Berlin/Moskau – Die "Bild"-Zeitung muss Äußerungen zu Spionageaktivitäten des russischen Senders RT in Deutschland nicht unterlassen. Dass sich der Sender an Spionage in Deutschland beteilige, sei angesichts des Gesamtzusammenhangs eine zulässige Meinungsäußerung, teilte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main am Donnerstag mit, ohne die Namen der Beteiligten zu nennen. Bereits das Landgericht Frankfurt hatte die Unterlassungsklage zurückgewiesen. (Az. 16 W 48/21)
Im März 2021 war in der "Bild"-Zeitung unter der Überschrift "Kremlsender-Reporter gesteht in Bild: Ich sollte Nawalny ausspionieren" ein Artikel über Spionage durch Mitarbeiter des Senders in Deutschland erschienen. Der Sender sei mit dem Satz "Sie beteiligen sich auch an Spionageaktivitäten auf deutschem Boden" in seinem Unternehmenspersönlichkeitsrecht nicht verletzt worden, urteilten die Richter des OLG.
Der Wertungscharakter überwiege
Der Durchschnittsleser entnehme der Aussage, dass RT am Ausspionieren des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny während seines Krankenhausaufenthalts in der Berliner Charité mitgewirkt haben soll. Inhaltlicher Schwerpunkt der Äußerung seien keine konkreten Vorgänge. Der Wertungscharakter überwiege.
Die Abwägung zwischen dem Recht auf Schutz der sozialen Anerkennung von RT und dem Schutz der Kommunikations- und Pressefreiheit von "Bild" gehe zu Gunsten von "Bild" aus. Der Artikel liefere einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage. In diesem Fall gebe es Anknüpfungstatsachen in Form von Chatbeiträgen, zitierten Anweisungen an einen Mitarbeiter und dessen Äußerungen.
Diese Umstände bestritt der Sender auch nicht. Lediglich die Nennung der Zahl der Chatmitglieder sei falsch und daher zu unterlassen. Am 17. Mai entscheidet das OLG in einem weiteren Unterlassungsverfahren von RT über ein Enthüllungsbuch eines ehemaligen Mitarbeiters des Senders. (APA, AFP, 28.4.2022)