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PRO: Als Paar erwachsen werden

von Eric Frey

Die Übernahme der einflussreichsten Meinungsplattform der Welt durch den reichsten Mann der Welt lässt weltweit die Alarmglocken läuten. Doch die lautstarken Warnungen vor Twitter-Eigentümer Elon Musk sind in sich widersprüchlich: Die einen glauben, dass Musk mit seinem Ruf nach uneingeschränkter Redefreiheit den Hass im Netz verstärken wird. Die anderen erwarten, dass er die Tweet-Maschine für eigene Zwecke missbraucht. Und einige fürchten um die Zukunft eines Unternehmens durch einen Mann, der Technologie wie kein anderer beherrscht, aber mit Menschen nicht umgehen kann. Und Twitter lebt davon, dass sich hunderte Millionen dort zu Hause fühlen.

Wenn Musk Twitter herabwirtschaftet, schadet er nur seinem Bankkonto; Start-ups werden die Lücke gerne füllen. Macht er die Plattform zum Instrument seiner politischen oder finanziellen Ziele, wird dies nur noch rasanter geschehen.

Bleibt die Gefahr der entfesselten Redefreiheit. Doch die ist bereits vielfach Realität. Hier die Grenzen zu ziehen ist vor allem die Aufgabe der Gesetzgeber in den USA und der EU, nicht der Eigentümer. Musk selbst wird bald merken, dass er sein Baby gefährdet, wenn sie zur Freakshow verkommt.

Und vielleicht gelingt es dem genialen Unternehmer, die notorischen Schwächen der Plattform auszumerzen und endlich ein nachhaltiges Geschäftsmodell für sie zu entwickeln. Gemeinsam könnten Musk und Twitter erwachsen werden. (Eric Frey, 26.4.2022)

KONTRA: Rotzfrecher Superreicher

von Stefan Mey

Elon Musk ist nicht nur der reichste Mensch der Welt, sondern auch einer der unhöflichsten. Erst kürzlich hat er sich über Bill Gates’ Wohlstandsbauch lustig gemacht, davor hatte er US-Politiker Bernie Sanders aufgrund seines Alters beleidigt und einen Rettungstaucher als Pädophilen bezeichnet. Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Und ausgerechnet dieser Grobian möchte nun Twitter mit dem Ziel kaufen, dort mehr Meinungsfreiheit zu ermöglichen.

Für Menschen, die sich gegen Hass im Netz aussprechen, klingt das zu Recht wie eine Drohung. Begründet ist auch die Sorge, dass Donald Trump zurückkehren könnte – trotz Beteuerungen, er wolle sich lieber um sein eigenes Social Network kümmern. Schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass er Aussagen revidiert. Dass er aber vor rund einem Jahr von Twitter rausgeworfen wurde, hatte nichts mit Meinungsfreiheit oder seinen Meinungen zu tun – sondern damit, dass er Hass befeuerte und Fake News verbreite. Es wäre wichtig, dass solchen Menschen und Inhalten ein Riegel vorgeschoben wird.

Allerdings stehen die Zeichen dafür schlecht. Denn zwar wurde in der EU mit dem Digital Services Act ein Paket gegen Hass im Netz geschnürt. Ob dies in der Praxis genutzt wird, ist aber eine andere Frage. Nach Musks Ankündigungen ist somit zu befürchten, dass der Umgangston auf Twitter noch rauer wird, als er jetzt schon ist.(Stefan Mey, 26.4.2022)