Neben dem Riesenrad gilt auch die Disco Praterdome als Attraktion des Wiener Vergnügungsareals. Für einen 26-Jährigen endete ein Besuch in Letzterem im November allerdings im Krankenhaus.

Foto: Robert Newald

Wien – Die "Inszenierung des Augenblicks" erlebe man dort, lautet das Versprechen auf der Homepage der Wiener Großdisco Praterdome. Als Dresscode wird "Dress to impress!" vorgegeben, sonst könne man sich vom "imposanten und exklusiven Ambiente" nicht "verzaubern" lassen. Für den 26-jährigen Herrn W. endete der Besuch in den frühen Morgenstunden des 14. Novembers nicht so zauberhaft, er erlitt bei einer Auseinandersetzung einen Jochbein- und Oberkieferbruch. Daher sitzt nun der ebenso 26 Jahre alte Herr N. mit einer Anklage wegen schwerer Körperverletzung vor Richterin Claudia Zöllner.

Der unbescholtene Angestellte gibt zwar zu, seinem Kontrahenten einen Faustschlag ins Gesicht verpasst zu haben, bekennt sich aber dennoch nicht schuldig. "Es tut mir ehrlich leid, dass es solche Folgen hatte, aber ich wollte mich und meine Freundin verteidigen", beruft er sich auf Notwehr.

Am fraglichen Abend hätten er, seine Partnerin und zwei Freunde eine Lounge in dem Lokal reserviert gehabt. "Wir sind von der Tanzfläche zurückgekommen, da saßen zwei Damen und Herr W. auf unserem Tisch. Meine Freundin hat sich neben eine der Damen gesetzt und wollte die Situation klären. Sie war freundlich, die andere hat mit 'Schleichts eich!' reagiert", behauptet der Angeklagte.

Hilfe vom Kellner erhofft

Herr W. sei dann aufgestanden und habe sich vor seine Freundin gestellt, während N. zur Bar eilen wollte, um Hilfe beim Kellner zu holen. "Ich habe mich noch einmal umgedreht und gesehen, dass W. meiner Freundin einen Schubser gegeben und ihr an den Hals gegriffen hat", erklärt der Stecktuchträger, dem eine schuldenfreie Eigentumswohnung in einem Wiener Nobelbezirk gehört.

Er sei also zurückgekommen, habe W. am Arm von seiner Freundin weggezogen, als dieser seinen Arm hob. "Ich bin davon ausgegangen, dass er mich schlagen will und habe im Reflex zugeschlagen." Dann sei die Security gekommen und habe ihn weggebracht.

"Ich habe hier einen Amtsvermerk von der Polizei, wonach sie unmittelbar danach gesagt haben, Herr W. habe ihre Freundin geschlagen, woraufhin auch sie zugeschlagen hätte und dass niemand versucht habe, Sie anzugreifen", hält die Richterin dem Angeklagten vor. "Das müssen sie falsch verstanden haben, ich habe gesagt, W. sei meine Freundin angegangen", beteuert N. ruhig. "Die Securities haben auch ausgesagt, Sie seien danach 'unkooperativ' und 'streitsüchtig' gewesen. Wie kommen die dazu?", interessiert Zöllner auch. "Meine Jacke war noch in der Lounge, außerdem musste ich noch zahlen, das habe ich denen erklärt", sagt N. dazu.

Partnerin wurde in Finger gebissen

Seine Freundin bestätigt als Zeugin seine Aussage und ergänzt noch, dass sie nach der Entfernung der Männer von W.s beiden Begleiterinnen noch geschlagen und von einer in den Finger gebissen worden sei. Warum auch sie von den Sicherheitsleuten als "unkooperativ" beschrieben wird, ist ihr schleierhaft: "Ich habe danach nur noch geweint, einer der Securities hat sich sehr nett um mich gekümmert."

Der Verletzte erzählt eine völlig andere Geschichte. "Wir haben gewusst, dass die Loge reserviert war", verrät er. Als N.s Freundin kam, habe die sich "ein bissl aufgeregt", meint er. "Ich bin selbst in der Gastro tätig und weiß, dass sowas schnell eskalieren kann. Ich bin zu der Frau hin, wollte die Situation klären und sagen, dass wir gehen. Sie hat sich noch mehr aufgespielt, dann bekam ich einen Schlag auf die linke Seite."

Er habe zunächst gar nicht realisiert, dass N. der Angreifer gewesen sei, beteuert W., er habe ihn erst danach richtig wahrgenommen. "Kann es sein, dass Sie die Freundin vorher irgendwie berührt haben?", will die Richterin wissen. "Ich glaube nicht. Nein, das ist hundertprozentig nicht passiert", gibt W. eine ziemlich ambivalente Antwort, die auch Zöllner auffällt. "Nein, das ist sicher nicht passiert", wiederholt der Zeuge auf Nachfrage.

20.000 Euro Schmerzengeldforderung

Zwei Wochen sei er im Krankenstand gewesen, vom Angeklagten will W. dafür "20.000 bis 35.000 Euro" Schmerzengeld. "Das ist ein bisschen viel", klärt die Richterin ihn auf. "Ich möchte Ihnen nichts in den Mund legen und habe auch kein Gutachten, aber üblich sind 2.000 bis 3.000 Euro in so einem Fall." Dem Zeugen ist das egal, er schließt sich dem Verfahren letztendlich mit 20.000 Euro an.

Bei den Nachfragen von Verteidiger Wolfgang Berndt gerät der Zeuge dann aber ins Schwimmen. So zitiert Berndt aus einer schriftlichen Aussage einer seiner Begleiterinnen, wonach die zunächst zwischen ihm und N.s Freundin gestanden sei. Als der Angeklagte kam, seien sich beide von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden, als der Schlag fiel. Außerdem stellt sich heraus, dass W.s Begleiterinnen beide früher selbst im Praterdome beschäftigt waren und auch die Securities kannten. "Ich kann mich nicht erinnern, wie es genau war", sagt W. am Ende sicherheitshalber.

Der Zeuginnenauftritt seiner beiden weiblichen Bekannten macht die Sache noch komplizierter. "Die Frau ist hergekommen und hat sich fast auf mich draufgesetzt", behauptet die erste. "Was wollte Sie?", fragt die Richterin. "Ich weiß nicht, stänkern?" sagt die 29-Jährige, die deutlich größer als die Partnerin des Angeklagten ist. Der ihr bekannte Kellner habe dem Angeklagten angeblich gesagt, dass er sich auch woanders hinsetzen könne, will die Zeugin nichts von einer Reservierung gewusst haben.

Verwirrende Stellungsspiele

Als sie gestanden sei, habe W. sich vor sie gestellt, um sie vor N. zu schützen, liefert sie eine völlig neue Version. Es habe aber keinerlei Streit gegeben, als aus dem Nichts der Schlag gefallen sei, versichert sie zum Misstrauen Zöllners. Die zweite Dame wiederum behauptet, der Kellner habe ihrer Gruppe erlaubt, sich auf den umkämpften Tisch zu setzen und widerholt ihre Stellungnahme, dass sie zwischen W. und der Freundin des Angeklagten gestanden sei. "Diese Stellungsspiele sind etwas verwirrend", gibt Zöllner zu.

Daher spricht sie N. am Ende rechtskräftig frei. "Ich habe Zweifel an der Geschichte, und das ist für einen Angeklagten immer gut", begründet sie ihre Entscheidung. "Ich habe Probleme mit der Glaubwürdigkeit der anderen Gruppe", erklärt sie auch. Und: "Herr W. war nicht der große Beruhiger", ist sie überzeugt und verweist den Verletzten mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg. (Michael Möseneder, 26.4.2022)