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Im Jänner 2020 töteten die USA am Flughafen Bagdad Ghassem Soleimani, den Chef der Auslandsabteilung der Iranischen Revolutionsgarden. Die sind zum Knackpunkt der Atomverhandlungen in Wien geworden.

Foto: WANA NEWS AGENCY via Reuters

Es ist schon über einen Monat her, dass die Wiener Atomverhandlungen mit dem Iran in einem schwarzen Loch verschwunden sind: Mitte März hieß es, dass nur noch letzte – im Grunde mindere – Punkte zu klären seien. Sogar die Ankunft diverser Außenminister in der österreichischen Hauptstadt lag schon in der Luft, die die Reaktivierung des JCPOA, des Joint Comprehensive Plan of Action, hätten besiegeln sollen.

Seitdem hört man nur Rufe aus der Kulisse. Die Chance, dass der 2015 in Wien abgeschlossene Deal wiederbelebt wird, den die USA unter Donald Trump 2018 verlassen und damit abgeschossen hatten, scheint zu schwinden. Der Plan war, dass die USA wieder in den JCPOA eintreten und der Iran sich wieder an dessen Verpflichtungen hält, die er ab 2019 sukzessive – und in letzter Zeit gravierend – verletzt hat.

Die Vermutung mancher Medien – auch des STANDARD –, dass der Knackpunkt außerhalb des "nuklearen" Inhalts des Abkommens liegt, haben sich durch indirekte Stellungnahmen bestätigt. Der JCPOA dient ja der Beschränkung und Kontrolle des iranischen Urananreicherungsprogramms, im Gegenzug für die iranische Verpflichtung dazu werden die im Zusammenhang mit dem Atomstreit verhängten Sanktionen gegen die iranische Wirtschaft aufgehoben. Die Definition, was dazugehört, ist bei der Menge der unter Trump verhängten Sanktionen aber gar nicht so einfach.

Trumps Maximal-Politik

Konkret geht es um Folgendes: Trump ließ 2019 die Iranischen Revolutionsgarden als Teil seiner "Politik des maximalen Drucks" auf die Liste der "ausländischen Terrororganisationen" (FTO, Foreign Terrorist Organisation) setzen. Teheran besteht nun darauf, diese Listung wieder loszuwerden, denn natürlich bringt diese auch Sanktionen mit sich. Die Revolutionsgarden würden jedoch – wie früher auch – auf anderen Sanktionslisten stehen, es würde im Grunde der Zustand von vor 2019 wieder hergestellt. Aber der Schritt, das IRGC (Iranian Revolutionary Guard Corps) zu streichen, ist natürlich ein enormes Politikum.

Er würde bei den Partnern der USA im Nahen Osten – Israel und die arabischen Golfstaaten – auf harte Kritik stoßen. Das Thema ist ein diplomatischer Dauerbrenner zwischen den USA und Israel, so auch bei einem Treffen der beiden Sicherheitsberater Jake Sullivan und Eyal Hulata zu Wochenbeginn in Washington. Allerdings soll es im israelischen Sicherheitsestablishment trotz anderslautender Aussagen von Politikern auch die Ansicht geben, dass mit einer Wiederbelebung des Atomdeals zumindest wieder ein paar Jahre gewonnen würden, in denen Irans Urananreicherung unter Kontrolle wäre.

Knackpunkt Soleimani

Die USA sollen dem Iran einen Gegenvorschlag unterbreitet haben: Wenn Teheran bei der Wiederherstellung des Atomdeals etwas wolle, was nicht direkt mit dem nuklearen Bereich zu tun hat, dann solle es im Gegenzug ebenfalls eine Leistung aus dem nichtnuklearen Bereich bieten. Um beim Thema zu bleiben sollen die USA gefordert haben, dass der Iran die Rachedrohungen gegen die USA zurücknimmt, die nach der gezielten Tötung des IRGC-Generals Ghassem Soleimani im Jänner 2020 durch einen US-Angriff auf dem Flughafen Bagdad ausgesprochen wurden. Laut "Haaretz" wurde das vor kurzem vom IRGC-Marine-Chef ausgeschlossen.

Soleimani war der Chef der Quds-Einheit, einer Unterabteilung der Revolutionsgarden, die für die Einsätze außerhalb des Irans verantwortlich ist – und damit für die aggressive iranische Regionalpolitik. Dass US-Generalstabschef Mark Milley jüngst in einem Senatshearing explizit die Quds-Einheit als FTO genannt hatte, wird von manchen als Hinweis auf eine Kompromissmöglichkeit gedeutet: dass nur die Quds-Einheit auf der Liste bleibt und der andere Teil entfernt wird. Die IRGC kontrollieren einen großen Sektor der iranischen Wirtschaft und sind heute auch politisch stärker denn je.

Wer auf welcher Liste steht

Die USA verhandeln – indirekt, per Shuttle der anderen Gesprächsteilnehmer in Wien – mit der Regierung von Ebrahim Raisi, in der etliche Regierungsmitglieder einen IRGC-Hintergrund haben. Wer auf welcher Liste steht und mit wem man Deals schließt, ist nicht immer leicht nachzuvollziehen: Die afghanischen Taliban etwa, zu deren Sturz die USA im Herbst 2001 nach 9/11 Afghanistan eroberten, standen nie auf der FTO-Liste. Die pakistanischen schon.

Eine weitere iranische Forderung wurde im März genannt, die die Regierung von Joe Biden in dieser Form nicht erfüllen könnte, selbst wenn sie das wollte: eine Garantie, dass der nächste US-Präsident – der vielleicht ja sogar Donald Trump heißen könnte – nicht wieder aus dem Atomdeal austreten wird. Dass diese Forderung im iranischen Parlament Ende Februar in eine Form gegossen wurde, ist zwar nicht entscheidend, denn das letzte Wort hat der religiöse Führer, Ali Khamenei. Aber es gibt auch keinen öffentlichen Hinweis auf ein Nachgeben, weder in Teheran noch in Washington. (Gudrun Harrer, 27.4.2022)