so, dass homo- und bisexuelle Männer wegen hoher Auflagen praktisch vom Blutspenden ausgenommen sind. Zur Überraschung des grünen Gesundheitsministers Johannes Rauch war es aber die ÖVP, die über den Boulevard nun auf ein Ende der Diskriminierung drängte, obwohl sie ein solches bis zuletzt vehement blockierte. Und jetzt verbucht auch noch der türkise Nachwuchs die geplante Reform recht provokant als eigenen Erfolg. In grünen Reihen nimmt man es sportlich und ist vor allem froh darüber, dass beim eigenen Leibthema etwas weitergeht.

Promiskuität unterstellt

Doch wo genau liegt also diese Diskriminierung, die man nun abschaffen will? Ein Mann, der mit einem anderen Mann geschlafen hat, darf generell nach diesem Sexualkontakt zwölf Monate lang nicht Blut spenden, selbst wenn er mit diesem Mann eine monogame Beziehung führt oder es der einzige Mann war, mit dem er in diesem Zeitraum Sex hatte. Zum Vergleich: Ebenfalls ein Jahr gesperrt ist eine Person, die innerhalb eines Jahres mit mehr als drei verschiedenen Personen Sex hatte. Wenn eine Person mit einer HIV-infizierten Person Sex hatte, ist sie nur vier Monate lang gesperrt.

In den türkis-grünen Verhandlungen scheint man sich nun darauf geeinigt zu haben, künftig das Risikoverhalten in den Vordergrund zu rücken. Soll heißen: Für alle, die mehr als drei Sexualpartnerinnen oder Sexualpartner im Jahr hatten, wird die Frist beim Blutspenden auf vier Monate verkürzt – unabhängig von der sexuellen Orientierung. Das Gesprächsergebnis wollen die Koalitionspartner aber noch von der Blutkommission absegnen lassen.

Darin sitzen Ärzte und Pharmavertreter, aber auch das Rote Kreuz, das einer Lockerung beim Blutspenden skeptisch gegenübersteht. Und das darauf pocht, dass der Bund eine Haftungsübernahme in die Verordnung schreibt, falls etwas schiefgehen sollte.

Das Rote Kreuz hat die Hand auf dem Blutmarkt: Es sammelt zirka 95 Prozent des österreichischen Spenderbluts ein – betont aber gleichzeitig: "Es gibt kein Monopol, es gibt dutzende Anbieter." Verkauft wird es dann etwa an Spitäler – um etwa 160 Euro pro Konserve. Damit mache man keinen Gewinn, betont man. Plasma verkaufe man als Nebenprodukt auch an die Pharmaindustrie, damit könne man den Preis "stützen".

"Wissenschaftlich nicht haltbar"

Und hergeben wollen man eben nur sicheres Blut, so werden die Wartefristen argumentiert. Nur: Dass schwule Männer – ganz unabhängig von ihrem Risikoverhalten – da derart lange warten müssen, sei "wissenschaftlich nicht haltbar", argumentieren Experten, darunter etwa Frank Michael Amort von der FH Johanneum, der dazu 2020 schon im Parlament sprach.

In einem Überblickspapier, dass das Rote Kreuz dem STANDARD schickt, heißt es: "Bezüglich der HIV-Neuinfektionen nimmt die Gruppe der MSM (Männer, die mit Männern schlafen, Anm.) mit 61,5 Prozent weiterhin den größten Anteil ein, gefolgt von männlichen und weiblichen Heterosexuellen (25 Prozent)." Da heißt es aber auch: Der Trend gehe bei homosexuellen Männern zurück und bei heterosexuellen Männern hinauf.

Abgesehen davon wird aber jede Blutspende in Österreich ohnehin auf HIV untersucht, und zwar mit einem NAT-Test, der ähnlich wie ein Corona-PCR-Test funktioniert und eine HIV-Infektion schon nach elf Tagen finden kann, wie auf Nachfrage ein Mitglied der Blutkommission dem STANDARD bestätigt. Vom Roten Kreuz heißt es dazu: Die Wartezeit auf das Ergebnis könne auch länger sein, die Rückstellungsfrist müsse ein Vielfaches sein.

Volksanwaltschaft prüft

Diskriminierung sieht in alledem auch die Volksanwaltschaft. Da laufen momentan gleich zwei Verfahren zu dem Thema. Eines ist bereits abgeschlossen, angestoßen hatte es der SPÖ-Abgeordnete Mario Lindner. Ein "genereller Ausschluss homosexueller Männer, und sei er auch nur befristet", sei diskriminierend, schloss Volksanwalt Bernhard Achitz, nachdem er den Fall prüfte. Homosexuellen Männern werde mit der Regelung "per se ein polygames Sexualverhalten unterstellt".

Das zweite Verfahren betrifft eine andere, bisher weniger diskutierte Schlechterstellung: die von transidenten Personen. Diesen wird unabhängig etwa von kürzlich zurückliegenden Operationen das Blutspenden komplett verwehrt. Auch dazu gingen Beschwerden bei der Volksanwaltschaft ein, sie laufen noch. Ex-Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) habe jedenfalls noch im vergangenen Februar zugesichert, "dass das Thema Umgang mit transidenten Personen im Blutspendewesen in das Arbeitsprogramm der Blutkommission aufgenommen wurde", heißt es von der Volksanwaltschaft. Valide Daten, dass Transpersonen ein erhöhtes HIV-Risiko haben, gibt es nicht – das geht auch aus dem Überblickspapier des Roten Kreuzes hervor.

Ob auch diese Ungleichbehandlung in der neuen Blutspendeverordnung abgeschafft wird, ist noch offen. Geeinigt hat man sich momentan nur darauf, dass die sexuelle Orientierung keine Rolle mehr spielen solle – von Geschlechtsidentitäten war bislang keine Rede. Die SPÖ kündigte am Dienstag an, genau das mit einem Entschließungsantrag sicherstellen zu wollen, den werde man am Mittwoch im Nationalrat einbringen. (Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 26.4.2022)