Elektronikfachhändler Markus Widhalm in seinem Geschäft in Wien-Ottakring.
Robert Newald

"Ich hab ursprünglich Uhrmacher gelernt in Karlstein an der Thaya, wo meine Eltern her sind, dort ist die einzige Uhrenfachschule in Österreich. Ich bin dann aber umgestiegen auf Mikromechanik und Technischer Zeichner und hab die Werkmeisterprüfung im TGM (Technisches Gewerbemuseum) in der Wiener Wexstraße gemacht.

Elektrotechnik ist der grobe Strom mit 220 Volt aufwärts, mir hat aber immer die Elektronik mehr getaugt. Also hab ich Elektrotechnik studiert, bis ein Studienkollege einen tödlichen Unfall gehabt hat. Von 1995 bis 2000 hab ich dann einen Großhandel für Satellitentechnik geleitet in Klosterneuburg, das war die Hochblüte, jeder hat eine Fernsehschüssel gehabt. Dort hab ich mich aber mit der Firmenleitung zerstritten. Mein Vorgänger in diesem Geschäft hier, der Herr Groll, ein Kunde von uns, hat damals Konkurs angemeldet und mich gefragt, ob ich das nicht eventuell übernehmen will. Weil man findet ja nicht leicht jemanden, der sich eine Arbeit kauft, und das Geschäft hier heißt Arbeit.

Die 1.500 Haken

Also hab ich es 2001 übernommen, den Standort gibt es aber seit 1969, da hat es noch Antennenfachgeschäft Messner geheißen. Aber die Elektronik wird immer brotloser, wir leben in einer reinen Wegwerfgesellschaft, repariert wird praktisch nichts mehr. Die Produkte sind spottbillig, die Arbeitszeit ist teuer, Ersatzteile gibt es kaum noch, also schmeißt man das meiste weg.

Er könnte einen 100 Quadratmeter großen Raum nur mit Kabeln füllen.
Robert Newald

Eine Runde durchs Geschäft? Gerne. Das sind USB-Kabeln, das Transistoren, das Drosseln, das PTCs, das NTCs, das Spulen, das ist ein Varistor VDR 25 VAC 31 VDC DM 14 mm, ein Überspannungsschutz, den es in allen verschiedenen Werten gibt. Im Geschäft hängen mindestens 1500 Haken mit ebenso vielen verschiedenen Teilen drauf, es gibt bei mir nichts doppelt. Der Wahnsinn: Das muss ich alles selbst einpacken, klammerln, etikettieren, draufpicken. Das hier sind Elektrolytkondensatoren, da oben hängen Potenziometer, hier Ferritkernspulen, da Ventilatoren für alles mögliche, das sind Transformatoren, da oben sind Anlaufkondensatoren in allen Werten, die braucht man für Rasenmäher, Waschmaschinen, und die werden immer wieder kaputt, die platzen auf, da rinnt dann was aus, dann muss man sie tauschen. Das hier sind Keramikkondensatoren und Folienkondensatoren für die kleinen Werte, von einem Pikofarad zu einem Mikrofarad. Was ein Farad ist? Na geh! Das lernt man doch in der Hauptschule! Was LM 358 heißt? Das ist ein Spannungsregler. CNY 17? Das ist ein Optokoppler.

Etwas für die Freaks

Hier verkaufe ich ein paar Fachbücher und Elektronikzeitschriften aus unterschiedlichen Jahrzehnten, ich hab selbst viel gesammelt über die Jahre, und jetzt geb ich alles her. Die Elektrische Antriebstechnik von Fritz Kümmel hab ich gelesen, natürlich. Kaufen tun das Freaks, die sich auskennen.

Hier gibt es alle möglichen Kabel. Das mit den Kabeln ist ein Wahnsinn, ich könnte einen Raum mit 100 Quadratmetern nur mit Kabeln füllen, es gibt tausende verschiedene, und es kommen immer wieder neue dazu. Universalstecker schafft die Industrie einfach nicht. Zwar hat man sich beim Handy auf einen Standard geeinigt, aber der ist mittlerweile auch schon wieder veraltet. Auch Netzgeräte habe ich aberhunderte, jedes Gerät läuft mit Niederspannung, das Problem ist halt, dass nichts zusammenpasst. Allein bei den Hohlsteckern gibt es 14 verschiedene Größen, das ist eine Katastrophe.

Schachteln über Schachteln
Robert Newald

Telefonkabel? Hab ich Unmengen auf Lager, aber die kauft keiner mehr, es ist ja alles WLAN oder Funk. Glühbirnchen hab ich in allen Größen und Sorten, die werden nicht mehr produziert, der Glühfaden stirbt aus. Da drüben habe ich mindestens 50 Haken mit verschiedenen LEDs, alle Farben, Größen, Sorten. Und da unten sind Uhrenbatterien, Alkalinebatterien, Zink-Kohle-Batterien, Silberoxidbatterien, Lithiumbatterien, Hörgerätebatterien, das ist ein wichtiger Markt, überall ist eine Batterie drin.

Diese Scart-Kabel da aber braucht keiner mehr. Hier sind Stromkabel, Lautsprecherkabel, steife Kabel, flexible Kabel, einpolige Kabel, zwei- oder dreipolige, Diodenkabel, Niederfrequenzkabel. Hier sind Schrumpfschläuche.

Ich bin das letzte Elektronikgeschäft in Wien mit Beratung. Zwar gibt es Elektroniksupermärkte, aber dort kennt sich keiner aus, da musst du immer mit der Artikelnummer kommen, und dann haben sie den Artikel nicht lagernd. Vor 20 Jahren, als ich angefangen habe, hat es noch 20 Elektronikgeschäfte gegeben, die sind alle weg. Man möchte meinen, ich hätte deswegen mehr Geschäft, aber das Gegenteil ist der Fall: Keiner lötet mehr, keiner bastelt mehr, jeder hat ein Handy, wo ich nicht einmal mehr den Akku tauschen kann, ein modernes Handy ist eine Katastrophe. Nichts hat mehr einen Wert.

Und alles zu Schrottpreisen

Ein Kollege hat früher Videorekorder repariert, der ist gestanden im weißen Arbeitsmantel, hat den Deckel aufgemacht und mit dem Kunden hineingeschaut. Der hat gefragt: "Sie kennen sich aus?" Und er hat gesagt: "Sicher, aber es kostete 2000 Schilling." Da warst du ein Gott, weil du gewusst hast, wie was geht, und der Kunde hat gezahlt. Heute sagt er: "Wenn du es um 20 Euro nicht reparierst, hau ich es weg." Vor 40 Jahren waren Zehn-Megabyte-Festplatten unerschwinglich, Monitore unerschwinglich.

Heute gibt es alles zu Schrottpreisen. Ich bin kein Freund vom Wegschmeißen, aber was bleibt mir übrig? Ich hab eine Kiste, da schmeiß ich ein, was nicht zu brauchen ist, und die Leute nehmen alles mit. Unmengen alter Fernbedienungen! Jeden Tag nehmen sie 30 Fernbedienungen mit.

Im weitläufigen Elektroeinzelhandelsgeschäft Widhalm in der Liebhartsgasse in Ottakring findet man Zubehör, das es teilweise nicht einmal im Internet zu bestellen gibt.
Foto: Robert Newald

Wie es mir damit geht? Das Geschäft ist mein Hobby, und wo sollte ich sonst arbeiten? Die Verkaufsbetriebe, die Dienstleister, die Handwerker werden immer weniger. Ich hoffe halt, dass ich es irgendwie bis zur Pension schaffe. Dann ist es eh vorbei mit dem Geschäft, keiner übernimmt so etwas. Und nicht einmal das Kupfer könnte ich dann verkaufen, weil oft keines mehr drin ist. Es gibt sogar schon Elektrokabel, die aus Aluminium gemacht werden, damit es billiger ist, man glaubt es gar nicht.

Manchmal stehen noch mehrere Kunden bei mir um die Kassa herum, alle ungefähr in meinem Alter, und die können stundenlang diskutieren, wie so Ärzte, die um einen Patienten herumstehen. Meistens sind das Hi-Fi-Freaks. Vor 30 Jahren haben die sich die Hi-Fi-Anlagen in ihre Autos gebaut, das glaubst du nicht. In den modernen Autos aber ist kein Platz für so was, da ist ein Zwei-Höheneinheiten-Radio fix verbaut, und wenn du das herausnimmst, dann springt das Auto gar nicht mehr an. (Manfred Rebhandl, 29.4.2022)