Es ist nicht einfach mit der Ernährung. Oft schmeckt das, was nicht ganz so gesund ist, besonders gut – und hinzu kommen Überlegungen über Verträglichkeit, Zeit- und Geldfaktoren oder die fragwürdige Politik der produzierenden Unternehmen. Immer stärker rückt auch die Klimafrage ins Visier: Sag, wie hast du's mit der möglichst klimaneutralen Kost?

Nicht jedes Obst und Gemüse ist gleich vorteilhaft, etwa wenn es lange Transportwege hinter sich hat und starke Bewässerung braucht. Doch generell müssen viele Menschen viel stärker auf pflanzenbasierte Ernährung setzen, wie eine deutsche Übersichtsstudie zeigt.
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Und wie in vielen Bereichen ist es auf den zweiten Blick komplizierter, als man es sich für einfache Antworten wünscht. Ja, es ist für Klima und Tierwohl sinnvoll, weniger Fleisch zu sich zu nehmen – derzeit sind es im Durchschnitt bei der EU-Bevölkerung etwa 80 Kilogramm pro Jahr. Auch in Sachen Gesundheit spricht einiges dafür, da das Verzehren großer Mengen von Fleisch chronische Krankheiten begünstigen kann. Insbesondere der Tierschutz- und der Gesundheitsaspekt spielen einer neuen Studie zufolge übrigens wichtige Rollen, wenn es um den Konsum von Fleischersatzprodukten geht. Bei der Befragung von mehr als 400 Personen in Deutschland stellte sich heraus, dass nur wenige aus Sorge um die Umwelt zu Sojaschnitzeln und Burgerpatties aus Erbsenprotein greifen.

Aber muss gleichzeitig nicht heftig an anderen Stellschrauben gedreht werden, um Nahrungsmittelverschwendung vorzubeugen? Wie viel Fleisch von welchen Tieren und aus welcher Produktion streben wir an und können das in den Alltag integrieren?

Weniger als 20 Kilogramm

Denn dass etwa Kühe nicht nur klimaschädliche Methanmaschinen sind, wird deutlich, wenn man sich genauer mit ihnen beschäftigt. Sie müssten in sinnvoller Weidewirtschaft zum Einsatz kommen, und gerade im Globalen Süden können es sich viele Familien nicht leisten, auf Viehhaltung zu verzichten, da man nicht überall Gemüse und Hülsenfrüchte anbauen kann und Kühe beispielsweise Gras fressen, das Menschen sonst nicht für ihre Ernährung erschließen können.

Doch prinzipiell müsse der Fleischkonsum vor allem im Globalen Norden gedrückt werden, um 75 Prozent oder mehr – so stellt es eine aktuelle Übersichtsstudie der Universität Bonn im Fachjournal "Annual Review of Resource Economics" dar. Statt 80 sollten es also maximal 20 Kilogramm Fleisch pro Jahr und Person sein. Das bedeute nicht, dass Fleischkonsum nie nachhaltig sein kann, betonen der Agrarökonom Matin Qaim und sein Co-Autor Martin Parlasca. Aber um Ernährungssicherheit für die Zukunft zu gewährleisten und die beste Balance für Umwelt, Gesundheit und Wirtschaft zu finden, sei es notwendig, viel weniger Fleisch zu essen.

Engpässe durch Krieg

"Würden alle Menschen so viel Fleisch verzehren wie die Europäer oder die Nordamerikaner, würden wir die Klimaziele weit verfehlen, und viele Ökosysteme würden kollabieren", sagt Qaim. Um Nutztiere zu ernähren und anschließend zu verzehren, ist eine größere Anbaufläche notwendig, als wenn deren Früchte direkt konsumiert werden können.

"Der Krieg in der Ukraine und die dadurch entstehenden Engpässe für Getreide auf dem Weltmarkt zeigen zudem sehr deutlich, dass weniger Getreide an Tiere verfüttert werden sollte, um die globale Ernährung sicherzustellen." Ungefähr die Hälfte der Getreideproduktion auf der ganzen Welt wird aktuell an Nutztiere verfüttert. In Österreich sind es einer Untersuchung zufolge vier von fünf Kilogramm Getreide, die im Futtertrog von Tieren landen oder als Bioethanol verheizt (oder zu diesem Zweck exportiert) werden.

Nicht alle müssen vegan werden

Für einige Menschen ist die Konsequenz daraus, möglichst gar keine Fleisch-, Milch- und Tierprodukte zu sich zu nehmen – vor allem, wenn sie nicht wollen, dass Tiere sterben, um auf ihrem Teller zu landen. Dass sich die gesamte Erdbevölkerung zu dieser Lebensweise entscheidet, ist aber nicht nur unrealistisch, sondern auch der falsche Schluss, wie die Studienautoren ausführen. Wenn sich beispielsweise Grasland nicht auf andere Weise nutzen lässt, sei es sinnvoll, dort Vieh in nicht allzu großer Anzahl zu halten.

Vor allem in Industriestaaten müsse der enorme Konsum von Fleisch stark zurückgehen, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. In ärmeren Regionen des Globalen Südens – hier in Äthiopien – ist Viehhaltung für die Bevölkerung wichtig.
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In ärmeren Regionen ist die Tierhaltung für viele eine wichtige Einnahmequelle, sagt Parlasca: "Wenn die Einkünfte aus Milch, Eiern oder auch Fleisch wegfallen, kann das für sie existenzbedrohend sein." Dort werde generell weniger Fleisch verzehrt, das auch für die gesunde Ernährung notwendig sein kann, wenn es in der Region nur wenige Pflanzen gibt, die ausreichend Mikronährstoffe und hochwertige Proteine liefern – und diese noch dazu nur saisonal verfügbar sind.

Unpopuläre Lösungen

Weltweit verzeichnen Nordamerika und Australien den höchsten Fleischkonsum pro Person. In Europa bleibt der Durchschnittswert seit einer Weile konstant oben, obwohl sich mehr Menschen für eine vegetarische oder vegane Lebensweise entscheiden – oder sich zumindest flexitarisch ernähren, also seltener, beispielsweise nur bei besonderen Anlässen, Fleisch essen.

Wie könnte man den Fleischkonsum senken? Qaim zieht höhere Steuern in Betracht, die für tierische Produkte gelten könnten. "Das ist sicher unpopulär, zumal es mit einem zehn- oder zwanzigprozentigen Aufschlag wahrscheinlich nicht getan wäre, falls er eine Lenkungswirkung entfalten soll", gibt er zu bedenken. Andererseits werden die hohen Umweltkosten, die Fleisch verursacht, derzeit gar nicht in die Preiskalkulation einbezogen. "Es wäre durchaus sinnvoll und gerecht, die Konsumentinnen und Konsumenten stärker an diesen Kosten zu beteiligen."

Lifestyle und Lehre

Die Kehrseite des Ganzen: Dann könnten sich ärmere Bevölkerungsgruppen weniger Fleisch leisten, reichere würden aber womöglich kaum etwas an ihren Gewohnheiten verändern. Einige Fachleute sind daher der Ansicht, dass ein nachhaltigerer Lebensstil attraktiv mit lustvollen Anreizen vermittelt werden müsse – wozu auch gehört, dass gesunde Alternativen von der Ernährung bis hin zum Verkehr erstrebenswert und besser zugänglich gemacht werden.

Dafür ist auch eine gewisse Bildung in diesem Bereich notwendig. Die Studienautoren sprechen sich daher dafür aus, in den Lehrplänen von Schulen und der Ausbildung von Lehrkräften nachhaltigen Konsum stärker zu berücksichtigen. "Wir müssen sensibler für die globalen Auswirkungen unserer Entscheidungen werden", sagt Qaim. "Das gilt nicht nur beim Essen, sondern auch für das T-Shirt, das wir beim Discounter kaufen, um es einen einzigen Abend auf einer Party zu tragen." (Julia Sica, 27.4.2022)