Der Prozess fand im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts für Strafsachen statt.

Foto: Robert Newald

"Das ist eine Verhandlung und keine politische Veranstaltung", mahnte Richterin Sonja Weis am Montag in Richtung der zahlreichen linken Aktivistinnen und Aktivisten, die sich im großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts eingefunden hatten. Die Vorwürfe, um die es in dem Prozess geht, stehen aber jedenfalls in einem politischen Kontext. Sieben Beschuldigten – Antifaschisten, wie sie selbst in Statements betonten – wird vorgeworfen, im Sommer 2020 mehrmals Mitglieder der rechtsextremen Identitären tätlich angegriffen zu haben. Alle Beschuldigten bekannten sich "nicht schuldig".

In dem Prozess geht es um drei Vorfälle. Am 7. März 2020 sollen fünf Beschuldigte eine Gruppe von Identitären – darunter Frontmann Martin Sellner – auf dem Weg zu einer Kundgebung am Karlsplatz gewaltsam angegriffen und ihnen einen Lautsprecher entwendet haben. Laut Verteidigung soll einer der Identitären ein Springermesser dabei gehabt haben. Die im Prozess befragten Polizisten, die die den Tumult am Karlsplatz auflösten, gaben an, kein Messer gesehen zu haben.

Im Mai desselben Jahres soll dann einer der Angeklagten im ersten Bezirk gemeinsam mit drei unbekannten Tätern erneut vier Identitäre angegriffen haben. Auf einer Glasflasche, die geworfen worden sein soll, fand man später seine DNA. Da es sich um eine "Mischspur" handelte, beantragte die Verteidigung ein Gutachten, um zu klären, ob auch noch andere DNA-Spuren auf der Flasche waren.

Schließlich sollen am 19. August drei Beschuldigte und mehrere unbekannte Täter vier Identitäre auf dem Weg in ihr Stammlokal angegriffen haben.

Mafiaparagraf

Der erste Teil des Prozesses war rasch erledigt. Die Staatsanwältin hielt sich beim Vortragen der Vorwürfe kurz und bündig. Im Raum stehen Sprengung einer Versammlung, teils schwere Körperverletzung sowie bei einem Beschuldigten der Besitz eines Schlagstocks trotz aufrechtem Waffenverbot.

Die Verteidiger hoben in ihren Eingangsstatements das aus ihrer Sicht "völlig überzogene Ermittlungsverfahren" hervor. Das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) hat nämlich auch nach Paragraf 278 Strafgesetzbuch ermittelt – also Bildung einer kriminellen Vereinigung. Zur Anklage kam dieser Vorwurf dann allerdings nicht. Für Verteidiger Matej Zenz ein Indiz, dass der "Mafiaparagraf" nur bemüht wurde, um weitreichendere Ermittlungen führen zu können. "Eine kriminelle Vereinigung ist das jedenfalls nicht", so Zenz in Bezug auf seine Mandanten.

Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt

Im August 2020 wurden einige der Beschuldigten observiert und auch eine Hausdurchsuchung durchgeführt. "Wissen Sie, was noch im August 2020 war? Ausländische Geheimdienste haben Hinweise geliefert, dass der Attentäter von Wien versucht hat, Munition zu kaufen", konnte sich Zenz einen Seitenhieb auf den Verfassungsschutz nicht verkneifen. Das LVT hatte Ermittlungsfehler nach dem Anschlag im November 2020 nämlich mit fehlenden Ressourcen erklärt. Im aktuell verhandelten Fall hätten sich die Identitären lediglich "ein paar Watschen" eingefangen. "Auf jedem Zeltfest geht es wilder zu", so Zenz.

Die Beschuldigten verweigerten im weiteren Verlauf allesamt die Aussage. Lediglich politische Statements wurden verlesen. Am Nachmittag wurden Polizisten und ermittelnde Verfassungsschützer einvernommen. Zur Kritik der überbordenden Ermittlungen nahmen sie keine Stellung. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Dann werden die rechtsextremen Opfer der vermeintlichen Angriffe – auch Anführer Martin Sellner – als Zeugen einvernommen. Wegen des von der Verteidigung beantragten Gutachtens zu den DNA-Spuren auf der Glasflasche wurde am Montag auch gleich ein dritter Prozesstag für den 27. Juni vereinbart. (Johannes Pucher, 25.4.2022)