Das Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen wurde neu geregelt. Für Versicherungsnehmer bringt das nicht nur Vorteile mit sich.

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Rund eineinhalb Jahre nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) rund um das ewige Rücktrittsrecht von Lebensversicherungen bei falscher oder fehlerhafter Rücktrittsbelehrung passt das Justizministerium das Gesetz nun an. In Zukunft soll im Versicherungsvertragsgesetz klargestellt werden, "dass Konsument:innen bei einem Spätrücktritt wegen fehlender oder grob fehlerhafter Belehrung die einbezahlten Prämien zurückerhalten", heißt es in einer Aussendung des Ministeriums.

Das Thema ewiger Rücktritt oder Spätrücktritt von Lebensversicherungen, wenn die Belehrung fehlte oder falsch war, hatte die Gerichte nun viele Jahre beschäftigt. Kernfrage dutzender Klagen war, welchen Betrag die Versicherung in einem solchen Fall zurückzahlen muss: Prämien – eventuell sogar inklusive Zinsen – oder nur den Rückkaufswert. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) traf dazu mehrere verbraucherfreundliche Entscheidungen, und auch der OGH war schon mehrmals mit der Causa befasst, DER STANDARD berichtete.

Prämien statt Rückkaufswert

Der neue Gesetzesentwurf regelt nun, dass Versicherungsnehmern auch dann ein sogenanntes "ewiges" Rücktrittsrecht zusteht, wenn zwar eine Rücktrittsbelehrung vorlag, diese aber grob mangelhaft war. Weiters besteht in einem solchen Fall Anspruch auf die Rückzahlung der eingezahlten Prämien und nicht nur des Rückkaufwerts.

Die 2019 eingeführten Gesetzesänderungen zum Rücktrittsrecht bei Versicherungsverträgen werden mit der Novelle "rückwirkend und vollständig aufgehoben", schreibt das Ministerium weiter. Damals wurde beschlossen, dass im Falle einer mangelhaften Belehrung im ersten Jahr die gesamte Prämie einschließlich der Abschlusskosten, aber ohne Zinsen rückerstattet werden sollen. Ab dem zweiten Jahr bis zum Ende des fünften Jahres war nur noch die Rückzahlung des Rückkaufwerts ohne Abschlusskosten und ohne Stornogebühren und ab dem sechsten Jahr nur mehr die Zahlung des Rückkaufswerts ohne Stornogebühren vorgesehen.

Vorteile und Nachteile

"Rühmen braucht sich die Versicherungsbranche für die jetzige Gesetzesänderung nicht", sagt Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein (VSV). Denn das hätten EuGH und OGH vor einem Jahr bereits klargestellt. Für Versicherungsnehmer bringt die neue Regelung jedoch einen Nachteil: "Diese bekommen beim Rücktritt nun die Prämien abzüglich des Risikoanteils (bei Ablebensversicherungen) und abzüglich der Steuern retourniert. Die sogenannten Bereicherungszinsen von vier Prozent werden aber nur noch für drei Jahre (und nicht mehr auf die gesamte Laufzeit) ausbezahlt", erklärt Anwalt Robert Haupt, der viele solche Fälle vor Gericht vertreten hat. Etwaige Fondsverluste hingegen muss künftig die Versicherung tragen. (Bettina Pfluger, 27.4.2022)