Wieder mussten am Donnerstag der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) und eine ehemalige Landesbedienstete vor einem Schöffensenat Platz nehmen.

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St. Pölten – "Cum tempore" zeigt für Bildungsbürger an, dass eine Zeitangabe die "akademische Viertelstunde" inkludiert, eine Veranstaltung also eigentlich erst 15 Minuten nach dem angegebenen Zeitpunkt beginnt. Am Landesgericht St. Pölten gibt es die C.t.-Zeitrechnung nicht: Als Silvia Pöchacker, Vorsitzende des Schöffensenats im Amtsmissbrauchsprozess gegen den niederösterreichischen Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) und eine ehemalige Landesbedienstete, die Verhandlung um neun Uhr aufruft, fehlen wichtige Akteure.

Nur Nadja Lorenz und Philipp Wolm haben es zeitgerecht in die Landeshauptstadt geschafft, um 9.07 Uhr erscheint Waldhäusls Verteidiger Manfred Ainedter und entschuldigt sich mit "technischen Problemen", vier Minuten später pirscht sich Privatbeteiligtenvertreter Clemens Lahner in den Saal, und erst um 9.13 Uhr ist auch sein Kollege Georg Zanger anwesend.

Pensionist als Zeuge

Im Mittelpunkt des Verhandlungstags steht die Zeugeneinvernahme eines pensionierten Beamten, der zur Zeit der Errichtung des Lagers Drasenhofen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) Leiter der landesinternen "Koordinationsstelle UMF" gewesen ist. Im bisherigen Prozessverlauf haben sich sowohl Waldhäusl als auch die Zweitangeklagte auf den Zeugen berufen, da dieser keine Einwände gegen Drasenhofen erhoben habe.

Der Zeuge widerspricht ruhig, aber bestimmt: Landesrat Waldhäusl habe einen Maßnahmenplan für die Betreuung der UMF gefordert, an dessen Erstellung sei der Zeuge aber nicht beteiligt gewesen. Ein Punkt sei die "Unterbringung nicht betreubarer Flüchtlinge" gewesen, was schließlich in Drasenhofen mündete. "Rechtlich hatte ich keine Bedenken, aber pädagogische", sagt der Zeuge zur abgeschiedenen Lage der Unterkunft.

Nach einer bitterbösen Mail aus dem Büro Waldhäusls am 15. November 2019 habe er sich gar nicht mehr um die Sache gekümmert. Von der Zweitangeklagten, seiner Stellvertreterin, habe er einmal etwas von Stacheldraht in Drasenhofen gehört, er habe das aber nicht ernstgenommen. Insgesamt falle der Stacheldraht für ihn in die Kategorie "politisches Signal". Er habe auch den Vertrag mit dem Drasenhofen-Betreiber nicht unterschrieben, ungewöhnlicherweise habe das Waldhäusl selbst gemacht.

Am 25. Mai wird fortgesetzt. (Michael Möseneder, 28.4.2022)