Der jetzige und der ehemalige Wirtschaftslandesrat Vorarlbergs erhielten vom Wirtschaftsbund Bargeld. Damit hätten sie Kaffee und Süßigkeiten für ihr Büro finanziert, räumten beide ein. Daneben gibt es aber zusätzliche Belege, die dem STANDARD vorliegen – auch hier geht es um Kaffee-Lieferungen.

Foto: APA/dpa/Lucas Bäuml

Als ob es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt, räumte der Vorarlberger Wirtschaftslandesrat Marco Tittler (ÖVP) am Montag bei der Sondersitzung im Landtag ein: Wer in seinem Büro jemals einen Kaffee getrunken oder etwas Süßes gegessen habe, habe etwas zu sich genommen, das der Wirtschaftsbund bezahlt hat.

Wallner veranlasst Stopp

Dass diese Praktik nicht gerade üblich ist, unterstrich die Reaktion des Landeshauptmanns. Markus Wallner (ÖVP) betonte am Dienstag einerseits, dass es hier nur jeweils um das Büro des Wirtschaftslandesrats gegangen sei. Auf der anderen Seite will er das nun abstellen: "Wir brauchen keine Kleinbeträge des Wirtschaftsbundes als Verfügungsmittel in einem Ressort." Jedes Regierungsmitglied verfüge über eine bestimmte Summe für eigene Ausgaben, etwa für einen Kaffee. Jede andere Form von Finanzierung habe dort nichts verloren.

Tittler steht, wie berichtet, als Empfänger auf einem Beleg der ÖVP-Teilorganisation, die den Finanzprüfern vorliegt. 1.000 Euro sind demnach an den ehemaligen Vizedirektor der Wirtschaftskammer, der seit etwas mehr als zwei Jahren in der Landesregierung ist, gegangen. Auch bei seinen Vorgängern sei das so gehandhabt worden. Das eine oder andere Feierabendbier oder die Weihnachtsjause für die fünf Straßenmeistereien und zwei Bauhöfe des Landes sei auch mit dem Geld bezahlt worden, sagte Tittler.

11.000 Euro Kaffee für die Wirtschaftskammer

Unterlagen, die dem STANDARD vorliegen, zeigen allerdings, dass diese Barzahlungen wohl nicht die einzigen Gelder des Wirtschaftsbunds waren, die in die Kaffeekasse eines Landesbüros gingen. An Tittlers Vorgänger, den jetzigen Obmann des Wirtschaftsbundes, Karlheinz Rüdisser gingen zum Beispiel zehnmal je 500 Euro.

Neben den Barzahlungen, die laut Tittler in Verpflegung investiert wurden, gibt es auch Belege für vom Wirtschaftsbund gekauften Kaffee: Insgesamt geht es um 11.000 Euro, die der Wirtschaftsbund im Jahr 2017 für Kaffee-Lieferungen an die Wirtschaftskammer ausgegeben haben soll, 2018 waren es demnach noch mal 9.300 Euro für Kaffee, der für die Kammer bestellt wurde. Und 168 Euro sollen es monatlich laut dem Dokument für Kaffee für das Landhaus gewesen sein. Das macht jährliche Kosten von rund 2.000 Euro aus.

Warum zahlt der Wirtschaftsbund Kaffee der Wirtschaftskammer? Und was ist mit den zusätzlichen Kosten, die offenbar ans Landhaus gingen? Rüdisser kann dazu nichts sagen. "Ich kenne nicht jeden Beleg der letzten zehn Jahre, zumal ich zu der Zeit ja gar nicht operativ für den Wirtschaftsbund tätig war." Man werde sich das Thema aber anschauen – spätestens in der angekündigten Wirtschaftsprüfung, die der Finanzprüfung folgen soll. Rüdisser war zur angesprochenen Zeit Wirtschaftslandesrat und bestätigte dem STANDARD nochmals, dass auch während seiner Amtszeit die Barzahlungen für Kaffee, Milch und Schokolade ausgegeben wurden.

Wohl keine "Anfütterung"

Kann es strafrechtlich relevant sein, wenn eine Teilorganisation einer Partei Ausgaben eines Amtsträgers finanziert? Man könnte etwa an den Tatbestand der "Anfütterung" denken, was man in diesem Beispiel sogar wortwörtlich so verstehen kann. Die Experten winken allerdings ab.

Hubert Sickinger, der sich seit Jahren mit den Themen Parteienfinanzierung bzw. Korruption in Österreich auseinandersetzt, sagt dazu: "Wie sollte der Wirtschaftsbund einen seiner Spitzenfunktionäre anfüttern?"

Auch der ehemalige Präsident des Rechnungshofs, Franz Fiedler, relativiert: Angesichts des relativ geringen Betrags könne man wohl nicht von einem strafrechtlich relevanten Vorfall sprechen. Allerdings gelte es nun, angesichts der zahlreichen Verfehlungen, die es auf verschiedenen regionalen Ebenen gegeben habe, vorsichtig zu sein und solche Praktiken entweder abstellen oder sie gar nicht erst einführen.

Kessler noch angestellt

Bei einem anderen Thema sorgte Rüdisser für Aufklärung: Jürgen Kessler, der im April als Direktor zurücktrat, sei nicht entlassen worden, am operativen Geschäft aber nicht mehr beteiligt. In Whatsapp-Gruppen des Wirtschaftsbunds war er zuletzt aber noch aktiv. Kessler ist bei vollen Bezügen dienstfreigestellt, sein Vertrag kann frühestens Ende des Jahres aufgelöst werden. Das heißt, dass Kessler das zinslose Darlehen von 250.000 Euro noch nicht zurückzahlen muss. (Lara Hagen, 26.4.2022)