In Kuhdung stecken wertvolle Nährstoffe, die seit jeher zur Düngung in der Agrarwirtschaft genutzt werden. Unliebsame Nebeneffekte dieser Methode sollen nun ausgemerzt werden.

Foto: Imago / Meike Engels

Mit der warmen Jahreszeit beginnt es im ländlichen Raum häufig wieder intensiv zu riechen: Die Landwirtinnen und Landwirte sind unterwegs, um ihre Felder zu düngen, was sie oft mit Gülle tun, einer wässrigen Mischung aus dem Urin und dem Kot ihrer Nutztiere. Die Fäkalien enthalten nämlich jede Menge Stickstoff, und den brauchen die Pflanzen für ihr Wachstum.

Stickstoff liegt in der Jauche als Ammonium (NH4+) vor, entwickelt sich an der Luft aber zu Ammoniak, chemisch NH3. Das Gas riecht nicht nur stechend, sondern ist auch ein Umweltgift: Nach Stunden bis Tagen wandelt es sich nämlich in Ammoniumsalze um, die als Feinstaub weit verfrachtet werden können, ehe sie mit dem Regen zu Boden gehen. Dabei können sie auf naturnahen Flächen für Überdüngung sorgen oder – bei hohen Konzentrationen – auch direkt giftig für Pflanzen sein.

Bodennah gedüngt

Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2016 schreibt deshalb vor, dass die Ammoniak-Emissionen ab 2030 im Vergleich zu 2005 um zwölf Prozent reduziert werden müssen. Da die Werte in der Zwischenzeit jedoch weiter gestiegen sind, ist mittlerweile eine tatsächliche Verringerung von 18 Prozent nötig. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt man vor allem darauf, den Kontakt der Gülle mit der Luft zu minimieren.

Deshalb soll die Jauche möglichst "bodennah" auf den Feldern ausgebracht werden. Das heißt, sie wird nicht wie bisher über eine rotierende Scheibe großflächig verspritzt, sondern mittels schwerer Maschinen knapp über dem Boden verteilt oder sogar direkt in den Boden eingebracht. Auf diese Weise kommt es einerseits zu deutlich weniger Ammoniak-Bildung, und andererseits behält die Gülle den für die Düngung erwünschten Stickstoff.

Diese Methode führt jedoch zu verstärkter Bodenverdichtung und ist für die Landwirte außerdem mit hohen Kosten für die Maschinen verbunden. Zudem funktioniert sie am besten auf weitgehend ebenen Flächen, ist also im Bergland nur bedingt einsetzbar.

An der Höheren Bundeslehranstalt (HBLA) für Landwirtschaft, Umwelt- und Ressourcenmanagement Ursprung und der Fachhochschule Salzburg Campus Kuchl verfolgt man deshalb einen anderen Ansatz zur Verringerung des Ammoniak-Ausstoßes, nämlich mittels verschiedener Zusätze. Wie viel von dem ungeliebten Gas die Gülle produziert, hängt nämlich von ihrem pH-Wert ab: Je niedriger er ist, also je saurer die Gülle, desto weniger Ammoniak gelangt in die Atmosphäre.

Die richtige Mischung

Der Biologe und Landwirt Konrad Steiner von der HBLA Ursprung experimentiert gemeinsam mit seinen Schülerinnen und Schülern seit rund acht Jahren mit diversen Beimengungen zur Gülle, um diese anzusäuern.

Dabei kamen Reste eines natürlichen Zellulose-Dämmstoffes ebenso zum Einsatz wie die Filtratreste der Salzburger Stiegl-Brauerei und in letzter Zeit Tannine aus Baumrinden – jeweils mit Erfolg: "Das funktioniert alles gut", erklärt Steiner. Seine neueste Idee ist jedoch ungleich eleganter, nämlich Abfallprodukte aus der Milchwirtschaft selbst dafür einzusetzen, die von der Milchwirtschaft verursachte Ammoniak-Entstehung zu reduzieren.

Eine echte Kreislaufwirtschaft. Die Gülle wird dabei entweder mit Sauermolke oder mit Spülmilch versetzt. Sauermolke fällt bei der Käseerzeugung an und ist – anders als die zu Getränken und Proteinpulver verarbeitete Süßmolke – so gut wie ungenießbar. Bei Spülmilch handelt es sich einfach um das spülmittelfreie Abwasser, das beim Reinigen der Rohrleitungen in Milchbetrieben anfällt.

Die Ergebnisse sind vielversprechend. Vor allem die Molke senkte den pH-Wert stark und reduzierte damit den Ammoniak-Ausstoß aus der Gülle um bis zu 70 Prozent. Die Spülmilch senkte den pH-Wert nicht ganz so deutlich, beschleunigte aber die Umwandlung des in der Gülle enthaltenen Harnstoffs in Ammonium, das von Pflanzen und Mikroorganismen aufgenommen werden kann. Und je mehr davon verbraucht wird, desto weniger gelangt als Ammoniak in die Atmosphäre.

Breite Ideenpalette

Wissenschaftlich begleitet wurde die HBLA Ursprung dabei von Thomas Sepperer vom Studiengang Holztechnologie & Holzwirtschaft der FH Salzburg Campus Kuchl, der auch schon an den Arbeiten zu den Tanninen beteiligt war. Wie hoch das Einsparungspotenzial für unerwünschte Gase bei Zusatz von Milchabfallprodukten genau ist, müssen größer und über längere Zeit angelegte Experimente klären, betont Sepperer, doch es sieht gut aus.

Die Milchwirtschaftsunternehmen Woerle und Pinzgau Milch sind jedenfalls sehr interessiert an dieser Forschung, und ein Salzburger Milch-Biobauer erprobt die Kreislaufwirtschaft der Milch bereits in der Praxis und ist laut Sepperer "sehr glücklich damit". "Für die Ammoniak-Senkung in Österreich braucht es eine breite Palette von Ideen", zeigt sich Steiner überzeugt und hofft, dass das Umweltbundesamt die Methode in der Zukunft als Alternative zur bodennahen Ausbringung anerkennt. (Susanne Strnadl, 29.4.2022)