Gehen müssen wir alle, so viel Binsenweisheit darf sein. Wäre nur lässig, wenn man das auf dem dafür vorgesehenen Gehweg einfach tun könnte. Geht aber nicht, und das wortwörtlich. Weil es in der Stadt, aber durchaus auch auf dem Land zu viele Hindernisse gibt. Oder nennen wir es: Ärgernisse. Hier die subjektiv-objektiven Top Ten der Gehsteigdramen, die Fußgängern und Fußgängerinnen das Gehen verleiden und regelmäßigen Gehsteig-Grant auslösen.

Der Klassiker: Zugeparkt, die Hecke ist hier nur Bonusmaterial.
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1. Zugeparkt

Autos werden immer größer. Das ist Fakt. Und das freut anscheinend auch viele, weil große Autos sehr beliebt sind und gut verkauft werden. Mit den wachsenden Autos kam aber ein wachsendes Problem mit dem Parken. Weil: Größere Autos brauchen mehr Platz, in der Länge wie in der Breite. In Parkgaragen landesweit kann man beobachten, wie die Linien immer weiter auseinandergezogen werden müssen, damit der SUV da reinpasst. Übrigens hat auch die eine oder andere Autofähre damit Probleme, weil weniger Autos damit transportiert werden können, auf Autoreisezüge passen manche Autos gar nicht mehr drauf.

Da ist es auf der Straße ja viel leichter: Da stellt man seine Karre einfach zu einem Viertel auf den Gehweg. Fertig. Mit dem Kinderwagen vorbeikommen – Fehlanzeige. Mit Krücken oder Rollstuhl wird es auch schwierig. Generell ist das ein Grund für eine Abschleppung, liebe Autofahrer, wenn man am Vorbeikommen gehindert wird. Und alle anderen schmiegen sich einfach mal an die Hauswand, um das Auto nicht beim Stehen zu stören.

2. Gehweg nur auf einer Seite

Gerade in ländlicheren Gebieten sehr oft zu finden ist das Exemplar: Wir haben eh einen Gehweg, aber nur auf einer Seite. Diesen gibt es oft in Verbindung mit "Kein Zebrastreifen, nirgends" und "Ampeln waren ausverkauft". Wir wollen aber auch nicht kleinlich sein, immerhin ist es ein Gehsteig, dafür sind wir dankbar. Außer er ist an einer Bundesstraße. Da kommt man dann nur unter Einsatz des eigenen Lebens und mit hurtigen Schritten auf die andere Seite. Selbst schuld, dass man nicht auf der Seite wohnt, wo der Gehweg ist.

Wenn es eng wird ...
Foto: geht-doch.wien

3. Gehweg endet im Nichts

Der kleine Bruder von Gehweg auf nur einer Seite ist der, der einfach im Nichts endet. Meistens leicht abgerundet, wird aus Gehweg vorzugsweise Wiese. Oder Schotter. Oder beides. Er tritt auch oft in Verbindung mit einem Hatschweg in der Wiese auf, denn erstaunlicherweise entmaterialisieren sich Menschen nicht, die gerade gehen, wenn der Gehweg aufhört. Und es wartet auch nicht immer ein Auto oder ein Fahrrad zum Weitertransport.

Ob das den Namen "Gehweg" verdient?
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4. Zu schmal

Noch ein Verwandter: der Gehweg, der einfach zu schmal ist. Gerne wird er flankiert von Schrägparkplätzen, aber es gibt ihn auch ganz solo. Wer mit zwei Einkaufstaschen geht, läuft Gefahr, eine an der Hausmauer kaputtzuscheuern und die andere zum Raub der vorbeirauschenden Autos und Fahrräder werden zu lassen. Zufußgehen ist nichts für Angsthasen. Wahre Dramen im Western-Stil spielen sich ab, wenn jemand entgegenkommt: Denn auf diesem Gehweg kann es nur einen geben. Wer weicht aus? Wer bleibt stehen? Wer drückt sich mal an eine Seite? Gehen am Limit.

5. Gar nicht vorhanden

Die Eskalationsstufe der vorderen drei ist der Gehweg, den es gar nicht gibt.

Hecke und ein angedeuteter Gehsteig.
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6. Hecken ungeschnitten

Wir sollen nicht jammern, werden Sie jetzt sagen. Hecken sind schön, sie sind grün, und das ist gut so. Alles richtig. Wenn die Hecke des schönen Gartens aber den halben Gehweg (siehe: zu schmal) einnimmt und man beim Vorbeigehen entweder unter den herausragenden Ästchen Limbo tanzt oder halt in Kauf nimmt, hin und wieder eine sanfte Watsche von einem Blatt zu bekommen, dann hört sich der Spaß auch irgendwann auf.

Gehwege als Stehwege für allerlei Zeug.
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7. Mistkübel

Der Mistplatz Gehsteig ist eher ein urbanes Problem, auf dem Land stellt man den Mistkübel vor die sauber geschorene Hecke auf den eigenen Grund. In der Stadt ist das anders: Die Mistkübel werden an ein bis zwei Tagen in der Woche aus ihrer Garage im Haus auf den Gehweg gestellt – wo sie dann warten, bis die Müllabfuhr kommt. Das ist gut, macht Gehsteigbenützung aber oft zum Spießrutenlauf. Warum stehen die Mistkübel nicht auf einem Parkplatz? 1, 2, 3 – Geschrei! Eben.

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8. Litfaßsäulen und andere Hindernisse

Natürlich wollen wir alle wissen, wer im November 2021 ein Abschiedskonzert gegeben hat oder welche Ausstellung ab nächstem Jahr wir nicht besuchen werden, aber im Ernst: Warum baut man Litfaßsäulen mitten auf den Gehweg? Kombinationen wie schmaler Gehsteig und Litfaßsäule oder Hecke und Litfaßsäule machen aus Gehweg Keinweg. Ich will Sie ja nicht nerven, aber Kinderwagen, Einkaufstasche oder auch nur zu zweit gehen – keine Chance.

Roller in ihrem natürlichen Habitat: auf dem Gehweg, liegend.
Foto: imago images / snapshot

9. Roller

Noch so ein Großstadtproblem sind die Elektroscooter oder -roller. Nach dem an und für sich großartigen Kreislaufprinzip "Benutze mich und lass mich stehen, wenn du mich nicht mehr brauchst" haben wir nun also den großen Haufen an Rollern, die ganze Gehwege verstellen. Oder einfach mitten auf dem Weg abgestellt werden. Oder da liegen. Über die Rollerfahrerinnen und Rollerfahrer, die auf dem Gehsteig in hohem Tempo mit Glück vorbeizischen, mit Unglück den halben Ärmel mitnehmen, wollen wir gar nicht reden.

Foto: die 20er*innen

10. Fahrrad

Beim Thema Fahrrad gibt es in puncto Gehwege mehrere Dramaaspekte. Erstens: Rad- und Gehweg sind eins. Wenn sich Fußgängerinnen mit Radfahrern den Weg teilen müssen, gilt das Recht der Stärkeren – und die sind nun mal nicht die, die gehen. Zweitens: Zebrastreifen und Radwege. Wer schon einmal an einer Kreuzung stand und bei Grün über die Straße wollte, tut gut daran zu schauen, dass nicht ein Fahrrad einen über den Haufen fährt. Drittens: Fahrräder auf Gehwegen. Dass Fahrräder auf Gehwegen geparkt werden, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, ist klar. Womit wir aber wieder beim Platzproblem wären. Fahrradfahren auf Gehwegen ist verboten, hält aber einige auch nicht davon ab. Es ist kompliziert. (Daniela Rom, 1.5.2022)