Spielt auf Ingres’ Rückenporträt von 1826 an: Ayana V. Jacksons Darstellung schwarzer Weiblichkeit.

Foto: Foto: Courtesy of the artist and Mariane Ibrahim

Das riesige Foto ist auf zwei Leuchtkästen aufgeteilt: Im rechten Teil sitzt ein Hochschullehrer, der ein bisschen wie Robert Redford ausschaut, lässig auf einem Schreibpult und hält einen Vortrag. Im linken steht ein altertümlicher Fernseher samt Videorekorder vor einer Schultafel. Media Studies ’77 hat der kanadische Künstler Rodney Graham sein Fotowerk genannt, und wenn man so möchte, bringt es den Grundgedanken der im Museum der Moderne Salzburg gastierenden Fotoausstellung True Pictures? in einem fotografischen Werk auf den Punkt.

Hier geht es um ein Spiel mit dem Abbild, um dessen Verhältnis zur Wirklichkeit, oder wie es der Kritiker Douglas Crimp einmal formulierte: "Unter jedem Bild liegt immer schon ein anderes Bild." Mit seinem 1979 erschienenen, einflussreichen Essay Pictures schuf Crimp eine der Grundlagen einer fotografischen Generation, die die Frage nach Lüge und Wahrheit immer neu stellt.

Im Falle von Rodney Grahams Foto aus dem Jahre 2016 (!) handelt es sich um ein medientheoretisches Referenzspiel, in dessen Mittelpunkt sich der Künstler selbst stellt. Gemeinsam mit Ian Wallace oder Jeff Wall gehört Graham zur sogenannten Vancouver School, einer losen Gruppe von Konzeptfotografen, auf die sich viele jüngere Fotokünstler beziehen. In der Salzburger Ausstellung werden drei Generationen in der nordamerikanischen Fotografie der vergangenen 40 Jahre ausgemacht, aber so genau muss man diese doch recht mutwillig getroffene Einteilung nicht nehmen.

Skepsis gegenüber Abbild

Die Werke der 27 in Salzburg vorgestellten Künstler eint zwar die Skepsis gegenüber dem Abbild, ansonsten zeichnet sie aber eine große Vielfalt aus, was Themen und Darstellungsweisen betrifft. Die aufwendig produzierten, kinematografischen Fotos eines Gregory Crewdson wären ohne die Detailversessenheit von Graham oder Wall nicht denkbar, die fluiden Puppenfotos einer Martine Gutierrez nicht ohne die mit Identitäten spielenden Eigenporträts einer Cindy Sherman.

Auf dem Salzburger Mönchsberg sind von Louise Lawler über Allan Sekula bis hin zu Nan Goldin einige alte Bekannte der Fotografie zu sehen. Über andere Namen wie Taryn Simons, die eine Fotodokumentation unschuldiger Gefängnisinsassen inszenierte, oder Ayana V. Jackson, die den Blick auf schwarze Weiblichkeit thematisiert, stolpert man hierzulande seltener. (Stephan Hilpold, 29.4.2022)