Der US-Onlinehändler Amazon will seine Paketverteilstandorte in Österreich weiter ausbauen.

Foto: imago/Chris Emil Janßen

Kronstorf/Graz/Dornbirn – Kronstorf ist nicht der Nabel der Welt. Vielmehr eine beschauliche Marktgemeinde mit 3.552 Einwohnern im Bezirk Linz-Land. Und doch gab es Zeiten, da war Kronstorf wohl einer der meistgegoogelten Begriffe. Damals, 2008, als der ehemalige Bürgermeister Willi Zuderstorfer seine Gemeinde medial zum "Zentrum des Universums" ausrief. Grund für den Anflug kommunalen Größenwahns war die Absichtserklärung von Google, ein Rechenzentrum in Kronstorf errichten zu wollen.

Der Milliardenkonzern erwarb zwar ein Betriebsbaugebiet zwischen Kronstorf, Dietach und Hargelsberg mit gut 70 Hektar, danach wurde es dann aber rasch still rund um das Projekt. Mittlerweile hat Google 20 Hektar an die interkommunale Betriebsansiedlungsgesellschaft Kronstorf-Hargelsberg zurückverkauft, besitzt aber immer noch 50 Hektar.

Detaillierte Einreichpläne

Hartnäckig gehalten hat sich in den letzten Jahren jedenfalls das Gerücht, dass der Versandriese Amazon ein Auge auf Kronstorf geworfen habe. Offiziell wurde dies aber vor allem von kommunal- und landespolitischer Seite stets dementiert. Tatsächlich dürfte die Ansiedlung des Internetkonzerns aber unmittelbar bevorstehen. Zumindest zeugt ein Einreichplan – datiert mit März 2022 – davon. Er wurde dem STANDARD zugespielt. Entstehen soll auf dem rückgekauften Areal ein neues Verteilzentrum mit einer Gesamtfläche von rund 87.000 Quadratmetern: eine Halle mit etwa 24.000 Quadratmetern, ein 3.000 Quadratmeter großes Bürogebäude, eine asphaltierte Fläche von etwa 60.000 Quadratmetern. Dazu weist der Plan 80 Andockstellen für Groß-Lkws sowie 110 Parkplätze für Schwerfahrzeuge aus. In einem 24-Stunden-Betrieb sollen künftig "400 Bewegungen pro Tag" erfolgen.

Grund genug also, einmal am Kronstorfer Gemeindeamt anzuklopfen. Bürgermeister Christian Kolarik (VP) zeigt sich aber wortkarg und will von den Amazon-Bauplänen zumindest offiziell nichts wissen. Nachsatz: "Aber Gespräche mit Interessenten an dem Grundstück gibt es immer wieder." Nächster Versuch: Das Büro von Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (VP). Doch trotz dreimaliger Anfrage bleibt eine Antwort aus. Nächster Versuch: Amazon. Vonseiten der Pressestelle verweist man auf die drei bestehenden Verteilzentren nahe Wien, das im Bau befindliche Verteilzentrum nahe Klagenfurt, das Interesse an einem Standort in Dornbirn, das Abrücken von dem ursprünglich geplanten Standort in Graz-Liebenau. Und Kronstorf? Dazu müsse er sich "erst erkundigen", merkt der nette Herr der Pressestelle an. Und entschwindet auf Nimmerwiederhören in den Weiten des Online-Versandhauses.

Ende für Pläne in Graz und Dornbirn

Die spürbare Unlust an einer Informationsweitergabe an allen Ecken hat, abseits bekannter Verschwiegenheitsklauseln mit saftigen Pönalzahlungen, wohl auch den Grund, dass Amazon vielerorts in Österreich mit Bauplänen vorstellig wird, aber oft nicht mit offenen Armen empfangen wird.

Wie eben in Graz. Still und leise hatte Amazon die neue Ansiedelung im Süden Österreichs geplant. Ebenso unspektakulär und ohne Angabe von Gründen ist der Konzern auch wieder von dannen gezogen. Als ruchbar wurde, dass Amazon im Wohnbezirk Liebenau ein großes Logistikcenter errichten will, tat sich umgehend eine Anrainerinitiative – wegen des drohenden Verkehrsaufkommens – zusammen und sammelte mehr als 4.400 Unterschriften gegen das Projekt.

Rechtlich hätte Amazon kaum Probleme vorgefunden, zumal das Areal dem Gewerbe gewidmet war, der Druck aus der Bevölkerung und auch der Grazer Stadtpolitik, die ebenfalls gegen die Amazon-Pläne war, haben den Konzern aber bewogen, das Projekt zu canceln.

Detto in Dornbirn. Dort hatte sich Widerstand über alle Parteigrenzen hinweg gegen die Ansiedlung des Versandhändlers formiert. Investoren hatten im Auftrag von Amazon bei der lokalen Gebrüder Ulmer Holding Interesse an einem 33.000 Quadratmeter großen Grundstück bekundet. Auf STANDARD-Nachfrage bestätigte nun das Büro von Bürgermeisterin Andrea Kaufmann (VP), dass "das Projekt momentan zurückgelegt" worden sei. (Markus Rohrhofer, Walter Müller, Steffen Arora, 27.4.2022)