Teil 2: Die Fortsetzung des Kinofilms bringt Aufruhr ins royale Haus der Adeligen von Downton Abbey.

Ben Blackall

Die unheimlich erfolgreiche Aristo-Soap von Julian Fellowes bekommt mit Downton Abbey II: Eine neue Ära den zweiten Kinofilm. Regie führte diesmal Simon Curtis (Die Frau in Gold), was allerdings kein Grund war, etwas am bewährten Erfolgsrezept zu ändern. Wir schreiben das Jahr 1928 und wieder steht hoher Besuch an. Allerdings nicht, wie im ersten Kinofilm, die royale Familie, sondern ein Stummfilmteam versetzt das Haus in Aufregung. Aber halt, nicht das ganze Haus – eher die Belegschaft ist aufgescheucht, denn die Adelsfamilie ist von der Pöbelmedium Kino mäßig beeindruckt. Vielmehr treibt sie ein mysteriöses Erbe um, das der schlagfertigen Matriarchin Lady Violet (Maggie Smith) eine Villa in Südfrankreich beschert hat.

Eines fragen sich nun alle: Was hat Lady Violet in ihrer Jugend bitte schön angestellt, dass ein französischer Marquis – sehr zum Ärger der Marquise (Nathalie Baye) – ihr ein Traumhaus an der Cote d‘Azur vermacht hat? Nun ja, Lady Violet war ja auch mal jung … jetzt ist sie es nicht mehr und denkt daran das Zepter an ihre nicht minder resche Nachfolgerin, Lady Mary (Michelle Dockery), abzugeben. Die hat mit einem renovierungsbedürftigen Dach zu kämpfen und freut sich deshalb über das gute Angebot des Kinoregisseurs, wohingegen Lord Crawley (Hugh Bonneville) die "Kinema"-Leute nicht ganz geheuer sind, weshalb er mit Butler und halber Familie in die Villa an die französische Riviera flieht.

Eskapismus

"Ein Adeliger, der für Veränderung ist, ist wie ein Truthahn, der sich auf Weihnachten freut", sagte einst Lady Violet und verlieh damit dem nostalgischen Flair der Serie eine scharfzüngige Stimme. Doch nicht nur für die Aristokratie ist der Wandel ein Problem, nein, auch beim Film beginnt soeben eine neue Ära: Die Leute stehen nämlich Schlange für The Terror, den ersten britischen Tonfilm, was Filmstar Myrna Dalgleish (Laura Haddock) mit ihrem amerikanischen Gossenakzent in eine Krise und den Stummfilmdreh in Turbulenzen stürzt. Wenn Myrna doch nur Lady Marys wunderbar näselndes Englisch hätte, denken sich da der spontan engagierte Tonmann und der Regisseur, der ohnehin ein Auge auf Mary geworfen hat, deren Ehemann nun mal nie Zuhause ist.

Die Belegschaft rotiert indes um die besorgten Filmstars, die selbst Kinder aus ärmlichen Verhältnissen sind. Unsicherheit und Angst sind es nämlich, die Filmstar Myrna so unausstehlich machen und den schwulen Butler Barrow so dauerbetrübt. Doch beide raffen sich am Ende auf, Barrow zieht sogar das große Los, denn der Filmheld Guy Dexter (Dominic West) interessiert sich für ihn.

Silberlöffel

Auch Mr. Molesley (Kevin Doyle) eröffnet der Film neue Türen und endlich traut er sich etwas zu, was er schon längst hätte tun sollen. Die kleinen Dramen der "einfachen Leute" zeigen auch: Mit Unsicherheiten haben die Adeligen, die sprichwörtlich mit dem Silberlöffel im Mund geboren worden sind, kaum zu kämpfen: erben und schön sprechen können sie alle, das gibt Halt und Sicherheit.

Für Klassenkritik ist hier allerdings nicht der Ort, denn die totale Klatschpressen-Romantisierung macht den Reiz von Downton Abbey aus. Eskapismus wird hier unapologetisch großgeschrieben, schließlich profitieren ja alle unter der sanften Herrschaft der Familie Crawley. Da kann man sich ruhig mal an den schönen Kleider, den Dekors, dem Blau des Mittelmeers und dem satten Grün der englischen Wiesen laben und die Gedanken auf die zahlreichen kleinen, für Neulinge schwer zu begreifenden Erzählstränge des altbekannten Ensembles richten. Einen Kinofilm, der ohne kritische Brechungen auskommt und keinerlei Scheu vor Telenovela Happy Ends hat, gibt es schließlich auch nicht mehr oft (Valerie Dirk, 29.4.2022)