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Scheint die Sonne, produziert die Solaranlage mehr Energie, als man gerade verbrauchen kann – es gilt, den Überschuss intelligent zu teilen.

Foto: Getty Images / yangphoto

Elektrische Energie selbst erzeugen, speichern, verbrauchen oder verkaufen – all das ergibt viel mehr Sinn, wenn sich Haushalte, Abnehmerinnen und Abnehmer oder Anlagenbetreiberinnen und Anlagenbetreiber mit anderen zusammenschließen können.

Auf diesem Gedanken fußt die Idee von Energiegemeinschaften: Alle Beteiligten steuern, soweit vorhanden, ihre Produktions- und Speicherinfrastrukturen bei. Verbraucht werden zuerst jene Energiemengen, die innerhalb der Gemeinschaft verfügbar sind, erst danach wird von außen bezogen. Seit 2021 sind die rechtlichen Grundlagen für diese Organisationsform gegeben.

Geteilte Energie

Allerdings: In der Praxis stehen ihre Nutzerinnen und Nutzer – oder die, die es werden wollen – noch vor einigen organisatorischen und technischen Hürden: Immerhin sollte es eine automatische Abrechnung geben, die das Teilen von Überschussstrom mit dem Nachbarn korrekt erfasst. Diese Voraussetzungen zu schaffen macht den Aufbau der Energiegemeinschaften – beispielsweise auf Gemeindeebene – bislang oft recht teuer und wenig rentabel. In Zukunft soll dieses Teilnehmen an Energiegemeinschaften aber viel einfacher werden.

Die Vision ist, dass alle Beteiligten von Verbrauchern über "Prosumer", die konsumieren und produzieren, bis hin zu den Energieunternehmen über digitale Plattformen vernetzt werden. Hier soll man nach Belieben Gemeinschaften beitreten können, um den Energiemix zu optimieren. Im Projekt "Energy Point", unterstützt von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, dem Klimafonds und dem Klimaschutzministerium, sind Forschende dabei, eine Plattform dieser Art aufzubauen.

Optimierter Energiehaushalt

Georg Lettner vom Institut für Energiesysteme und elektrische Antriebe der TU Wien arbeitet mit Kolleginnen und Kollegen sowie einer Reihe von Wirtschaftspartnern zusammen, um die Voraussetzungen für eine "kundenfreundliche Energy-Sharing-Möglichkeit" zu schaffen.

"Die Optimierung des Energiehaushalts in Energiegemeinschaften nützt nicht nur lokalen Erzeugern und Verbrauchern, es verhindert auch das Entstehen hoher Spitzenlasten im Stromnetz." Die Kosten für den Netzausbau, der durch die Energiewende nötig sei, können somit reduziert werden, erklärt Lettner die Vorteile.

Ausgangspunkt für die neue Energieplattform, die im Projekt entstehen soll, ist die Technologie des Weinviertler Unternehmens eFriends, bei dem auch die Projektkoordination von "Energy Point" liegt. Das 2015 gegründete Start-up betreibt bereits eine eigene Plattform zur Vernetzung von Energieproduzenten und Energiekonsumenten.

Der Energy-Sharing-Pionier bietet bereits eine Technologie an, die Produktions- und Verbrauchsdaten von Nutzern nahezu in Echtzeit vermessen kann, um Angebot und Nachfrage auf Basis einer tatsächlichen Ist-Situation zusammenzubringen. Die Smart Meter der Netzbetreiber leisten das nicht – sie messen lediglich im Viertelstundentakt und übermitteln die Daten gesammelt erst nach Stunden.

Für jeden zugänglich

Um derzeit allerdings die Plattform nutzen zu können, muss man nicht nur die Technikkomponenten am Anwendungsort installieren lassen, sondern auch zu eFriends als formellem Energieanbieter wechseln – bisher ließ die Rechtslage keine andere Möglichkeit zu. Doch in Zukunft soll das anders werden. "Wir wollen Teilnehmer an Energiegemeinschaften vernetzen, auch wenn diese bei unterschiedlichen Anbietern registriert sind", sagt Lettner.

"Die neue Plattform soll wirklich für jeden zugänglich sein." Die Weinviertler kooperieren bereits mit der Strombörse des Tiroler Anbieters Gutmann und der Raiffeisen Ware Austria (RWA) – deren Teilnehmer können nun auch über eFriends Strom teilen. Sie alle sind auch im Projekt "Energy Point" vertreten, um Energiegemeinschaften über klassische Energieversorger und deren jeweilige Bilanzierungen hinweg zu ermöglichen.

Daten schützen und austauschen

Im Projekt soll ergründet werden, welche Technologien, organisatorischen Konzepte und rechtlichen Vorgangsweisen dafür notwendig sind. Lösungsansätze sollen in Fallstudien erprobt werden, um zu einem "proof of concept" für großflächige Anwendungen zu gelangen. Es braucht etwa die Kommunikationsinfrastruktur und Systeme, die Angebot und Nachfrage über Energieversorger hinweg in optimaler Weise zusammenbringen, oder eine Strategie, die zwischen der Pflicht zum Datenschutz und der Notwendigkeit zum Datenaustausch abwägt.

Rückschlüsse auf individuelle Verbraucherdaten sollen für keinen der Teilnehmenden möglich sein, dennoch müssen die anonymisierten Daten für den automatisierten Handel sowie für Informationsservices zur Verfügung stehen. Die Plattformnutzung sollte zudem niederschwellig sein. Ein gut steuerbares Regelwerk könnte etwa automatisch zeitlich flexiblen Verbrauch wie etwa für Autobeladungen nach Verfügbarkeit lokaler Überschussenergie aus Sonnenkraft gewährleisten. "Die Komplexität muss im Hintergrund bleiben – auf der Nutzerseite muss alles einfach bleiben", sagt Lettner. (Alois Pumhösel, 28.4.2022)