Ein Ausstieg aus russischem Gas von heute auf morgen "ist nicht möglich". Vielleicht können wir uns bis 2027 lossagen, aber nur vielleicht. Sollte kein Gas mehr kommen, droht uns zusätzlich eine "sechsstellige" Zahl an neuen Arbeitslosen. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) sind in den vergangenen Tagen ausgezogen, um zu erklären, was alles in Bezug auf neue Russland-Sanktionen nicht möglich oder sehr schwierig ist. Die Warnungen mögen berechtigt sein. Wenn die türkis-grünen Regierungsvertreter über ein Energieembargo diskutieren, hört es sich dennoch an, als wäre Tag zwei des Angriffskrieges gegen die Ukraine, als sich alle in Schockstarre befanden.

Doch inzwischen sind zwei Monate vergangen, und trotzdem argumentieren die Koalitionäre oberflächlich – und oft ohne ihre Behauptungen zu belegen oder ausreichend zu erklären. Was soll es heißen, dass ein Gasembargo nicht möglich ist? Natürlich ist es das. Und die sechsstellige Zahl an Arbeitslosen? Die lassen sich vielleicht aus Analysen für Deutschland ableiten – für Österreich gibt es solche Schätzungen bisher nicht.
Das ist ein Versäumnis der Regierung, die sich schwertut damit, die Diskussion auf eine nachvollziehbare Ebene zu holen. Das ist ein Mitgrund dafür, dass die Diskussion über ein Energieembargo so oberflächlich verläuft. Das beginnt dort, wo ständig die beiden zentralen Ebenen vermischt werden. Zwei Fragen sind beim Embargo entscheidend: Ist es moralisch legitim, wenn wir weiter Öl und Gas von Putin beziehen – und was wollen wir mit einem Kaufstopp erreichen? Den moralischen Aspekt muss jeder selbst lösen, es gibt gute Argumente dafür, Putin nicht Woche für Woche hunderte Millionen zu überweisen, während seine Raketen ukrainische Städte treffen.
Analysen, Belege und Argumente
Das heißt noch nicht, dass ein Embargo ein schnelleres Ende des Krieges bringt oder Russland mehr schadet als uns. Hier bräuchte es Analysen, Belege und mehr Argumente als ein "Geht nicht". Das könnte so aussehen: Selbst der Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten, Alexander Rodnyansky, argumentiert im STANDARD, dass eine Abkoppelung Europas bei Gas zunächst nicht notwendig ist. Ein Embargo oder ein Einfuhrzoll bei Öl hätte mehr Wirkung, weil die Einnahmen aus Ölverkäufen für Russland wichtiger sind. Darüber müssen wir also reden. Daher ist es auch logisch, wenn eine Gruppe von 75 österreichischen Ökonominnen und Ökonomen die Regierung nun dazu auffordert, sich für ein Ölembargo einzusetzen.
Aber auch hier steht viel auf dem Spiel. Es ist richtig, dass Österreich weniger als zehn Prozent seines Erdöls aus Russland importiert und es hier im Gegensatz zu Gas andere Anbieter am Weltmarkt gibt. Aber ein Embargo würde die Preise nach oben treiben, also Haushalte und Unternehmen stark treffen. Was könnte die Regierung tun, um einen allzu großen Einbruch der Wirtschaft zu verhindern?
Dafür bräuchte es Antworten. Die Regierung hätte längst Folgenabschätzungen in Auftrag geben müssen, sollte das also nun tun: Wie viel Öl könnte Russland statt in Europa in China verkaufen, wie hoch wären die Verluste an Devisen für Wladimir Putin wirklich? Würde ein Embargo Russland hart treffen – was nicht gesichert ist – und wären die Kosten für uns bewältigbar, spricht alles dafür, diesen Schritt zu gehen. Aber dafür brauchen wir Fakten auf den Tisch. Und was Gas betrifft: Da braucht es dringend Pläne dazu, was wir tun werden, sollte uns Putin seinerseits den Hahn zudrehen. Denn auch das ist gut möglich. (András Szigetvari, 27.4.2022)