Der Platzbedarf beim Wohnen ist durch Corona gestiegen.

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Die Wohnimmobilienpreise sind in Wien in den letzten Jahren stark gestiegen. Erst hat das die Corona-Pandemie befeuert, nun ist die Unsicherheit wegen der davongaloppierenden Inflation und des Ukraine-Kriegs dazugekommen.

Die Preisrallye könnte heuer zumindest ein wenig an Tempo verlieren, glaubt man bei Raiffeisen: "Nachdem der Markt mehrere Jahre lang mit Vollgas im fünften Gang unterwegs war, wird in den dritten Gang zurückgeschaltet", fasste Matthias Reith von Raiffeisen Research die Dynamik am Donnerstag zusammen. Nachsatz: "Einen Rückwärtsgang erwarten wir aber nicht."

Ganz konkret rechnet man bei Raiffeisen für heuer mit einem weiteren Preisplus in Wien von acht Prozent, allerdings mit weniger Dynamik im zweiten Halbjahr und mit einer deutlich niedrigeren Gangart 2023: "Die Leistbarkeit wird sich als limitierender Faktor erweisen", so Reith.

Strengere Kreditvergabe

Mit Spannung wird eine geplante Verschärfung der Kreditvergabestandards ab Mitte des Jahres erwartet. Ab Juli braucht es für Immobilienkredite mindestens 20 Prozent Eigenmittel. Wie sich das auf den Markt auswirkt, bleibe abzuwarten, betonte Generaldirektor-Stellvertreter Reinhard Karl. Vorgezogene Immobilienkäufe gebe es derzeit nur in überschaubarem Ausmaß. Eigenmittel in der Höhe von mindestens 20 Prozent bzw. entsprechende Ersatzsicherheiten empfehle man Kundinnen und Kunden bei Raiffeisen schon seit jeher.

Auch der zu erwartende Anstieg der Zinsen werde das Preiswachstum ab der zweiten Jahreshälfte bremsen, ist man bei Raiffeisen überzeugt. 2021 lag das Plus in Wien noch bei fast elf Prozent, der durchschnittliche Preisanstieg sei aber stark vom jeweiligen Bezirk abhängig. Besonders stark gestiegen sind die Preise im Vorjahr mit 18 Prozent in Favoriten – insgesamt wurde im zehnten Bezirk dennoch nur halb so viel pro Quadratmeter verlangt wie in der Josefstadt.

Schon seit 2018 wird in Wien aber mehr gebaut, als aufgrund der Haushaltsentwicklung nötig wäre. Darauf haben vor einigen Tagen schon der Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer und die Bauträgerdatenbank Exploreal hingewiesen. Die Einschätzung teilt man bei Raiffeisen, von einem Überangebot will man aber nicht sprechen, weil derzeit noch lediglich der aufgestaute Nachfrageüberschuss abgebaut werde.

Wohnung für die Kinder

Weiterhin gefragt sind Anlegerwohnungen, die gekauft werden, um sie weiterzuvermieten. Auch hier mache sich aber Corona bemerkbar, berichtete Peter Weinberger, Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien NÖ/Wien/Burgenland: "Früher hat ein Zimmer relativ gut funktioniert", heute brauche es zwei oder drei, weil viele weiterhin im Homeoffice bleiben wollen.

Aber werden sich diese vielen Anlegerwohnungen, die in den letzten Jahren gebaut wurden, mit ihren teils doch recht ambitionierten Mieten auch vermieten lassen? Davon ist man bei Raiffeisen überzeugt: "Wir gehen davon aus, dass einige, die gleich gekauft hätten, noch ein paar Jahre mieten müssen, um das Eigenkapital zu sparen", sagt Weinberger. Laut Reinhard Karl würden die Wohnungen teilweise auch leer stehen, damit später die Kinder darin wohnen können. Die Mietrendite sei häufig zweitrangig.

Multifunktionale Räume

Auch im Eigennutzer-Segment gebe es einen Trend zu größeren Einheiten, doch auch hier sei der Preis ein Thema. Viele würden daher in günstigere Bezirke oder ins Umland ausweichen. Auch Gartenwohnungen, vor zehn Jahren laut Weinberger noch schwer verkäuflich, seien heute sehr begehrt.

Corona wird sich auch auf die Grundrisse auswirken, ist der Experte überzeugt, etwa, indem künftig multifunktionaler gebaut und möbliert wird, damit im Schlafzimmer auch noch das Homeoffice Platz hat. "Früher hat man multifunktionaler gebaut", sagt Weinberger und nennt als Beispiel Klappbetten. "Vielleicht kommen die wieder." (Franziska Zoidl, 29.4.2022)