Etliche Erkrankungen lassen sich anhand von Bluttests feststellen. Die Aufbereitung der Proben verschlingt bislang allerdings viel wertvolle Zeit.

Foto: Imago / Fotoarena / Leandro Ferreira

"Meine Geschichte soll jungen Forschern Mut machen", sagt Klemens Wassermann, 37. Seine Forschung, die extrem schnelle Blutanalysen erlaubt und jetzt mit dem Phönix-Gründerpreis in der Kategorie Prototyp ausgezeichnet wurde, hat einen langen Weg hinter sich, mit Durststrecken, Hoffnungen und Enttäuschungen. Die Idee selbst hat Wassermann 2013 erstmals öffentlich vorgestellt, beim Innovator of the Year Award des Falling Walls Lab in Berlin.

Forschen mit M&Ms

Damals hatte er als Dissertant am Austrian Institute of Technology (AIT) bereits ein Jahr an Diagnoseautomaten für Blutproben gearbeitet und erkannt, dass das Problem nicht in der Analysetechnologie, sondern in der fehlenden Probenaufbereitung lag. Die Frage war, wie man Erreger im Blut schneller isolieren kann. "Beim Falling Walls Lab verglich ich eine Blutprobe mit M&Ms. Ein Milliliter Blut hat sechs Milliarden Blutzellen, also sechs Milliarden rote M&Ms."

Diese füllen einen ganzen olympischen Swimmingpool, Bakterien aber, blaue M&Ms, finden sich darin nur wenige. Um diese mit Standardmethoden nachzuweisen, brauche man aber drei bis fünf Tage. "Wir aber schaffen es, den Stöpsel dieses Pools zu ziehen, und durch eine neue Filtertechnik fließen nur die roten M&Ms innerhalb von Minuten raus. Nur die blauen bleiben am Poolboden liegen, was den Nachweis stark vereinfacht."

Exakte Diagnose

Eine beschleunigte Blutanalyse hätte viele Vorteile. Kann man etwa eine Blutvergiftung (Sepsis) schneller exakt diagnostizieren, kann das Leben retten. Die neue Filtertechnik, mit der man Blutzellen mittels elektrischer Felder aufbrechen kann, ohne Bakterien zu schaden, sollte aber die Herausforderung der nächsten Jahre werden. "Wir scheiterten damals immer wieder an der Entwicklung eines Prototyps, der reproduzierbare Ergebnisse lieferte. Die Technologie machte, was sie wollte, und war absolut nicht kontrollierbar", sagt Wassermann.

Doch der Forscher ließ nicht locker und entschied sich, einen Deep Dive in die Technologie elektrischer Felder, Elektrotechnik, Elektrodynamik und Materialwissenschaften zu machen. Schließlich schaffte er kurz vor Ende seines freien Dienstnehmervertrages im Frühjahr 2015 den "proof of concept" mit dem Einsatz einer speziellen Elektrodentechnologie. Damit gelang es, unspezifische Störungen auszuschließen und kontrollierbare Ergebnisse zu liefern.

Schnellere Blutanalyse

Aus den Bemühungen entstand ein völlig neuer Ansatz zur Verwendung elektrischer Felder in der Biologie. Alles sehr spannend, aber noch sehr theoretisch. Das Austrian Institute of Technology ließ sich überzeugen und bot Wassermann eine Weiteranstellung als Scientist, als PhD-Kandidat stieß der Molekularbiologe Terje Wimberger dazu.

Am ersten Weltkongress für Elektroporation und elektrische Felder in der Medizin gewannen sie mit ihrer Lösung zwar den Young Investigator Award. In den nächsten Jahren folgten aber Rückschläge. Die Entwicklung stockt an Detailfragen, Projektanträge wurden abgelehnt.

Dennoch: Die Forschung erschien vielversprechend. 2018 bewilligte die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) ein Spin-off-Fellowship-Projekt. Der Experimentalphysiker Michael Hollerer und die Biotechnologin Julia Dolezel erweiterten das Team. 2020 gründeten Wassermann und Wimberger die Cellectric Biosciences als Spin-off des AIT. Für das mikrofluidische Verfahren, das auf einem Chip durchgeführt wird, sind nur noch wenige Milliliter Blut erforderlich.

Lab on a Chip

Der Prototyp funktioniert. Das "Lab on a Chip" beschleunigt etwa die Sepsisdiagnose um das Zehnfache. Die Plattform kann aber auch für die Probenvorbereitung für viele weitere Blutanalysen eingesetzt werden. Der funktionsfähige Prototyp, nun ausgezeichnet mit dem auch vom Wissenschaftsministerium ausgelobten Phönix-Gründerpreis, wird jetzt zu einem medizintechnisch zugelassenen Produkt weiterentwickelt.

Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (AWS) Forschungsförderungsgesellschaft und erste Investoren fördern das Spin-off mit insgesamt 2,9 Millionen Euro. Wenn alles nach Plan läuft, soll das Produkt 2025 auf den Markt gelangen. (Norbert Regitnig-Tillian, 20.5.2022)